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PDF des gesamten Heftes (5MB) - Institut für Theorie ith

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31 — # 08/09 (Dezember 2006)<br />

Das Magazin <strong>des</strong> <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Theorie</strong><br />

der Gestaltung und Kunst Zürich (<strong>ith</strong>)<br />

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I<br />

Ort der Produktion —<br />

Kokerei Zollverein (2001-2003)<br />

Mein Konzept, auf dem Gelände der im strukturschwachen<br />

Essener Stadtteil Katernberg gelegenen Kokerei<br />

Zollverein einen Ort <strong>für</strong> zeitgenössische Kunst und<br />

Kritik zu schaffen, orientierte sich an der Geschichte der<br />

Kokerei Zollverein als industrielle Produktionsstätte und<br />

verwies auf die sozialgeschichtliche Besonderheit und<br />

architektonische Unverwechselbarkeit <strong>des</strong> Gelän<strong>des</strong>. So<br />

sollte die Kokerei Zollverein als Ort einer künstlerischen<br />

und sozialen Produktion erhalten bleiben, durch ästhetische<br />

Interventionen lebendig transformiert und mit sozialpolitischen<br />

Themen wach gehalten werden. Ich verstand<br />

das Projekt durchaus auch als Beitrag der zeitgenössischen<br />

Kunst zur Strukturwandel-Debatte in Nordrhein-<br />

Westfalen, als ein Projekt, das die gesellschaftliche Wirklichkeit<br />

thematisierte und künstlerisch verdichtete.<br />

z 2001: «Arbeit Essen Angst — Von der Arbeitsgesellschaft<br />

zur Wissensgesellschaft»<br />

Die Krise der Arbeitsgesellschaft ist allgegenwärtig. Arbeitslosigkeit<br />

gilt als das Schlüsselproblem der postindustriellen<br />

Gesellschaft schlechthin. Die neuen Formen dezentralisierter<br />

und flexibilisierter Arbeit, flacher Hierarchien<br />

und outsourcing bewirken unübersehbare soziale Probleme.<br />

Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien,<br />

von denen viele Menschen ausgeschlossen sind,<br />

steuern die Bildung von Kompetenz, Karriere und Wohlstand.<br />

Im Jahr 2001 fand in drei Etappen die Ausstellung<br />

«Arbeit Essen Angst» statt. Als wachsende Ausstellung formulierte<br />

sie Aussagen über den Zustand und die Perspektiven<br />

der Arbeitsgesellschaft, aber auch über den Zustand<br />

und die Perspektiven der zeitgenössischen Kunst, um in<br />

der Verschränkung zwischen bildender Kunst, <strong>Theorie</strong><br />

und Praxis neue kommunikative Prozesse zu initiieren.<br />

Ausgehend von der Industriegeschichte der Kokerei Zollverein,<br />

der einst größten Kokerei Europas, hinterfragten<br />

die KünstlerInnen der Teilausstellung «Arbeit» die herrschende<br />

Marktideologie, thematisierten die sozialen Folgen<br />

und formulierten modellhaft Alternativen. Sie setzten<br />

die ‹Arbeit› nicht in Tauschverhältnisse, sondern in Kooperationsverhältnisse.<br />

In den Teilausstellungen «Freizeit/<br />

Soziales» und «Angst» verdichteten sich nach und nach<br />

die Werke und ihre zeitlich aufeinander abgestimmte Abfolge<br />

zu einem thematischen Ganzen. In den begleitenden<br />

Konferenzen setzten sich internationale KünstlerInnen<br />

und Fachleute mit Fragen der Freizeitgesellschaft sowie<br />

mit den Themen Rechtsradikalismus, Existenzgeld und<br />

politischer Teilhabe auseinander. Dabei war zu beobachten,<br />

wie die Publikumsbeteiligung proportional zu den<br />

persönlichen Lebensumständen abnahm. Das Beteiligungskapital<br />

bei Vorträgen und Seminaren zu gesamtgesellschaftlichen<br />

Themen war relativ gering, wohingegen Veranstaltungen<br />

mit einem hohen Anteil von individuellen<br />

und materiellen Bezugsmomenten eine höhere Identifikation<br />

provozierten. Der Vortrag «Existenzgeld» zum Beispiel<br />

war sehr gut besucht, während das Symposium zum<br />

Rechtsradikalismus weitgehend unter Ausschluss der<br />

Öffentlichkeit stattfand. Das ist insofern interessant, als<br />

das Ruhrgebiet die zweitgrößte Rechtsradikalenszene der<br />

Bun<strong>des</strong>republik beheimatet und die meisten Straftaten<br />

mit rechtsradikalem Hintergrund dort verübt werden.<br />

Die Ausstellung «Arbeit Essen Angst» machte die<br />

Grundidee <strong>des</strong> Projekts zum Programm. Allen Werken<br />

gemeinsam waren die Auseinandersetzung mit gesellschaftsrelevanten<br />

Fragen sowie der Bezug zum Areal. Auf<br />

diese Weise bezog die Ausstellung nicht nur die Besucher-<br />

Innen in einen fortwährenden Entwicklungsprozess ein,<br />

sondern machte zugleich ihre Entstehung transparent.<br />

Im Erdgeschoss der Mischanlage der Kokerei Zollverein<br />

wurde zudem <strong>für</strong> die Dauer <strong>des</strong> Gesamtprojekts der<br />

so genannte Disko-Raum eingerichtet. Hier konnten sich<br />

die BesucherInnen mit Hintergründen, Künstlerarchiven<br />

und thematischen Materialien sowie mit der Geschichte<br />

<strong>des</strong> Hauses auseinandersetzen. Der Disko-Raum stellte<br />

einen Themen-Pool zur Verfügung, in dem die Besucher-<br />

Innen sowohl online als auch in Büchern, Zeitschriften,<br />

Materialien und Archiven recherchieren, kostenlos kopieren<br />

und so die ‹Inhalte› selbst produzieren konnten. Im<br />

Ruhrgebiet gibt es keine spezialisierte Kunstbibliothek,<br />

und das dürfte der Grund da<strong>für</strong> gewesen sein, dass der<br />

‹Disko-Raum› über drei Jahre stark frequentiert wurde.<br />

z 2002: «Campus — Display <strong>für</strong> Wissensproduktion»<br />

Das Jahresprojekt «Campus» (2002) rückte eine weitere<br />

gesellschaftspolitisch brisante Frage in den Mittelpunkt:<br />

die Bildungspolitik. Schulen und Universitäten verlieren<br />

zunehmend ihre einstige gesellschaftspolitische Autonomie<br />

und werden zu Orten der Berufsqualifizierung. In den<br />

Universitäten und Ausbildungseinrichtungen soll die<br />

enorm angestiegene Nachfrage nach Fertigkeiten auf dem

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