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PDF des gesamten Heftes (5MB) - Institut für Theorie ith

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13 Vgl. die Beschreibung Gabriele Brandstetters<br />

(«Geschichte[n] Erzählen im Performance/<br />

Theater der neunziger Jahre», in: Erika Fischer<br />

Lichte et al. [Hgg.], Transformationen. Theater<br />

der neunziger Jahre, Berlin 1999, S. 27-42, hier:<br />

S. 33): «Die Dias an der Wand wirken plötzlich<br />

wie abstrakte Gemälde. Die präzise dargelegten<br />

Zählverfahren zur Zell-Veränderung <strong>des</strong> Krebsgewebes<br />

— als ‹tissue› — erscheinen auf<br />

einmal wie eine ver-rückte selbstreferentielle<br />

Taxonomie.»<br />

_–<br />

_–<br />

_–<br />

54<br />

14 Le Roy (wie Anm. 1), S. 2 (Rectifizierung, J.<br />

H.). Auch Brandstetter ([wie Anm. 13], S. 34)<br />

geht auf Le Roys (männlichen) Körper und<br />

seinen Kontrast zu den an Brustkrebs erkrankten<br />

weiblichen Körpern, die die Dias verbergen,<br />

ein. Sie liest diesen allerdings als das Reale, das<br />

«nicht Veröffentlichte, nicht zu Veröffentlichende»,<br />

das sich nicht in das System der biographischen<br />

Geschichte bzw. die zitierten medizinischen,<br />

(tanz)pädagogischen, anthropologischen<br />

Diskurse integrieren lässt.<br />

15 Die Gleichstellung macht außerdem deutlich,<br />

dass Evidenz nicht aus der Authentizität von<br />

Dokumenten resultiert. Vgl. auch die Lecture<br />

Performances von Walid Raad und der Atlas<br />

Group («The Lou<strong>des</strong>t Muttering is Over», 2003;<br />

«Civilizationally, we do not dig holes to bury<br />

ourselves», 2003) oder die Arbeiten Rabih<br />

Mroués.<br />

16 Diese Intransparenz betrifft nicht allein<br />

den Körper, sondern weitere Parameter der<br />

Evidenzproduktion, etwa die Stimme, die das<br />

Verhältnis <strong>des</strong> Subjekts zur Rede anzeigt.<br />

Vgl. Kubin und die Wagner-Feigl-Festspiele,<br />

die in ihren Lecture Performances auf die<br />

genuine Ambiguität <strong>des</strong> Sprechersubjekts in<br />

der Vortragsrede anspielen, wenn sie bei Zitaten<br />

ein Sample mit der Originalstimme <strong>des</strong> Autors<br />

einspielen.<br />

Viertens<br />

«Product of Circumstances» entstand als Auftragsarbeit:<br />

Le Roy kam der von Kuratorenseite an ihn gestellten<br />

Aufforderung nach, theoretische Zusammenhänge zwischen<br />

Biologie und Performance aufzuzeigen, indem er in<br />

einer Lecture Performance seinen Werdegang vom Doktorand<br />

der Mikrobiologie zum Tänzer und Choreographen<br />

als persönlichen Erfahrungsbericht präsentierte. Nicht<br />

zuletzt aufgrund seiner autobiographischen Entwicklung<br />

reflektiert Le Roy in dieser Lecture Performance die ökonomischen<br />

Zwänge wissenschaftlichen Arbeitens, die seinen<br />

Glauben an das Ideal wissenschaftlicher Objektivität<br />

zunehmend erschütterten und die, wie er später feststellen<br />

muss, auch künstlerisches Arbeiten determinieren und<br />

zu einem Kreislauf aus Antragstellung und Produktpräsentation<br />

machen.<br />

Die drei zentralen Gestaltungselemente der Lecture<br />

Performance lassen sich verschiedenen Bereichen <strong>des</strong><br />

Bühnenraums und wechselnden Lichtstimmungen zuordnen:<br />

1. Die chronologische Präsentation <strong>des</strong> Werdegangs<br />

sowie die explizite Infragestellung <strong>des</strong> Wissenschaftsbetriebs<br />

erfolgen am Pult durch das neutral<br />

gehaltene Vorlesen ausformulierter, zuvor schriftlich<br />

fixierter Redepassagen, die im spezialisierten Vokabular<br />

<strong>des</strong> medizinisch-wissenschaftlichen Diskurses gehalten<br />

sind. 2. Die Erläuterungen der auf die Rückwand projizierten<br />

Tabellen und Dias erfolgen in (scheinbar) freier Rede.<br />

Dabei entfernt sich Le Roy vom Pult und steht im unbeleuchteten<br />

Bereich vor den Dias. 3. Die Detailerklärungen<br />

der Dias und Tabellen sowie die Passagen am Vortragspult<br />

werden immer wieder von Bewegungssequenzen in der<br />

Mitte <strong>des</strong> Raumes unterbrochen, die zum einen Le Roys<br />

Fortschritte beim Tanzunterricht demonstrieren, zum<br />

anderen ohne Rücksicht auf die Chronologie ihrer Entstehung<br />

Zitate aus eigenen und fremden Choreographien<br />

vorstellen.<br />

Betrachtet man die den Referenzbereich der Lecture<br />

kennzeichnenden Passagen am Pult bzw. die Erklärungen<br />

vor den Dias im Einzelnen, so sind Unterschiede zwischen<br />

einer wissenschaftlichen und einer künstlerischen Vortragsweise<br />

kaum auszumachen. Einen ‹Blick von der Seite›<br />

eröffnen vielmehr erst die dem Referenzbereich der Performance<br />

zugehörigen Bewegungssequenzen, welche<br />

die Vortragsteile regelmäßig unterbrechen. Zu einer<br />

Vermischung beider Referenzbereiche kommt es dabei<br />

nur in Ausnahmefällen, z.B. wenn das Pult als stützende<br />

‹Stange› <strong>für</strong> eine Ballettfigur fungiert. Überwiegend

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