PDF des gesamten Heftes (5MB) - Institut für Theorie ith
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mit Fragen der Organisation gewichen.<br />
Ein Haus in dieser Größe und mit dieser<br />
Anzahl von Besuchern kommt ohne ein<br />
Minimum an Organisation und Arbeitsteilung<br />
nicht aus und auch bei der<br />
Finanzierungsfrage müssen alle Mittel<br />
ausgeschöpft werden, denn letztlich<br />
definiert sich die Qualität und Singularität<br />
eines Projektes wie PAF auf anderen<br />
Ebenen bzw. im konkreten Zusammenspiel<br />
und Umgang mit Techniken<br />
der Selbstorganisation. Dass darin auch<br />
‹konventionelle› Elemente enthalten<br />
sind, spielt keine Rolle, da diese zwangsläufig<br />
umfunktioniert und dekontextualisiert<br />
werden müssen. Ob es am Ende<br />
eine <strong>Institut</strong>ion ist oder nicht, ist zweitrangig.<br />
Hauptsache, es funktioniert unter<br />
der Prämisse der kompromisslosen<br />
Selbstorganisation, die sich nicht wieder<br />
in die Interessen <strong>des</strong> Marktes zurückübersetzen<br />
lässt und darin gerade ihre<br />
existentielle Notwendigkeit behauptet<br />
und verteidigt.<br />
Genau besehen ist es nicht leicht,<br />
Selbstorganisation zu definieren. Offensichtlich<br />
handelt es sich hierbei um<br />
einen relativ neuen Begriff, der sowohl<br />
ein theoretisches als auch ein politischpraktisches<br />
Konzept benennt, das aus<br />
vielen Komponenten besteht. Es ist ein<br />
Hybrid, <strong>des</strong>sen Implikationen und Möglichkeiten<br />
aus existentiellen Entscheidungen<br />
der 1960er und 1970er Jahre<br />
geerbt, <strong>des</strong>tilliert und transformiert<br />
wurde. In der Berliner Kunstszene begann<br />
eine verstärkte Zirkulation <strong>des</strong><br />
Begriffs Anfang der 1990er Jahre. Nach<br />
den marktaffirmativen 1980er Jahren,<br />
dem Jahrzehnt der Yuppies, lag es irgendwie<br />
in der Luft, eine Repolitisierung<br />
<strong>des</strong> Kunstfel<strong>des</strong> zu organisieren.<br />
Die großen A-Komponenten: Autonomie,<br />
Autopoiesis, Aussteigertum, Antiautoritär,<br />
Anti-ödipal, Aktivismus markieren<br />
in etwa das Feld oder den Plan<br />
seiner Entfaltungsmöglichkeiten. Obwohl<br />
der Begriff einen alltäglichen<br />
Klang hat, ist es ein Neologismus, der<br />
von gegensätzlichen Kräften in Spannung<br />
gehalten wird. Wie bei allen Neologismen<br />
handelt es sich um ein ‹schmutziges›<br />
Konzept, das dem allgemeinen<br />
Begriff ‹Kollektivität› eine besondere<br />
Bestimmung gibt. In diesem Sinne ist das<br />
Projekt PAF ein kollektives Experiment<br />
unter sehr speziellen Bedingungen.<br />
Diese Bedingungen lassen sich schon<br />
jetzt genauer bestimmen. Das Experiment<br />
besteht in der Spannung zwischen<br />
provinzieller Verortung und dem internationalen<br />
Interesse, das sich an diesem<br />
Ort kristallisiert. Die Abgeschiedenheit<br />
ermöglicht Konzentration und<br />
Autonomie, bedeutet aber auch eine<br />
gewisse Isolation. Auch wenn St Erme<br />
gut mit dem Zug zu erreichen ist, gibt<br />
es natürlich keinen direkten Anschluss<br />
an kulturelle urbane Milieus. Man muss<br />
dort bewusst hinkommen, und da<strong>für</strong><br />
muss man wissen, dass es existiert. Für<br />
dieses Wissen sorgt — neben den informellen<br />
Kommunikationswegen und<br />
freundschaftlichen Verbindungen — das<br />
Netz. Die PAF-Webseite (www.pa-f.net)<br />
gibt nicht nur einen Überblick über gerade<br />
anwesende Leute und ermöglicht<br />
es, mit PAF bzw. Jan in Kontakt zu treten<br />
und sein Kommen anzumelden,<br />
sondern sie gibt auch einen Überblick<br />
über die Aktivitäten, die schon stattgefunden<br />
haben oder in Planung sind.<br />
Soweit ich es überblicke, ist das Interesse<br />
erstaunlich groß, und die ‹Gruppe›<br />
der Leute, die sich <strong>für</strong> PAF interessieren,<br />
beginnt, in alle Richtungen zu wuchern<br />
und sich zu verzweigen. Das Projekt<br />
PAF hat sich darüber hinaus eine<br />
juristische Form gegeben: «Kulturverein<br />
PERFORMING ARTS FORUM ASSO-<br />
CIATION» und wurde von unterschiedlichen<br />
Leuten in verschiedenen Städten<br />
vorgestellt und publik gemacht.<br />
In dem relativ kurzen Zeitraum seiner<br />
Existenz hat PAF eine erstaunliche<br />
Aktivität entfaltet und war das ganze<br />
Jahr über ‹in Gebrauch›. Im August dieses<br />
Jahres wurde <strong>für</strong> zehn Tage eine<br />
Sommerakademie eingerichtet, in der<br />
zum ersten Mal in einem größeren<br />
Maßstab gemeinsam an einem Projekt<br />
gearbeitet wurde. Da zu den Bedingungen<br />
von PAF auch gehört, dass man<br />
nicht einfach mit Publikum vor Ort<br />
rechnen kann, gleicht die wechselnde<br />
Zusammensetzung der Leute eher<br />
einem Produzentenkollektiv, das in PAF<br />
arbeitet und sich seine Produktionen<br />
gegenseitig vorstellt und sie bespricht<br />
oder neue Vorhaben entwickelt. Die<br />
Trennung zwischen Rezeption und<br />
Produktion ist tendenziell aufgehoben.<br />
Ziel ist es auch, ein Medienarchiv anzulegen<br />
und die schon vorhandene technische<br />
Infrastruktur auszubauen.<br />
Obwohl der Name «PerformingArtsForum»<br />
nahe legt, dass nur Künstler aus<br />
diesem Bereich sich <strong>für</strong> PAF interessieren,<br />
sind mittlerweile auch Leute aus<br />
den Bereichen Film, <strong>Theorie</strong>, Netzaktivismus<br />
und bildende Kunst vertreten.<br />
Was die verschiedenen kulturellen Aktivitäten<br />
und Akteure miteinander verbindet,<br />
scheint die breit gestreute Überzeugung<br />
zu sein, dass man sich eine<br />
unabhängige, kritische und experimentelle<br />
Praxis parallel zu den eingeschliffenen<br />
Formen kultureller Vermittlung<br />
immer wieder selber organisieren muss<br />
und dass es sich lohnt, diesen Aufwand<br />
zu betreiben. Ich war überrascht, wie<br />
schnell ich mich selber habe anstecken<br />
lassen.<br />
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