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PDF des gesamten Heftes (5MB) - Institut für Theorie ith

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31 — # 08/09 (Dezember 2006)<br />

Das Magazin <strong>des</strong> <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Theorie</strong><br />

der Gestaltung und Kunst Zürich (<strong>ith</strong>)<br />

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_–<br />

Idee zum Verfassen <strong>des</strong> Textes:<br />

über das Praxis-Verständnis der Geheimagentur schreiben und hinterher<br />

das Wort ‹Praxis› per Suchprogramm durch das Wort ‹<strong>Theorie</strong>› ersetzen.<br />

I<br />

«Wir sind die <strong>Theorie</strong>,<br />

Ihr seid die Praxis»…<br />

…verkündet die Frau am Rednerpult zu Beginn von<br />

«Asche zu Asche», einer Show zu <strong>Theorie</strong> und Praxis <strong>des</strong><br />

Geldverbrennens. Am Eingang haben alle Zuschauer je<br />

einen Zehn-Euro-Schein erhalten, auf den das Wort<br />

‹Asche› gestempelt wurde. Nun folgen sieben Thesen zur<br />

Praxis <strong>des</strong> Geldverbrennens in Religion, Politik, Kunst und<br />

Wirtschaft. Soweit zur <strong>Theorie</strong>. Nach jeder These entscheiden<br />

die Zuschauer: Wollen sie die zehn Euro einsacken<br />

oder an den seltsamen Kasten auf der Bühne herantreten<br />

und den erhaltenen Schein öffentlich verbrennen?<br />

Als Bekenntnis zum Traum von der Abschaffung <strong>des</strong><br />

Gel<strong>des</strong>? Um ein Polaroid vom Verbrennungsakt zu erhalten<br />

und es zu verschenken? Oder um die Asche in ein Tütchen<br />

abzufüllen, auf dem «Verschwendung <strong>für</strong> alle» gefordert<br />

wird?<br />

Die Geheimagentur verteilt die Gage, die sie <strong>für</strong> diesen<br />

Auftritt erhält, und entscheidet sich gegen die Option,<br />

selbst Geld zu verbrennen. Auf diese Weise wird die Show<br />

zu einem Erkundungsraum, in dem viele Leute die Geste<br />

<strong>des</strong> Geldverbrennens in ihren verschiedenen Facetten erproben<br />

können: als rituellen, als künstlerischen, als ökonomischen,<br />

als politischen Akt. Gibt es eine Passage von<br />

der Geldverbrennung als Sackgasse linksradikaler Aktion<br />

zu einer anderen, komplexeren Praxis? Von der Negation<br />

der Ökonomie zur Logik der Gabe?<br />

Passagen, die aus den deadends linker <strong>Theorie</strong>/Praxis-Verschränkungen<br />

herausführen, sind Forschungsgegenstand<br />

der Geheimagentur; es geht um kleine taktische<br />

Verschiebungen, die es erlauben, Kommunikationsguerilla<br />

weiterzudenken — auch dahin, wo sie unsichtbar wird,<br />

vielleicht auch geheim. Im Folgenden wollen wir vier solche<br />

Verschiebungen skizzieren.<br />

II<br />

Die Flucht<br />

aus der <strong>Theorie</strong><br />

Eine <strong>Theorie</strong> der Geheimagentur zu formulieren, ist<br />

schwierig, denn die Geheimagentur beginnt als eine Flucht<br />

aus der <strong>Theorie</strong> und ihrer kritischen Gewalt. Jenseits konkreter<br />

gemeinsamer Anliegen konstituierten sich politische<br />

Gruppen der Linken die längste Zeit über eine gemeinsame<br />

Analyse gesellschaftlicher Situationen. Dies<br />

steuert prinzipiell auf eine Art Gerichtsverfahren zu, bei<br />

der die <strong>Theorie</strong> über die Praxis den Vorsitz führt: Entspricht<br />

die Praxis der <strong>Theorie</strong>? Setzt sie bei Ursachen an,<br />

steuert sie auf Lösungen zu, die mit der kritischen Analyse<br />

ausgemacht wurden? Wo sie aber der <strong>Theorie</strong> entsprechen<br />

soll, ist Praxis einer Stellvertreterlogik unterworfen.<br />

Sie tendiert zur symbolischen Aktion, Aufklärung bleibt<br />

ihr Horizont. Zudem wendet das Gerichtsverfahren die<br />

Schwierigkeit, Praxis auf <strong>Theorie</strong> abzubilden, gegen das<br />

fragliche Kollektiv: Da es sich über die Zustimmung zur<br />

Analyse konstituiert, droht es sich zu spalten, sobald eine<br />

konkrete Praxis dem Urteil der Kritik nicht untergeordnet<br />

werden kann.<br />

Das sind Ursachen <strong>für</strong> die seit den 90er Jahren aufs<br />

Neue sich verbreitende Lust auf eine künstlerische, performative<br />

politische Praxis. Performance gibt der Praxis<br />

einen anderen, einen ganz eigenen Stellenwert und bringt<br />

sie damit ein Stück weit vor der <strong>Theorie</strong> in Sicherheit.<br />

Sich unter dem Namen «Agentur <strong>für</strong> Aktionsforschung»<br />

zum Performance-Training zu treffen — das hieß, eine<br />

Instruktion nach Art der instruction art im öffentlichen<br />

Raum umzusetzen: Kein Originalitätsdruck und vor allem<br />

die Möglichkeit, eine gemeinsame Praxis ungefragt vor die<br />

<strong>Theorie</strong> zu setzen, eine Praxis, die im öffentlichen Raum<br />

immer auch zufällige Mitstreiter und Zaungäste fand,<br />

unerwartete Allianzen.<br />

Dennoch: Je größer die «Agentur <strong>für</strong> Aktionsforschung»<br />

wurde, <strong>des</strong>to stärker wurde auch der Druck, sich<br />

durch Analysen und Programme identifizierbar zu machen,<br />

Unvereinbarkeiten festzustellen, Mitglieder von Nicht-Mitgliedern<br />

zu unterscheiden. Das Gerichtsverfahren hatte<br />

begonnen. Das Gründungsdokument der Geheimagentur<br />

ist daher zugleich eines der Auflösung:<br />

)

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