PDF des gesamten Heftes (5MB) - Institut für Theorie ith
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Teil schon länger aus dem Umfeld von Zeitungen oder so<br />
genannten ‹Zusammenhängen›, zum Teil aber auch erst<br />
seit kurzem über das Internet, wo gerade ein kollektives<br />
Schreibprojekt stattfand, das uns in seinen Bann gezogen<br />
hatte, große Teile der Tagesfreizeit in Anspruch nahm und<br />
sich zu einer gewaltigen Sozialmaschine entwickelte.<br />
Gemeinsam war den Beteiligten neben einem ausgeprägten<br />
Unabhängigkeitswillen, einem soliden Fortschrittsoptimismus<br />
und einer Begeisterungsfähigkeit <strong>für</strong> neue Technologien<br />
und daraus resultierende Sozialtechniken ein<br />
forcierter Intellektualismus, der sich im hochtrabenden<br />
Schwadronieren über Gegenwartsthemen,<br />
dem unablässigen<br />
Ausbrüten von Ideen bei<br />
gleichzeitiger Aversion gegen<br />
die praktische Umsetzungsebene<br />
oder das ‹Doing› niederschlug,<br />
sowie eine Vorliebe <strong>für</strong><br />
eine bestimmte Form der Ironie,<br />
die nicht selten in ätzende<br />
Häme umschlug. Wie sollte<br />
man mit einem solchen Trupp<br />
eine Firma gründen? Besser<br />
gefragt: Wie müsste eine Firma<br />
aussehen und beschaffen<br />
sein, in der Menschen, die aufgrund<br />
ihres ausgeprägten<br />
Autonomiebedürfnisses und diverser Macken in keinem<br />
herkömmlichen Unternehmen funktionieren würden,<br />
zusammen funktionieren könnten?<br />
Es war klar, dass es keine Firma im herkömmlichen Sinn<br />
sein könnte. Der klassische Weg hätte bedeutet, gemeinsame<br />
Räume zu akquirieren (<strong>für</strong> deren Miete man allein die<br />
Hälfte <strong>des</strong> Monats hätte arbeiten müssen), feste Arbeitszeiten<br />
zu installieren (bei denen man sich dann physisch<br />
gegenüber sitzt und nach kurzer Zeit auf den Wecker<br />
geht), einen Geschäftsführer zu ernennen (der dann über<br />
kurz oder lang den Hass der Mitarbeiter auf sich zieht). All<br />
das kam nicht in Frage. Wir näherten uns der Idee ex<br />
negativo, indem wir beschlossen, auf eigene Räume,<br />
Anstellungsverhältnisse, Weisungsstrukturen und Hierarchien<br />
von vornherein zu verzichten. Was aber bleibt von<br />
einer Firma übrig, wenn man alles abzieht, was an einer<br />
Firma tendenziell und strukturell stört oder nervt? Eine<br />
gemeinsame Idee, eine Art von Gruppenidentität, eine Art<br />
von Infrastrukturplattform und geteilte Kommunikationskanäle.<br />
Es müsste eine ortlose Firma sein, die von überall<br />
her adressierbar ist. Alles, was es da<strong>für</strong> braucht, ist: eine<br />
Rechtsform, eine Website und gemeinsame Aktivitäten.<br />
Mehr braucht es nicht. Lässt man von einer Firma alles<br />
Überflüssige und Verzichtbare weg, bleibt das reine Substrat<br />
übrig — oder mit anderen Worten: die Essenz der<br />
Marke, eine frei flottierende Marke, die sich überall dort<br />
manifestiert, wo zwei oder drei in ihrem Namen zusammentreffen.<br />
Die Marke, das war zunächst mal der Name, der sich heutzutage<br />
in eine verfügbare URL übersetzen lassen muss.<br />
Auch wenn sonst vieles unklar war — der Name, den mal<br />
irgendwann in unvordenklichen Vorzeiten jemand erfunden<br />
hatte, stand von Anfang an fest: a) weil es die URL<br />
schon gab und sich auf Vorrat in unserem Besitz befand;<br />
b) weil es ein guter Name war, unter dem prinzipiell eine<br />
Vielzahl von Aktivitäten vorstellbar war, der gleichzeitig<br />
modern klang, einen vermessenen Weltherrschaftsanspruch<br />
beinhaltete und dabei noch jene (Selbst-)Ironie<br />
transportierte, ohne die das ganze Vorhaben nicht vorstellbar<br />
war. Uns war zweifellos<br />
bewusst, dass man sich mit<br />
einem solchen Namen auch<br />
Probleme einhandeln konnte,<br />
dass man eben als ‹ironische<br />
Firma› wahrgenommen werden<br />
würde und es <strong>des</strong>halb<br />
Berührungsängste seitens der<br />
seriösen Wirtschaft geben<br />
könnte. Beim Geld hört der<br />
Spaß auf, und um Geldverdienen<br />
ging es in letzter Konsequenz<br />
natürlich auch. Gleichzeitig<br />
ist dieser vermeintliche<br />
Nachteil <strong>des</strong> Namens auch ein<br />
Vorteil, indem er als intellektueller<br />
Vorfilter wirkt: mit Menschen und Firmen, die ihn<br />
nicht verstehen oder sich dadurch abschrecken lassen,<br />
wollten wir auch gar nicht zusammenarbeiten. Umgekehrt<br />
würde die Akzeptanz <strong>des</strong> Namens den Auftraggeber als<br />
potentiell auf einer Wellenlänge ausweisen. Das vom<br />
Haus<strong>des</strong>igner Martin Baaske kreierte Logo — ein niedlicher<br />
schwarz-weißer Computer, der nur die Tastenbelegung<br />
Z, I und A kennt — tat sein Übriges, den ‹unseriösen›<br />
Eindruck zu unterstreichen. Gerade in dieser Ausreißer-<br />
Positionierung, die einem das Leben und die Job-Akquise<br />
anfangs schwer machte, steckte aus markentechnischer<br />
Sicht die große Chance: Es handelt sich um ein absolutes<br />
Alleinstellungsmerkmal, das im besten Sinne <strong>des</strong> Wortes<br />
‹merkwürdig› war. Bis heute prägt die Ästhetik und Tonalität<br />
dieser Anfangstage den Hausstil der ZIA und wirkt<br />
handlungsanleitend und orientierungsstiftend. Das ist das<br />
Maximum <strong>des</strong>sen, was man von einer Marke in der Innenwirkung<br />
erwarten und verlangen kann. Einerseits.<br />
Andererseits war uns wegen der prinzipiellen und strukturellen<br />
Offenheit lange unklar, was überhaupt das eigentliche<br />
Geschäftsmodell der ZIA war. So sehr wir uns über<br />
das Wie der Zusammenarbeit einig waren, so diffus und<br />
vage blieb das Was. In der Anfangsphase investierten wir<br />
<strong>des</strong>halb viel Zeit und Energie in den Aufbau eigener Web-<br />
Tools, die zunächst mal das Wie regelten: geschützte<br />
Bereiche im Netz: Wikis, Foren, Chat-Tools und gemeinsame<br />
Terminkalender, über die es möglich sein würde, von<br />
jedem Ort der Welt aus zusammenzuarbeiten. Kathrin<br />
Passig programmierte eine eigene Projektmanagement-<br />
Software mit rudimentärer Buchhaltungsfunktion, die