Text - Beratungsstelle für Landesgeschichte
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Leimgruber / Meier / Sablonier • Kinder der Landstrasse 173<br />
Jenischen befassten Kliniken, Heime und Anstalten in die Untersuchung einbezogen<br />
werden.<br />
7.1.3. Bund, Kantone, Gemeinden<br />
In der alltäglichen Arbeit des «Hilfswerks» treten Bundesinstanzen nur sehr wenig in<br />
Erscheinung. Selbstverständlich ist dennoch eine wichtige Mitbeteiligung des Bundes<br />
gegeben. Der erste Leiter des Hilfswerks, Dr. Alfred Siegfried, berief sich auf<br />
eine Aufforderung aus dem Bundeshaus; die entsprechende briefliche Anregung von<br />
Bundesrat Motta anhand eines konkreten Tessiner Fürsorgefalls, die Pro Juventute<br />
könnte sich des Problems annehmen, ist in den Akten zum Vorschein gekommen.<br />
Sie diente möglicherweise Siegfried bloss zur späteren Rechtfertigung. Weit mehr<br />
ins Gewicht fällt aber die Tatsache, dass die prominente Vertretung des Bundes im<br />
Stiftungsrat dazu führte, dass das «Hilfswerk» häufig als nationale, vom Bund getragene<br />
Institution wahrgenommen wurde und von diesem Prestige entscheidend profitierte.<br />
Das bedeutet nichts anderes, als dass der Bund sich die Nationalisierung der<br />
«Vaganten<strong>für</strong>sorge» durch die Pro Juventute zum eigenen Anliegen machte, allerdings<br />
ohne eigene Institutionen auf Bundesebene zu schaffen. Der Subventionierung<br />
des «Hilfswerks» von 1930 bis 1967, der ebenfalls eine wichtige symbolische Funktion<br />
zukam, steht eine nur sehr schwache Wahrnehmung von Aufsichtspflichten über<br />
die Stiftung gegenüber. Genauer abgeklärt werden müsste die Rolle der aktiven und<br />
ehemaligen Bundesräte im Stiftungsrat der Pro Juventute, die Frage der Stiftungsaufsichtspflicht<br />
(einschliesslich möglicher Interessenkollisionen), die Frage der Existenz<br />
und der Verwendung eines Zigeunerregisters sowie die Rolle des Bundesgerichts<br />
in einem die Praxis der Pro Juventute sanktionierenden Entscheid von 1962.<br />
Daneben sind auch kleinere Anknüpfungspunkte, wie z. B. allfällige Spitzelberichte<br />
der Heerespolizei, von einigem Interesse.<br />
Auf Behördenseite den Bund allein <strong>für</strong> die negativen Vorkommnisse verantwortlich<br />
zu machen, ist – wie schon erwähnt – allerdings falsch. Mindestens ebensosehr sollte<br />
die Zusammenarbeit von Kantonen und Gemeinden (<strong>für</strong> deren Handeln in vielerlei<br />
Hinsicht die Kantone die Verantwortung tragen) mit der Pro Juventute ins Blickfeld<br />
gerückt werden. Da<strong>für</strong> müssten in breitem Umfange zusätzliche Materialien aus entsprechenden<br />
Archiven beigezogen werden, und auch hier wäre die systematische Befragung<br />
von Betroffenen und Beteiligten eine Notwendigkeit. Wie sich die Zusammenarbeit<br />
kantonaler Behörden, einschliesslich kantonaler Heime, Kliniken, Anstalten<br />
und Polizei, untereinander sowie mit der Pro Juventute gestaltete, aber auch die<br />
Frage, wieweit die Kantone ihre Aufsichtspflicht im Fürsorgewesen wahrnahmen,<br />
müsste mit detaillierten Studien zu einzelnen Kantonen geklärt werden. Gleichzeitig<br />
würden hier übergreifende und vergleichende Untersuchungen zu einzelnen Problembereichen<br />
weiterführen. Besondere Beachtung verdient die Rolle, welche die<br />
Psychiatrie in kantonalen oder unter kantonaler Aufsicht stehenden Kliniken spielte.<br />
In bezug auf das Verhältnis Kanton–Gemeinden mochten die Aufsichtspflichten der<br />
Oberbehörden noch so klar sein: Im konkreten Fall waren die kantonalen Behörden<br />
immer auch mit dem Problem des Eingriffs in die kommunale Autonomie konfrontiert<br />
und entsprechend zurückhaltend. Diese Zurückhaltung war allerdings meist einseitig.<br />
Es ist belegbar, dass die im Bedarfsfall ganz unkaschiert autoritative Intervention<br />
von Funktionären der Pro Juventute – unter ihnen wiederum insbesondere<br />
Siegfried und seine Nachfolgerin Clara Reust – bei kantonalen Instanzen meist von