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_– _– _– 78 Das Deutsche Hygiene-Museum ist mehr — als ein Museum Die Entwicklung von vernetzten, ungewöhnlichen Vermittlungsangeboten begleitend zu den Ausstellungen war und ist zukünftig für das Deutsche Hygiene-Museum von noch größerer Bedeutung als bisher. Grundsätzlich wird nun eine Ausstellung mit seinem Thema zum Anlass genommen, das Thema der Ausstellung, und damit das Medium Ausstellung, zusätzlich und ergänzend durch ein umfangreiches Beiprogramm in die Öffentlichkeit zu tragen. Eine Ausstellung ist wie eine Spinne im Mittelpunkt ihres Netzes. Doch im Netz befinden sich viele weitere thematische Ankerpunkte, die die Spinne benötigt: Tagungen, Diskussionen, Vorträge, Lesungen, Begleitbücher, unzählige museumspädagogische Angebote für sehr unterschiedliche Zielgruppen (von Schulklassen bis hin zu den Senioren). Das Deutsche Hygiene-Museum versucht so auf seine Weise, praxisorientierte Antworten (die aber ständig überprüft werden müssen) auf folgende Fragen zu geben: — Es gibt immer mehr Gruppen, für die das Museum als Bildungsort fremd geworden ist. Viele Jugendliche müssen erst wieder an das Medium Ausstellung herangeführt werden. Wir können heute nicht mehr davon ausgehen, dass eine breite Bevölkerung über einen einheitlichen und traditionellen Wissenskanon verfügt. Das traditionelle Bildungsbürgertum — soweit es dies überhaupt noch gibt — ist nicht mehr die alleinige Zielgruppe der Museen. Wenn der Museumsbesuch nicht zum Distinktionsmerkmal werden bzw. ein solches bleiben soll, müssen neue Formen der Vermittlung gefunden werden, sind Experimente nötig. Wie können diese aussehen? — Aus einem sich ständig vervielfachenden Wissensbestand richtig ausgewähltes Wissen ist das Kapital einer Wissensgesellschaft. Damit wird Aufmerksamkeit zur umkämpften Ressource — die Frage der Relevanz rückt in den Blickpunkt. Wie werden sich Museen am Wettbewerb um die Aufmerksamkeit derjenigen Menschen beteiligen, die — wie SchülerInnen, StudentenInnen, Multiplikatoren, EntscheidungsträgerInnen — über wenig Zeit und viele Angebote verfügen? — Die demographischen Entwicklungen verändern die Zielgruppen und deren Dichte: Weniger SchülerInnen, Auszubildende, StudentInnen, weniger Berufstätige, mehr SeniorInnen. Das Publikum wird individueller werden. Wie will das Museum diese BesucherInnen erreichen? — Durch die Veränderung der Arbeitsgesellschaft wird es zunehmend Menschen mit viel (Frei-)Zeit, aber wenig Museumserfahrung geben. Wie will sich das Museum an diese BesucherInnen wenden? Es wird also zukünftig notwendiger als in der Vergangenheit sein, dass das Museum seine jeweilige Arbeit überprüft, sehr unterschiedliche, neue Vermittlungsangebote, Ausstellungsformate, Veranstaltungsformate für unterschiedliche Zielgruppen einer Ausstellung entwickelt. Das Museum sollte nicht mehr nur nach dem Motto «Ich will so bleiben, wie ich bin» arbeiten. Vielmehr muss es seine unendlich vielen Möglichkeiten der Kommunikation mit seinem Publikum immer wieder neu reflektieren, wenn es weiterhin und zukünftig ein Ort lebendiger Vermittlung von Wissen und Bildung, ein Ort der Kommunikation und des Diskurses innerhalb der Gesellschaft sein möchte.
79 MIeke BaL ALL Over AgaIn ReconsIderIng the MedIum A ConversatIon wIth SILvIa Lorenz About CrossIng AcademIc BoundarIes Die vergangenen drei Jahrzehnte hat Mieke Bal in so vielfältigen Disziplinen wie Anthropologie, Kulturanalyse, Gender, feministische und transkulturelle Theorie, zeitgenössische Literatur, Museologie und Visuelle Künste geforscht und publiziert. Ihre interdisziplinäre Methodologie, die analytische Prinzipien aus einer Disziplin auf eine andere überträgt, war bahnbrechend für einen neuen Zugang in den Cultural Studies. Aus diesem Grund war sie im Jahre 2001 auch Gast bei unserer Vortragsreihe Interventionen. Mieke Bal ist Gründungsdirektorin des Amsterdamer Instituts für Kulturwissenschaften (Amsterdam School for Cultural Analysis, Theory and Interpretation [ASCA]) der Universität von Amsterdam.
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