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PDF des gesamten Heftes (5MB) - Institut für Theorie ith

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<strong>Theorie</strong>praxis!<br />

Der Studienbereich <strong>Theorie</strong> an der Hochschule <strong>für</strong> Gestaltung<br />

und Kunst Zürich (HGKZ) wird zehn Jahre alt beziehungsweise<br />

jung. Das kurze Lebensalter hat mit der Tradition<br />

der Hochschule <strong>für</strong> Gestaltung und Kunst als einer<br />

klassischen Gestalterschule zu tun, an der zwar immer<br />

wieder einflussreiche TheoretikerInnen lehrten, dies aber<br />

innerhalb der traditionellen Klassen <strong>für</strong> Design, Graphik,<br />

Photographie taten. Mitte der neunziger Jahre aber setzte<br />

sich die Einsicht durch, dass auf der einen Seite ein<br />

<strong>Theorie</strong>defizit bezüglich der Kernbereiche der Gestalterschule<br />

herrschte, das sich beispielsweise im Fehlen einer<br />

konsistenten Designtheorie ausdrückte. Auf der anderen<br />

Seite beanspruchte der Studienbereich <strong>Theorie</strong> <strong>für</strong> sich,<br />

eine Ausbildung zu bieten, die neue Formen von <strong>Theorie</strong><br />

generieren wollte. Diese neuen <strong>Theorie</strong>formate sollten im<br />

reflexiven Umgang mit Formen der Gestaltung entstehen.<br />

Textarbeit blieb zwar weiterhin die Grundlage <strong>für</strong> <strong>Theorie</strong>,<br />

der Text sollte aber durch andersartige mediale Umsetzung<br />

eine neue Stellung im <strong>Theorie</strong>diskurs erhalten.<br />

So weit die institutionellen und inhaltlichen Voraussetzungen<br />

<strong>für</strong> den Studienbereich <strong>Theorie</strong>, der sich in der<br />

Folge an der neu entstehenden Fachhochschule bewähren<br />

musste. Als sich der Studienbereich <strong>Theorie</strong> an der HGKZ<br />

2003 im Rahmen der so genannten ‹Peer Review› als Studiengang<br />

einer eidgenössischen Fachhochschule akkreditieren<br />

musste, kam die Jury unter dem Wiener Akademie-<br />

Direktor Thomas Schmidt-Wulffen zum Schluss, dass hier<br />

ein interessantes Programm geboten wurde, dass der<br />

Begriff ‹<strong>Theorie</strong>› aber nichts mit dem zu tun hatte, was in<br />

Unterricht und Projektarbeit mit den Studierenden betrieben<br />

wurde. So wenig stimmte die Breite <strong>des</strong> Studiums<br />

(umschrieben in den Begriffen von Medien, Kunst, Gesellschaft<br />

und Design) mit dem überein, was universitär-akademisch<br />

als <strong>Theorie</strong> gilt — nämlich primär ästhetische<br />

<strong>Theorie</strong>n im Umfeld der klassischen Philosophie. Die Konzessionäre<br />

<strong>für</strong> den Zugang zu einer der Disziplinen an<br />

einer Fachhochschule verlangten aus ihrer Sicht heraus<br />

folgerichtig, dass der Studienbereich seinen Namen zu<br />

wechseln habe, um nicht Etikettenschwindel zu betreiben.<br />

Ein typischer Vorgang in einem Umfeld, wo die meisten<br />

TheoretikerInnen nach wie vor die universitäre Laufbahn<br />

absolviert und das Philosophiestudium als ‹heiliger Gral›<br />

der <strong>Theorie</strong>bildung internalisiert haben. Von dieser ‹Konkurrenz›<br />

will sich der Studienbereich <strong>Theorie</strong> absetzen,<br />

indem er sich als angewandtes Studium charakterisiert.<br />

Eine schwierige Unterscheidung, die umso akuter wurde,<br />

als die Forschungstätigkeit an den Fachhochschulen —<br />

im Gegensatz zur Grundlagenforschung der Universitäten<br />

— eine angewandte zu sein hatte. Nach eingehenden<br />

Überlegungen zu neuen Namen, die vom bereits stark<br />

beanspruchten Begriff der ‹Cultural Studies› bis zu zur<br />

‹Ästhetischen <strong>Theorie</strong>› reichten, beschloß der Studienbereich<br />

