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Text - Beratungsstelle für Landesgeschichte

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114 Leimgruber / Meier / Sablonier • Kinder der Landstrasse<br />

nen – eine rege Korrespondenz, die ihren Niederschlag in nicht weniger als elf<br />

Aktenstücken findet. Schliesslich erklärt sich die Pro Juventute bereit, das Geld <strong>für</strong><br />

einen Anzug vorzustrecken. Dieser solle dann aber mit regelmässigen Abzügen vom<br />

Lohn abbezahlt werden. Abgemacht wird auch, dass B. K. im Bürgerheim seiner<br />

Heimatgemeinde übernachten solle.<br />

Kurz nach dem Vorstellungsgespräch ruft Direktor St. persönlich Clara Reust an und<br />

teilt mit, dass B. K. am 10. Juni die Stelle antreten könne. Gearbeitet würden 46<br />

Stunden in der Woche, und der Stundenlohn betrage einstweilen Fr. 2.60. Mit B. K.<br />

sei ferner vereinbart worden, «über sein bisheriges Leben nichts verlauten zu lassen».<br />

Geregelt werden müsse nun noch die Wohnungs- und Verpflegungsfrage, der<br />

sich Reust umgehend annimmt, indem sie ein entsprechendes Inserat im «Rheintaler»<br />

aufgibt. Die bis zum 11. Juni eingehenden Offerten schickt Reust ihrem Mündel<br />

mit der Aufforderung, selber auszuwählen, was dieser verdankt mit der Bemerkung,<br />

er habe bereits ein Zimmer, möchte aber ein Paar Schuhe. Diese, so wird im<br />

beschieden, möge er vom ersten Lohn selber kaufen, andere Kleidungsstücke dann<br />

nach und nach.<br />

In der Zwischenzeit ist auch der von Clara Reust von der Heimatgemeinde angeforderte<br />

Heimatschein eingetroffen, nicht jedoch das Militärdienstbüchlein, das sich<br />

nicht dort befinde. B. K. wird aufgetragen, sich darum zu kümmern sowie sich auf<br />

der Gemeinde B. SG ordentlich anzumelden.<br />

«Da wir vergessen haben, den Fahndungsbefehl vom letzten Winter zurückzuziehen»,<br />

wird B. K. am 21. Juni von der Polizei irrtümlicherweise vorübergehend festgenommen.<br />

B. K. bittet um Erledigung dieser Polizei-Geschichte und teilt mit, dass<br />

es ihm bei der Firma St. gefalle, er aber auf Ende Juni die Wohnung wechsle. Für<br />

Kost und Logis sowie die Wäsche zahle er im Monat Fr. 180.–.<br />

Wegen der Einkommensangaben <strong>für</strong> die Steuererklärung erkundigt sich Clara Reust<br />

am 13. August beim Arbeitgeber nach B. K., der längere Zeit nichts von sich habe<br />

hören lassen und – entgegen der Abmachung – bisher auch kein Geld geschickt<br />

habe. Mit B. K. – so St. – sei er zufrieden und habe auch schon den Stundenlohn um<br />

Rp. 20.– erhöht. Bezüglich der Unterkunft sei noch keine zufriedenstellende Lösung<br />

gefunden, und wegen der Kleider habe ihm B. K. erklärt, diese müsse er erst ab<br />

Spetember abbezahlen. Diese Darstellung, so Reust, stimme zwar nicht ganz, doch<br />

sei die Sache in Ordnung.<br />

Am 2. September berichtet St. von Schwierigkeiten mit B. K. Dieser sei freudlos,<br />

habe am gestrigen Sonntag flaschenweise Schnaps getrunken und sei danach nicht<br />

zur Arbeit erschienen.<br />

Laut einer wohl falsch datierten Telefonnotiz erkundigt sich die Gemeindekanzlei B.<br />

bei Clara Reust, ob <strong>für</strong> B. K. eine Identitätskarte ausgestellt werden dürfe; er benötige<br />

eine solche <strong>für</strong> einen Betriebsausflug ins Ausland. Clara Reust gibt positiven<br />

Bescheid.<br />

Am 3. September wendet sich St. wiederum telefonisch an Clara Reust mit der Bitte,<br />

B. K. auf die richtige Bahn zu bringen. Dieser behaupte, er habe nicht getrunken und<br />

sei am Montag wegen Tbc-Verdacht beim Arzt gewesen.<br />

Da sich dies tags darauf tatsächlich als korrekt heraustellt, meint St., die Sache sei<br />

halb so schlimm. Dieses Telefonat wird in Abwesenheit von Reust von Frau X.

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