PDF des gesamten Heftes (5MB) - Institut für Theorie ith
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31 — # 08/09 (Dezember 2006)<br />
Das Magazin <strong>des</strong> <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Theorie</strong><br />
der Gestaltung und Kunst Zürich (<strong>ith</strong>)<br />
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stehen Lecture- und Performance-Teile einander gegenüber.<br />
Aus der Zuschauerperspektive führt diese Gegenüberstellung<br />
im Verlauf der Lecture Performance dazu, dass<br />
die Referenzbereiche sich gegenseitig beeinflussen und<br />
ihre Grenzziehungen durchlässig werden. In der Folge<br />
nähern sich die wissenschaftlichen Evidenztechniken der<br />
projizierten Dias und Tabellen sowie die künstlerischen<br />
Bewegungsdemonstrationen einander an.<br />
So sind die Bewegungssequenzen zwar einerseits in<br />
die autobiographische Argumentation <strong>des</strong> Vortrags eingebunden<br />
(etwa wenn Le Roy seine Körperproportionen<br />
demonstriert und als Grund <strong>für</strong> das anfängliche Ausbleiben<br />
von Tanzengagements anführt). An anderer Stelle<br />
fungieren die Bewegungssequenzen hingegen als Störungen<br />
und Unterbrechungen <strong>des</strong> Vortrags und seiner Evidenzproduktion,<br />
etwa wenn die Bedeutung bzw. der ‹kommunikative<br />
Nutzen› der Zitate aus eigenen und fremden<br />
Choreographien unkommentiert bleibt. Darüber hinaus<br />
kann die Evidenzproduktion der Bewegungssequenzen<br />
im Vergleich zu den Vortragsteilen der Lecture Performance<br />
sogar überlegen wirken und dann die Evidenzproduktion<br />
der Rede in Frage stellen: So authentifizieren die<br />
Bewegungssequenzen Le Roy als Tänzer und Choreographen,<br />
indem sie seine professionelle Körperbeherrschung<br />
und -ausbildung augenfällig machen. Der Evidenzcharakter<br />
der wissenschaftlichen Beweisführung mit Dias von<br />
Experimenten und Tabellen hingegen erweist sich als<br />
schwächer, wenn — wie verschiedentlich überliefert wurde<br />
— ZuschauerInnen in der sich an die Performance anschließenden<br />
Fragerunde die ‹Faktizität› seiner mikrobiologischen<br />
Studien in Zweifel ziehen.[13]<br />
Das Verhältnis von Lecture und Performance in «Product<br />
of Circumstances» ist folglich ambivalent: Die Techniken<br />
der wissenschaftlichen und tänzerischen Demonstration<br />
stabilisieren und <strong>des</strong>tabilisieren sich zugleich.<br />
Indem Le Roy seinen Körper einsetzt, zeigt sich <strong>des</strong>sen<br />
zentrale Stellung in der Vortragsperformance, zugleich<br />
aber <strong>des</strong>sen Potential, die Evidenzproduktion der Rede<br />
zu stören und zu unterlaufen. Umgekehrt aber wird die<br />
Authentizität <strong>des</strong> Körpers durch seine Einbindung in<br />
die Evidenzproduktion <strong>des</strong> Vortrags untergraben: Wenn<br />
nämlich Le Roy in den Bewegungssequenzen seine Tanzfortschritte<br />
demonstriert, so integriert dies zugleich ein<br />
fiktionales Element in die Performance, da der tänzerisch<br />
voll ausgebildete Körper auch Phasen von Le Roys Entwicklung<br />
zum Tänzer beglaubigt, in denen sein Körper<br />
kaum bzw. nur durch Basketball trainiert war. So heißt es<br />
etwa im Skript zur Performance: «My hands don’t get closer<br />
than 20 cm from the floor, like it was in 1987.»[14] Die<br />
Veränderlichkeit <strong>des</strong> Körpers stellt diesen mit den ebenfalls<br />
in ihrer Authentizität nicht überprüfbaren visuellen<br />
Dokumenten der Dias und Tabellen gleich. Die Bewegungszitate<br />
Le Roys verlieren so ihren performativen Status und<br />
werden zu einer Lecture — zum ‹Vortrag› einer Bewegung.[15]<br />
An ihnen zeigt sich somit, wie der Körper <strong>des</strong><br />
Vortragenden entscheidend an der Produktion von Evidenz<br />
mitwirkt, zugleich aber in dieser transparenten, funktionalen<br />
Rolle als Kommunikationsmedium nicht aufgeht.[16]<br />
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