selbstbewusst, den <strong>Theorie</strong>begriff weiterhin <strong>für</strong> sich<br />

zu beanspruchen — allerdings ergänzt um den Nachsatz:<br />

«Studien zur Medien-, Kunst- und Designpraxis». Ein anderer<br />

Name hätte die Arbeit am Studienbereich <strong>Theorie</strong><br />

kürzer gefasst: ‹<strong>Theorie</strong>praxis›! Dieser Begriff hätte im<br />

Paradoxon die Ausflucht aus dem Realienstreit der Namensgebung<br />

geboten, zugleich aber bestimmt zu größtem Legitimations-<br />

und Erklärungszwang geführt. Wie <strong>Theorie</strong> an<br />

der HGKZ praktiziert wird, möchte ich anhand einiger<br />

Diplomarbeiten erörtern, die in den letzen Jahren entstanden<br />

sind.<br />

In den Kinderjahren seiner Existenz musste der Studienbereich<br />

<strong>Theorie</strong> beweisen, dass er nicht einfach nur eine<br />

Metawissenschaft zu den Disziplinen der Gestalterschule<br />

zu bieten hatte. Das gestalterische Element und das Arbeiten<br />

in den unterschiedlichsten Medien und Formaten<br />

hatten großes Gewicht. Sichtbar wurde diese <strong>Theorie</strong>auffassung,<br />

die sich aus den Vorgaben schriftlicher Diplomarbeiten<br />

herauskristallisierte, in den Diplomausstellungen,<br />

wo das <strong>Theorie</strong>studium jeweils seine Bewährungsprobe<br />

zu absolvieren hatte, wenn die jährliche Leistungsschau<br />

der Studienbereiche in Form einer Ausstellung angesagt<br />

war. Hier wurden vor allem in den ersten Jahren <strong>des</strong><br />

Bestehens <strong>des</strong> sth die unterschiedlichsten Formate getestet:<br />

Film, Theaterstück, Diashow, szenische Räume oder<br />

sogar Live-Radio.<br />

Audi hm (2001) hieß die Diplomarbeit von Anita<br />

Rufer, die sich mittels einer theoretischen Arbeit in Form<br />

eines Textes über Popkultur und eines temporären Radiosenders<br />

artikulierte. Aus der Überzeugung heraus, dass<br />

Popkultur immer mehr zu einem «affirmativen Monstervehikel»<br />

wird, war dieser Radiosender die Plattform <strong>für</strong> eine<br />

Praxis, die kurzzeitigen Gemeinschaften während der<br />

Dauer der Diplomausstellung die Möglichkeit zu lautstarkem<br />

Ausdruck jenseits <strong>des</strong> Radio-Mainstreams bieten<br />

wollte. Ausgehend von der Reflexion, dass die Praxis aus<br />

der <strong>Theorie</strong> erst hervorgeht, dass sich diese jedoch in Praxisräumen<br />

jenseits der Textproduktion artikuliert, wurde<br />

<strong>Theorie</strong> so direkt in Schallwellen umgesetzt. Damit entsprach<br />

das Audi hm von Anita Rufer perfekt den Ansprüchen<br />

<strong>des</strong> jungen Studienbereichs: Wichtig war, zu zeigen,<br />

dass die <strong>Theorie</strong> keine papierene, sondern eine raumgreifende<br />

und autorschaftliche Existenz bedeutete. Die Abgrenzung<br />

zu rein gestalterischen und künstlerischen Arbeiten<br />

wurde so definiert, dass eine Reflexion über die gewählten<br />

Mittel und das Produkt in der Arbeit der Studierenden<br />

sichtbar werden sollte — auch dies ist natürlich eine ‹weiche›<br />

Definition, da <strong>Theorie</strong>anteile heutzutage ein selbstverständlicher<br />

Bestandteil von künstlerischer und gestalterischer<br />

Arbeit sind. Dieses Bewusstsein hat sich an der<br />

HGKZ jedoch nicht zuletzt dank dem Studienbereich <strong>Theorie</strong><br />

etabliert, der gleichzeitig <strong>für</strong> die Gründung <strong>des</strong> <strong>Theorie</strong>pools<br />

(mit schulübergreifenden Blockkursen mit <strong>Theorie</strong>angeboten)<br />

verantwortlich war.<br />

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