PDF des gesamten Heftes (5MB) - Institut für Theorie ith
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10 Annette Lepenies (Hg.), Alt und Jung. Das<br />
Abenteuer der Generationen. Begleitbuch zur<br />
Ausstellung im Deutschen Hygiene-Museum,<br />
74<br />
Basel u.a. 1997.<br />
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Das Deutsche Hygiene-Museum<br />
und seine inhaltliche Ausrichtung<br />
Trotz aller gesellschaftlichen Veränderungen, die<br />
das Museum in seine Ausstellungsarbeit integriert oder<br />
auf die es reagiert hat, sind die zentralen Themen sich<br />
gleich oder zumin<strong>des</strong>t ähnlich geblieben: Mensch, Körper,<br />
Gesundheit. Natürlich stand und steht bis heute weiterhin<br />
die Vermittlung aktuellen Wissens über diese gesellschaftlich<br />
wichtigen und wissenschaftlich anspruchsvollen Themen<br />
im Mittelpunkt der Museumsarbeit. Doch der politische<br />
und ideologische Rahmen dieser Vermittlungsarbeit<br />
hat sich mehrfach grundlegend geändert. Aus diesem<br />
Grund war das Deutsche Hygiene-Museum immer wieder<br />
gezwungen, sein Selbstverständnis und seine Arbeit zu<br />
reflektieren, Fragen neu zu stellen und zu beantworten:<br />
Was ist das jeweils «relevante Wissen» über den Menschen?<br />
Mit welcher Intention wird es vermittelt? Gibt es<br />
ethische Leitlinien, und wenn ja, an welchen kann, darf<br />
oder muss sich die Arbeit <strong>des</strong> Museums heute orientieren?<br />
Wie kann Wissen über den Menschen überhaupt in einem<br />
Museum gezeigt und vermittelt werden?<br />
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, versteht<br />
sich heute das Deutsche Hygiene-Museum zunehmend als<br />
Diskussions- bzw. Diskursort: Hier kann und soll über die<br />
Grenzen und Chancen der modernen Wissenschaften sowie<br />
über die Problematik <strong>des</strong> modernen Körper- und Menschenbil<strong>des</strong><br />
nachgedacht werden. Gerade im Zeitalter der<br />
Biowissenschaften, in dem Reproduktionsmediziner und<br />
Molekularbiologen an neuen Definitionen von Körper und<br />
Krankheit, Geburt und Tod mitwirken und unsere Selbstwahrnehmung<br />
als Menschen sich in einem noch weitgehend<br />
unübersehbaren Wandel befindet — gerade in dieser Zeit<br />
<strong>des</strong> permanenten wissenschaftlichen Umbruchs und der<br />
schwierigen ethischen Neuorientierung ist ein Museum wie<br />
das unsere, insbesondere auch mit seiner spezifischen Geschichte,<br />
ein Ort, an dem solche grundlegenden Entwicklungen<br />
bearbeitet, überprüft und differenziert werden können.<br />
Das Deutsche Hygiene-Museum<br />
und seine Ausstellungen<br />
Das Museum ist der Ort der ‹Dinge›, die Bild- und<br />
Merkwelten schaffen, über die Wissen und Erkenntnis vermittelt<br />
werden. Doch die Themen <strong>des</strong> Deutschen Hygiene-<br />
Museums waren und sind bis heute vielfältig, häufig<br />
äußerst komplex und <strong>des</strong>wegen können diese durch traditionelle<br />
Inszenierung und Präsentation von ‹Dingen› in<br />
Vitrinen oft nur unzureichend vorgestellt werden. Seit seiner<br />
Gründung hat das Deutsche Hygiene-Museum daher<br />
nicht nur ‹Dinge› ausgestellt, sondern auch selber neue<br />
wissenschaftliche Bildwelten erfunden und produziert; als<br />
Generator und Vermittler von Bildern hat es stets auch die<br />
Grenzen <strong>des</strong> traditionellen Museums überschritten, um<br />
die Ausstellung als Medium einer Selbstaufklärung der<br />
Gesellschaft zu nutzen. Aus diesem Grund bewegt sich das<br />
gestalterische Spektrum der Ausstellungen <strong>des</strong> Deutschen<br />
Hygiene-Museums auch heute von der klassischen Präsentation<br />
der Dinge in Vitrinen bis hin zu aufwändigen szenographischen<br />
Umsetzungen — gar bis hin zum radikalen<br />
Verzicht auf die Präsentation von ‹Dingen› wie in der Ausstellung<br />
«Alt und Jung» (1997)[10]. Bei seinen zukünftigen<br />
Sonderausstellungen wird das Deutsche Hygiene-Museum<br />
diese Spannbreite der Möglichkeiten, Dinge ‹pur› zu präsentieren<br />
bis hin zur Erfindung und Produktion von neuen<br />
Bildwelten, sicherlich beibehalten. Denn weder Museen<br />
und Ausstellungen noch die Art und Weise, wie die ‹Dinge›<br />
in ihnen gezeigt und präsentiert werden, sind unveränderliche<br />
Konstanten. Museen und Ausstellungen sind vergleichsweise<br />
junge Produkte der Moderne — und noch<br />
jünger ist das Deutsche Hygiene-Museum. Darum dürfen<br />
und sollten Ausstellungen auch immer als Experimentierfelder<br />
begriffen werden. In der Auseinandersetzung mit<br />
dem Thema einer Ausstellung, aber auch mit den jeweiligen<br />
Zielgruppen, müssen Ausstellungs- und Vermittlungsformen<br />
immer wieder neu erfunden werden. Zumal heutige<br />
Museen keine Tempel mehr sind, sondern eher als<br />
Laboratorien fungieren sollten — als Räume, in denen<br />
notwendige Bedingungen bereitgestellt werden, um auf<br />
traditionelle, aber auch auf experimentelle Weise Einsichten<br />
zu gewinnen. Die Möglichkeit <strong>des</strong> Scheiterns muss bei<br />
diesem Weg aber immer positiv mit gedacht werden.