PDF des gesamten Heftes (5MB) - Institut für Theorie ith
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31 — # 08/09 (Dezember 2006)<br />
Das Magazin <strong>des</strong> <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Theorie</strong><br />
der Gestaltung und Kunst Zürich (<strong>ith</strong>)<br />
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3 Lorraine Daston / Katharine Park (Hgg.),<br />
Wonders and the Order of Nature 1150-1750,<br />
New York 1998, S. 14.<br />
V<br />
«Wer nicht glaubt an Wunder,<br />
ist kein Realist.«<br />
In «Die Wunder von Bochum» wurde diese Suche<br />
selbst zur Performance. Denn das, was fiktiv scheint und<br />
doch real ist, ist das nicht das Wunder? Im Sommer 2005<br />
eröffnet die Geheimagentur eine «Wunderannahmestelle»<br />
in der Bochumer Innenstadt und produziert damit ihrerseits<br />
etwas, das fiktiv schien und dennoch real war.<br />
In der Forschungstradition der Wundersuche — dies<br />
brachte die Recherche ans Licht — ging es keineswegs<br />
nur um Wunder in einem religiösen Sinn. Als Wunder<br />
galten in der frühen Neuzeit auch seltsame Objekte, zum<br />
Beispiel Steine mit magnetischen Kräften, Lebensformen,<br />
die jenseits geltender Regeln existierten, oder frühe elektrische<br />
Gerätschaften. Schon Aristoteles hat das ‹Wundern›<br />
daher als Ursprung aller Philosophie bezeichnet, und in<br />
ihrem zusammen mit Katharine Park herausgegebenen<br />
Buch Wunder und die Ordnung der Natur führt die Historikerin<br />
Lorraine Daston aus:<br />
«To register wonder was to register a breached boundary,<br />
a classification subverted. The making and breaking of<br />
categories […] is he Ur-act of cognition, underpining all<br />
pursuit of regularities and discovery of causes.»[3]<br />
Das Wunder steht auch am Anfang <strong>des</strong> modernen Journalismus:<br />
Die ersten Flugblätter, die als Vorläufer der Zeitungen<br />
in den Umlauf kamen, hatten häufig wundersame<br />
Ereignisse zum Gegenstand. Man hätte also ahnen können,<br />
dass die Geheimagentur mit der Wundersuche ihr bisher<br />
populärstes Unterfangen begonnen hatte. Die Presse —<br />
vom Bochumer Wochenblatt bis zu den Tagesthemen —<br />
rannte der Wunderannahmestelle förmlich die Tür ein.<br />
In Folge dieser Publicity entwickelte sich die Wundersuche<br />
alsbald zu einem Unternehmen mit über 100 Mitwirkenden.<br />
Schon zum Auftakt hatte die Geheimagentur auf drei<br />
Lieblingswunder hingewiesen, nach denen verstärkt<br />
Ausschau gehalten werden sollte: Erstens das David-Goliath-Wunder,<br />
also der überraschende Sieg eines Schwachen<br />
gegen einen weit überlegenen Gegner. In Bochum<br />
sind wir diesem Wunder mehrfach begegnet, sei es nun in<br />
Form <strong>des</strong> klassischen Fussballwunders, in Form eines<br />
Kampfes gegen die Kommerzialisierung <strong>des</strong> öffentlichen<br />
Raums oder in Form <strong>des</strong> 7 Tage währenden wilden Streiks<br />
der Bochumer Opel-Belegschaft gegen den Konzern General<br />
Motors und die Gewerkschaft. )