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PDF des gesamten Heftes (5MB) - Institut für Theorie ith

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serverbasiert läuft, weil es so etwas auf dem freien Softwaremarkt<br />

noch nicht gab. Auch in den nach außen hin<br />

sichtbaren Web-Auftritt steckten wir viel Energie und Ehrgeiz.<br />

Die Website war das Herzstück der Firma, wurde<br />

ständig verändert und diente uns in ihrer Live-Außenwirkung<br />

als Denk-Werkzeug bei der Suche nach möglichen<br />

Geschäftsfeldern. In der allerersten Version hieß es noch<br />

mit Rückgriff auf ein einschlägiges DaDa-Zitat: «Die ZIA<br />

ist eine Amöbe» — und natürlich stimmte das. Es gab<br />

einen Buzzword-Regler, mit dem sich die Ansprache von<br />

sachlich-bescheiden bis hin zu angeberischstem Marketing-<br />

Vokabular variieren ließ. Bis<br />

heute sind die wechselnden<br />

Einstiegsseiten so genannte<br />

«Glitzi-Elemente», und der<br />

Fundus an wechselnden, ständig<br />

erneuerten Claims unter<br />

dem Namen, die sich bei jedem<br />

Reload der Seite reaktivieren,<br />

ist Ausdruck dieser schweifenden<br />

Suchbewegung. Sie reichen<br />

von totalem Unfug wie<br />

«Lauf nach Hause, kleiner<br />

Hund!» bis hin zu einigermaßen<br />

akkuraten Positionsbeschreibungen<br />

wie: «Die eingebildete<br />

Weltmacht.» Weitere<br />

Einträge der Liste sind: «Essenz auf Rädern», «Arbeit in<br />

Fortschritt», «Zweiter zu gar nichts» und — nicht zuletzt<br />

— das mittlerweile sloganhaft-emblematische: «Wir nennen<br />

es Arbeit«. Es ist immer wieder amüsant zu verfolgen,<br />

wie Journalisten, die offensichtlich die Website nur ein<br />

einziges Mal besucht haben, den Zufallsfund <strong>für</strong>s Ganze<br />

nehmen und eine <strong>Theorie</strong> darum herum basteln.<br />

Was die Geschäftsmodelle der ZIA angeht, so unterliegen<br />

auch sie dieser Unschärferelation und wechseln relativ<br />

häufig. Ganz zu Anfang war es der untaugliche Versuch,<br />

als Agentur <strong>für</strong> journalistische und literarische Kurzprosa<br />

zu wirken und aus der Artikelanbahnung und -zweitverwertung<br />

ein Agenturhonorar zu erwirtschaften. Nach ein<br />

bis zwei erfolgreichen Vermittlungen wurde dieses Modell<br />

— da zu arbeitsintensiv, unergiebig und insgesamt<br />

bescheuert — sang- und klanglos begraben. Aus dieser<br />

Zeit stammt jedoch noch die Wolke von inoffiziellen Mitarbeitern,<br />

die auf der Website unter ‹Kartei› ausgestellt<br />

ist, sich mittlerweile aber komplett ausgetauscht hat. Es<br />

folgte eine längere Phase der Doppelstrategie, indem wir<br />

uns als ‹Sub-Dienstleister› <strong>für</strong> Spezialaufgaben bei Redaktionen,<br />

Werbe- und Branding-Agenturen verdingten —<br />

aufgrund unserer schlanken Kostenstruktur sowie einiger<br />

Erfahrungen in diesem Bereich waren wir da<strong>für</strong> bestens<br />

aufgestellt — und nebenher mit den erwirtschafteten<br />

Freiräumen eigene Projekte realisierten, von denen wir<br />

fanden, dass die Welt sie braucht. Daraus hervorgegangen<br />

sind unter anderem das monatliche Bühnen-Veranstaltungsformat<br />

«Berlin Bunny Lectures» sowie die<br />

kollektive Weblog-Riesenmaschine, die 2006 nach nur<br />

einjährigem Bestehen mit dem Grimme-Online-Award<br />

ausgezeichnet wurde.<br />

Die derzeitige Strategie sieht vor, das bisherige Spielbein<br />

zum Standbein zu machen und sich ganz auf den Sektor<br />

der Formatentwicklung zu spezialisieren. «Die ZIA verwandelt<br />

intellektuelle Obsessionen in geschmeidige Kulturformate»,<br />

lautet der Satz, der als Arbeitsgrundlage aus<br />

einem Identitätskrisenwochenende Anfang 2006 (in einer<br />

Hütte mit Sauna an einem See im Berliner Umland) resultierte.<br />

Und bisher scheint diese neue Positionierung Früchte<br />

zu tragen. Es kristallisiert<br />

sich ein Drei-Säulen-Modell<br />

heraus, bei dem die Formatentwicklung<br />

<strong>für</strong> Web, Sachbuch,<br />

Bühne und TV im Zentrum<br />

steht. Die Literaturvermittlung<br />

als klassische Agentur<br />

ist ein zukunftsträchtiger<br />

Wachstumsbereich, und natürlich<br />

bleiben wir ansprechbar<br />

<strong>für</strong> Unternehmen, die Interesse<br />

an unserer Arbeit zeigen<br />

und sich eine Infusion <strong>des</strong><br />

Geistes der ZIA <strong>für</strong> ihre eigene<br />

Marke wünschen. Tatsächlich<br />

zeigt sich, dass das beharrliche<br />

und trotzige Festhalten an der Marke ZIA alles in allem<br />

das Beste war, was wir tun konnten. Mittlerweile wissen<br />

wir sehr genau, wo<strong>für</strong> sie steht, auch wenn wir es immer<br />

noch nicht exakt in Worte fassen können. In der Entscheidungssituation<br />

«passt zu uns/passt nicht zu uns» liefert sie<br />

uns jedoch klare Handlungsanweisungen. Und spätestens<br />

seit Mitgeschäftsführerin Kathrin Passig nach dem Gewinn<br />

<strong>des</strong> Bachmann-Preises (ein Kabinettstückchen, das ursprünglich<br />

nicht einmal viel mit der Firma zu tun hatte)<br />

zu jedem Interviewtermin das T-Shirt mit Logo trägt, ist<br />

die ZIA auch einer breiten Öffentlichkeit ins Bewusstsein<br />

gerückt. Wir nennen es: «Marketing bei Feuilleton», und<br />

weil es wohl vor uns noch niemand so konsequent betrieben<br />

hat, funktioniert es erstaunlich gut. Es ist die komfortable<br />

Situation eingetreten, dass wir uns inzwischen die<br />

Auftraggeber aussuchen können, und also nur noch die<br />

Mandate annehmen, die zur Marke passen und ausschließlich<br />

Aufgaben beinhalten, die zur ZIA passen und in denen<br />

der eigenwillige ZIA-Ansatz gefragt ist. Den «Weltherrschafts-Progress-Bar»,<br />

den wir irgendwann einmal als<br />

«Glitzi-Element» mit einem gefühlten Startwert von 3%<br />

auf der Website eingebaut haben, haben wir mittlerweile<br />

auf 4% hochgesetzt. Gegen den aufkeimenden Größenwahn<br />

halten wir uns neuerdings einen Trupp bezahlter<br />

Claqueure, die uns erden. Aber es ist noch mehr davon da,<br />

wo das herkam.<br />

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