Text - Beratungsstelle für Landesgeschichte
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Leimgruber / Meier / Sablonier • Kinder der Landstrasse 97<br />
Das Fahrrad hatte indes ein defektes Hinterrad und musste erst einem Mechaniker in<br />
die Reparatur gebracht werden. Das teilt B. K. brieflich mit und äussert auch den<br />
Wunsch nach einer modischen Knickerbocker-Hose. Dieser Brief wird aber von den<br />
D.s abgefangen und gegenüber Alfred Siegfried als «Bettelbrief» bezeichnet. B. K.<br />
habe alles an Kleidern, ausser vielleicht einem Pullover auf den Winter hin benötige<br />
er also nichts; stattdessen müsse er sparen lernen.<br />
Am 14. August bittet B. K. um Bezahlung des Mechanikers (Fr. 28.50), da dieser<br />
sonst das Fahrrad nicht herausrücke. Bevor Siegfried diese Rechnung einen Monat<br />
später begleichen lässt, vergewissert er sich über B. K.s Umgang mit Geld in einer<br />
genauen Abrechnung, die er von D.s anfordert.<br />
Für die Begleichung der Reparaturkosten sowie einen Pullover bedankt sich B. K.,<br />
wünscht Alfred Siegfried gute Gesundheit und bittet um ein Italienisch-Buch, da er<br />
diese Sprache lernen möchte.<br />
B. K. wird <strong>für</strong> das laufende Jahr <strong>für</strong> steuerfrei erklärt, <strong>für</strong> 1954 soll er Fr. 0.50<br />
bezahlen.<br />
Er erklärt, eine Gärtnerlehre machen zu wollen, jedoch nicht in der Nähe seiner ehemaligen<br />
Pflegeeltern, aus Angst, ihn könnte wieder das Heimweh packen. Die<br />
Rücken- und Beinschmerzen, deretwegen er den Arzt aufsuchte, bringt B. K. selbst<br />
mit dem feuchten Zimmer, in dem er hausen müsse, in Verbindung. Der Arzt konstatierte<br />
eine Verschiebung der Rückenwirbel sowie ein Herzgeräusch und empfiehlt<br />
eine genauere Abklärung durch Röntgenaufnahmen. Diese – so Siegfried – sollten<br />
gemacht werden, notfalls bezahle Pro Juventute die Untersuchung: «Deswegen, weil<br />
der Bube arm ist, soll man keine Vorkehrung unterlassen, die vom ärztlichen Standpunkt<br />
getroffen werde sollte.»<br />
Nach der Röntgenuntersuchung, die eine rheumatische Erkrankung wahrscheinlich<br />
macht, bekommt B. K. ein besseres Zimmer zugewiesen, so dass er wenig später auf<br />
Siegfried wieder einen munteren Eindruck macht. Letzterer bedauert in seinem Besuchsrapport<br />
vom 15. Dezember 1955, dass B. K. von diesem Platz auf einem<br />
Bauernhof weg wolle, «denn er war noch nirgends so zufrieden wie hier. Er hat auch<br />
ziemlich viel Freiheit und scheint diese nicht zu missbrauchen.» Dennoch verkürzt<br />
Siegfried den üblichen Urlaub über hohe Festtage auf die Tage vom 23. bis 27.<br />
Dezember, was er I.s, denen er das Weihnachtspäckli zukommen lässt, mitteilt.<br />
Eine Uhrenreparatur im Betrag von Fr. 23.– wird aus einer 50-Franken-Reserve bei<br />
Pro Juventute <strong>für</strong> B. K. beglichen. Für den Fall, dass B. K. weggehe, empfehlen sich<br />
D.s «jetzt schon <strong>für</strong> einen anderen Burschen».<br />
Kurz hintereinander datieren zwei Briefe B. K.s an Siegfried. Von seinem Feriendomizil<br />
aus macht er Alfred Siegfried am 26. Dezember 1955 den Vorwurf, mit I.s nie<br />
mehr geredet zu haben: «Nur mit Briefen schreiben kann man nichts machen.» Am<br />
1. Januar 1956 schreibt er seinem Vormund einen längeren Brief, in welchem er sich<br />
auf seinen Geburtstag ein Paar Skischuhe Grösse 42 wünscht mit der Begründung,<br />
B. und S. – wohl zwei weitere Zöglinge von Siegfried in T. SO – hätten «auf Weihnachten<br />
viel sachen bekommen». Danach erkundigt er sich, was nach dem Bericht<br />
des Arztes nun geschehe, und bittet Siegfried, sowohl mit I.s wie D.s zu sprechen,<br />
was er beim letzten Besuch versäumt habe. Schliesslich wirft er Siegfried vor, bei<br />
den oben genannten Knaben über ihn gesprochen zu haben. «Ich möchte Ihnen<br />
sagen, dass es nicht recht ist von Ihnen, das Ihr von mihr den anderen Buben alles