PDF des gesamten Heftes (5MB) - Institut für Theorie ith
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Gebiet einer globalen finanz- und Kommunikationsdienstleistung<br />
und nach informationeller, kultureller und rhetorischer<br />
Ausbildung den Erfordernissen <strong>des</strong> Marktes entsprechend<br />
befriedigt werden. In einer solchen Situation<br />
wächst Kultureinrichtungen ein neues Aufgabengebiet zu,<br />
nämlich neue Modelle der Ausbildung zu erproben, die<br />
nicht ausschließlich der Berufsqualifizierung dienen.<br />
Traditionell schneller und flexibler auf gesellschaftliche<br />
Entwicklungen reagierend, können sie beispielsweise im<br />
Bereich der Kunstvermittlung, der Jugend- oder Stadtteilkultur<br />
Ausbildungsmodelle entwickeln, die Persönlichkeitsentwicklung<br />
und politische Mündigkeit berücksichtigen.<br />
«Campus» verknüpfte die Bereiche Bildende Kunst,<br />
politische Bildung, Wissensproduktion, HipHop, Jugendund<br />
Stadtteilkultur. Im Mittelpunkt von «Campus» standen<br />
neue Wege und Modelle der Vermittlung von Wissen, Ausbildung<br />
und politischer Mündigkeit. Über das Sommersemester<br />
verteilt fanden künstlerische Projekte, Aktionen,<br />
Konzerte, Seminare, Workshops, Vorträge, Lesungen und<br />
Diskussionen <strong>für</strong> SchülerInnen, StudentInnen, Besucher-<br />
Innen, Interessierte und Laien statt. Allen 30 Projekten<br />
gemeinsam waren die Auseinandersetzung mit wissensbasierten<br />
Vermittlungsmodellen sowie der Bezug zum Stadtteil,<br />
was zu einer hohen Beteiligung in der Bevölkerung<br />
führte.<br />
Begleitet wurde das Jahresprojekt von verschiedenen<br />
Publikationen. Ein Statement-Reader reflektierte<br />
historische und gegenwärtige Bildungsbegriffe; Architektur-<br />
und Kunstgeschichte, Sozialpolitik und kritische<br />
Kunstpraxis wurden als Felder einer neuen Bildungsoffensive<br />
untersucht. Unter den 12 Publikationen, die wir in den<br />
drei Jahren produzierten, entwickelte sich das Handbuch<br />
Antirassismus [1] zu unserem ‹Bestseller›. Die Gesamtauflage<br />
von 2’000 Stück war innerhalb von zwei Jahren ausverkauft.<br />
Geordert und verkauft wurde diese Publikation<br />
nicht etwa von politisierten Kunstbuchhändlern, sondern<br />
von ‹linken› und ‹alternativen› Buchläden aus dem deutschsprachigen<br />
Raum. Der erste Teil <strong>des</strong> Handbuch Antirassismus<br />
legte die historischen Wurzeln von Rassismus und<br />
Antisemitismus dar und untersuchte ihre gegenwärtige<br />
Wirkungsmacht. Im zweiten Teil versammelt der Band<br />
Initiativen gegen Rassismus und Antisemitismus in Deutschland<br />
mit Kurzportraits und Adressen.<br />
z 2003: «Die Offene Stadt — Anwendungsmodelle»<br />
Das Jahresprojekt 2003 «Die Offene Stadt — Anwendungsmodelle»<br />
der Kokerei Zollverein | Zeitgenössische<br />
Kunst und Kritik untersuchte auf künstlerisch-diskursive<br />
Weise den öffentlichen Raum und thematisierte die Frage<br />
nach den Entstehungs- und Wirkungsweisen von Öffentlichkeit.<br />
Das Gelände der ehemaligen Industrieanlage der<br />
Kokerei Zollverein war schließlich Jahrzehnte lang eine<br />
‹verbotene Stadt›.<br />
Das Projekt umfasste drei Ebenen. Zum einen wurde<br />
der Übergang der Kokerei Zollverein von der ‹verbotenen<br />
Stadt› zur ‹öffentlichen Stadt› thematisiert. Zweitens<br />
sollte der historische Wandel der Kunst im öffentlichen<br />
Raum von der Außenskulptur zur Projektkunst der 1990er<br />
Jahre deutlich werden, deren Form nicht mehr ausschließlich<br />
an den Außenraum gebunden ist, sondern direkt in<br />
den Strukturen und Medien der Politik und <strong>des</strong> Sozialwesens<br />
agiert. Und drittens sollte eine Kunstpraxis ausformuliert<br />
werden, welche die Grenzen der Projektkunst überschreitet<br />
und die «Offene Gesellschaft» in den Bereichen<br />
Kunst und Feminismus, Alltagsleben, Culture Jamming<br />
und Stadttheorie erreicht.<br />
Das Jahresprojekt «Die Offene Stadt — Anwendungsmodelle»<br />
bestand <strong>des</strong>halb nicht in einer Ausstellung von<br />
Entwürfen und Vorschlägen zum Thema, sondern war der<br />
Ausgangs- und Treffpunkt einer Auseinandersetzung mit<br />
Öffentlichkeit und den Modi ihres Entstehens und Wirkens.<br />
Den roten Faden durch die künstlerischen Interventionen,<br />
Publikationen und Projekte bildete die Frage nach<br />
neuartigen Formen von kritischer Öffentlichkeit unter den<br />
herrschenden Bedingungen <strong>des</strong> Neoliberalismus, welcher<br />
der Kunst und Kultur die Rolle von Lifestyle-Produzenten<br />
im Dienste <strong>des</strong> Distinktionsgewinns zuweist. Diese die<br />
Politik absorbierenden Funktionsweisen von Kunst und<br />
Kultur galt es — und gilt es immer noch — zu unterbrechen<br />
und umzukodieren.<br />
Obschon in der Kokerei Zollverein die BesucherInnen<br />
eine andere Dramaturgie erfahren haben als sonst<br />
üblich, war «Offene Stadt» das letzte Projekt von Kokerei<br />
Zollverein | Zeitgenössische Kunst und Kritik. Das Gesamtprojekt<br />
hat die soziale, politische und ästhetische Erfahrungen,<br />
<strong>für</strong> diejenigen, die teilhaben durften, beschleunigt.<br />
Die Kokerei Zollverein | Zeitgenössische Kunst und<br />
Kritik war ein öffentliches Ereignis, das sich sozialpolitisch<br />
positionierte und zu einem Bewusstwerdungsprozess<br />
führte. Es war kein Museum, keine Kunsthalle und keine