09.03.2014 Aufrufe

PDF des gesamten Heftes (5MB) - Institut für Theorie ith

PDF des gesamten Heftes (5MB) - Institut für Theorie ith

PDF des gesamten Heftes (5MB) - Institut für Theorie ith

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

_–<br />

_–<br />

_–<br />

50<br />

Ein «Blick von der Seite»<br />

And maybe theory is biography, presenting it is a lecture,<br />

doing a lecture is performing. Thank you for your attention.<br />

I’d be glad to answer any questions you might have.<br />

Xavier Le Roy[1]<br />

Mit diesem Zitat als Leitspruch veranstaltet Unfriendly<br />

Takeover seit Juli 2004 die Reihe «Performing Lectures»<br />

im atelierfrankfurt. Kuratiert von der seit sechs Jahren<br />

aktiven Gruppe, die nach dem namensgebenden Prinzip<br />

<strong>des</strong> ‹takeover› schon verschiedenste Veranstaltungen an<br />

wechselnden Orten, jedoch stets an der Schnittstelle von<br />

Kunstgattungen, Veranstaltungsformaten oder Szenen<br />

durchgeführt hat (vgl. www.unfriendly-takeover.de), entspringt<br />

auch die Idee der Lecture Performance-Reihe dem<br />

Interesse an gattungsüberschreitenden Arbeiten und Formaten.[2]<br />

Im Rückblick auf mehr als zwanzig Lecture Performances<br />

von Künstlern aus den Bereichen Tanz, Theater,<br />

Musik, Performance Art und Bildender Kunst geben<br />

die folgenden Ausführungen einen (wenngleich notwendig<br />

vorläufigen) Überblick über das reflexive Potential <strong>des</strong><br />

im Zwischenbereich von Wissenschaft und Kunst angesiedelten<br />

performativen <strong>Theorie</strong>formats.[3] Der Fokus liegt<br />

dabei weniger auf dem reflexiven Potential der Lecture<br />

Performance im Hinblick auf die Performance,[4] als vielmehr<br />

auf dem ‹Blick von der Seite›, den die Lecture Performance<br />

auf diejenige Form der Wissenschaftskommunikation<br />

erlaubt, die in der Geschichte der Wissenschaft<br />

und ihrer Popularisierung eine zentrale Rolle gespielt<br />

hat: der Vortrag.<br />

Erstens<br />

Die Ankündigung eines Blicks von der Seite geht auf<br />

Dieter Merschs Entwurf einer ‹negativen Medientheorie›<br />

zurück.[5] Mersch zufolge stehen Medien im Verdacht,<br />

überall und jederzeit präsent zu sein, sich aber dennoch<br />

nicht zu zeigen. Vielmehr verweigern sie sich der Analysierbarkeit<br />

aufgrund ihrer spezifischen Undurchdringlichkeit:<br />

«Denn indem ‹Medien› etwas zeigen, vorführen oder<br />

repräsentieren, verbergen oder verdecken sie zugleich das<br />

komplette Feld ihrer Herkunft und Produktionsbedingungen«<br />

(S. 2). Das genuine Paradox <strong>des</strong> Medialen liegt in<br />

seiner vermittelnden Struktur, denn «[k]eine Vermittlung<br />

vermag ihre eigenen […] Materialitäten und Strukturen<br />

mitzuvermitteln» (S. 3). Daraus folgt <strong>für</strong> Mersch, dass das<br />

Mediale nur aus einem «Blickwinkel von der Seite her» (S.<br />

4) anhand «querlaufende[r] Performanzen und Unterbrechungen»<br />

(S. 7), an Bruchstellen und Dysfunktionalitäten,<br />

untersucht werden kann, deren Vorbild künstlerische<br />

Interventionen sind.<br />

Künste können Medien sowohl thematisch als auch<br />

formal reflektieren. Als paradigmatisches Verfahren <strong>für</strong><br />

eine formale Reflexion <strong>des</strong> Medialen in der Kunst führt<br />

Mersch die Anamorphose an. Die Anamorphose trägt in<br />

ein zentralperspektivisch strukturiertes Bild ein weiteres<br />

Bild ein, das jedoch erst aus einem bestimmten Blickwinkel<br />

oder mit Hilfe eines Spiegels, von der Seite her also,<br />

betrachtet werden kann. Ein bekanntes Beispiel <strong>für</strong> eine<br />

solche Anamorphose ist Hans Holbeins Gemälde Die<br />

Gesandten (1533), das mit der anamorphotischen Repräsentation<br />

eines Totenschädels eine Kippfigur ins Bild einträgt,<br />

die sich erst aus einem Winkel von 27° zeigt. Die<br />

paradoxe Figuralität der Anamorphose besteht darin, dass<br />

sie, «indem sie nichts zu zeigen scheint, zugleich auf die<br />

Medialität der Bildkonstruktion zeigt» (S. 11) und sich in<br />

der Kippbewegung so das verborgene Mediale der Darstellung<br />

offenbart.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!