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PDF des gesamten Heftes (5MB) - Institut für Theorie ith

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1 Hans Blumenberg, Schiffbruch mit<br />

Zuschauer. Paradigma einer Daseinsmetapher<br />

(1979), Frankfurt am Main 1997, S. 65.<br />

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40<br />

<strong>Theorie</strong>-Projekte<br />

Was uns hier umtreibt, ist in dem Doppelleben<br />

begründet, das wir führen:<br />

Zum einen sind wir im Konkreten «den<br />

Stürmen der Wirklichkeit und dem<br />

Einfluß der Gegenwart preisgegeben»;<br />

zum anderen im Abstrakten, wo wir<br />

«neben, wenn nicht über uns selbst»<br />

stehen.[1] Der Nähe in der bedrängenden<br />

Unübersichtlichkeit möchten wir<br />

die Distanz der befreienden Übersicht<br />

entgegenstellen: Wir erwarten, dass die<br />

<strong>Theorie</strong> — als die Schau (theoria) von<br />

oben und außen — dies bewerkstelligen<br />

soll, indem sie vereinfacht und die<br />

verwirrende Vielfalt der Erscheinungen<br />

reduziert auf eine Realität sowie das<br />

Spezielle und Zufällige in das mehr<br />

oder minder Allgemeine und Gültige<br />

übersetzt. <strong>Theorie</strong> ist Kontingenzbereinigung<br />

— so die Behauptung derjenigen,<br />

die am gesicherten Ufer stehen,<br />

der Zu-Schauer, die den Schiffbruch<br />

der anderen beobachten, die involviert<br />

sind (gemäß der bekannten Metapher<br />

von Blumenberg).<br />

Dieses Zweiweltenmodell bestimmt<br />

das offizielle <strong>Theorie</strong>geschäft<br />

bezüglich der Methoden und Produkte<br />

wie auch der Selbstwahrnehmung seiner<br />

Agenten und der Funktion der institutionellen<br />

Rahmung. <strong>Theorie</strong> begreift<br />

und verobjektiviert; sie systematisiert,<br />

der Ordnung verpflichtet, die nichts zu<br />

tun hat mit Interessen und Wertungen,<br />

nicht selber affiziert ist und daher auch<br />

keine Sinnlichkeit freisetzt. Der Theoretiker<br />

ist der, der von sich absieht —<br />

eine Absenz, die er strategisch mittels<br />

Traditionsbildungen und Diskursparadigmen,<br />

Zugangsritualen und berufsständischen<br />

Normen sichert. Für diejenigen,<br />

die sich nicht auf diese Weise<br />

retten können oder wollen, erscheint<br />

<strong>Theorie</strong> zwiespältig. Auf der einen<br />

Seite sind sie fasziniert von den Zaubertricks<br />

der <strong>Theorie</strong>, mit denen diese<br />

Begründung und Erklärung verspricht,<br />

auf der anderen Seite bemerken sie nur<br />

allzu schnell, wie sie, den Verlockungen<br />

folgend, gerade am scheinbar sicheren<br />

Ufer, den Boden unter den Füßen verlieren.<br />

Es sind u.a. die Konstruktion<br />

und die Behauptung dieses Doppellebens,<br />

die uns provozieren, Schauplätze<br />

und Verfahren zu (er)finden, auf und<br />

mit denen dieses <strong>Theorie</strong>-Geschäft in<br />

seinen fragwürdigen Auswirkungen<br />

zur Kenntlichkeit verfremdet wird —<br />

und <strong>Theorie</strong> sich erweisen könnte als<br />

Einübung in den Schiffbruch und als<br />

Übung im selber Schwimmen.

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