PDF des gesamten Heftes (5MB) - Institut für Theorie ith
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5 Vgl. dazu Markus Krajewski (Hg.),<br />
Projektemacher. Zur Produktionsform von<br />
Wissen in der Vorform <strong>des</strong> Scheiterns,<br />
Berlin 2004.<br />
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44<br />
6 Ebd,, S. 24.<br />
Wenn <strong>Theorie</strong> im Rahmen von Experimentalsystemen<br />
und hier als ästhetische<br />
Praxis entwickelt und erprobt<br />
wird, richtet sich die Aufmerksamkeit<br />
auf die Verfahrensweisen, Wahrnehmungsvorgänge,<br />
Subjektpositionierungen,<br />
Objektbezüge und damit auf Räume<br />
<strong>des</strong> Möglichen. <strong>Theorie</strong> wird damit<br />
zum Projekt, im Sinn der Projektmacher,<br />
wie sie zu Beginn der Moderne<br />
als obskure Figuren an den Rändern<br />
<strong>des</strong> offiziellen Betriebs der Wissenschaft<br />
und Technik auftauchten und bis<br />
heute aktuell sind.[5] Im Spiel, das der<br />
Projektmacher risikofreudig mit den<br />
Ordnungen treibt, «befindet er sich in<br />
einem eigentümlichen Schwebezustand,<br />
er operiert im epistemologischen<br />
Dazwischen einer ungesicherten Ordnung<br />
und <strong>des</strong> kanonisierten Wissens.<br />
Seine Position markiert geradewegs<br />
den Übergang zwischen kritischer<br />
Zwangslage und einer noch unentschiedenen,<br />
zu gestaltenden Zukunft.<br />
Seine selbst gewählte Aufgabe besteht<br />
darin, das Undenkbare zu behaupten,<br />
um das Unmögliche realisierbar zu<br />
machen.[6] In dieses Spiel mit Potentialitäten<br />
und der Energie <strong>des</strong> Imaginären<br />
gilt es auch die <strong>Theorie</strong> einzuführen<br />
— als Projekt on stage. In der Projektion<br />
von möglichen Welten ist das<br />
Scheitern impliziert — und konstitutiv,<br />
wie der Projektmacher Schlingensief<br />
nicht zu behaupten müde wird. Was<br />
bedeutet, dass derjenige, der ein Projekt<br />
unternimmt, sich entsprechend<br />
selbst aufs Spiel setzt. Dies scheint mir<br />
der zentrale Punkt einer produktiven<br />
Überblendung von Künsten und <strong>Theorie</strong><br />
im Experimentalraum der ästhetischen<br />
Praxis zu sein. Indem man die<br />
Aufmerksamkeit auf das Einrichten<br />
(Kontextualisieren) und das Verfahren<br />
(Vorführen) theoretischen Denkens<br />
richtet, gerät derjenige ins Blickfeld,<br />
der dies unternimmt: Der Theoretiker<br />
wird als Beobachter der Welt selbst<br />
beobachtet. Und das Beobachten <strong>des</strong><br />
Beobachtens kann in der Inszenierung<br />
selbst beobachtet werden. Beschreibt<br />
man diese Konstruktion systemtheoretisch<br />
als Überlagerung von Beobachterperspektiven,<br />
zeigt sich ihre Radikalität.<br />
<strong>Theorie</strong> on stage sorgt sich nicht primär<br />
um Veranschaulichung, Vermittlung<br />
und Unterhaltung, sondern um die<br />
Verschärfung der eigenen Kompetenzen<br />
und Möglichkeiten, indem sie<br />
selbstreflexiv die Produktionsbedingungen<br />
und Verfahren sichtbar macht. Dies<br />
ist der epistemologisch entscheidende<br />
Gewinn einer Performativität der <strong>Theorie</strong>,<br />
der es immer noch und vor allem<br />
um <strong>Theorie</strong> geht, aber um andere Strategien<br />
der <strong>Theorie</strong>, die den Schiffbruch<br />
wagen und sich nicht mit der Position<br />
<strong>des</strong> Zuschauers im vermeintlich Gesicherten<br />
zufrieden geben.