Text - Beratungsstelle für Landesgeschichte
Text - Beratungsstelle für Landesgeschichte
Text - Beratungsstelle für Landesgeschichte
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Leimgruber / Meier / Sablonier • Kinder der Landstrasse 169<br />
Beitrag an die Pro Juventute betrachtet. Dieser Vorschlag wurde angenommen, und<br />
die Pro Juventute erhielt keine Bundesbeiträge mehr.<br />
Zentralsekretär Ledermann dankte Bundesrat Hans-Peter Tschudi <strong>für</strong> die langjährige<br />
Unterstützung, zeigte aber wenig Verständnis <strong>für</strong> den Streichungsantrag im Expertenbericht<br />
Stocker, der folgendermassen begründet wurde: «Gegenüber den 5,5 Millionen<br />
Franken Einnahmen der PRO JUVENTUTE aus dem Marken- und Kartenverkauf<br />
fällt die Bundessubvention von Fr. 40'200.– kaum ins Gewicht [davon gingen<br />
10'200.– an das Hilfswerk]. Zudem kann auch hier wiederum festgehalten werden,<br />
dass reine Anerkennungssubventionen nicht zweckmässig sind.» Die Pro Juventute<br />
verstand diese Begründung nicht. Es gehe nicht um die Anerkennung ihrer Arbeit,<br />
sondern um eine ganz «konkrete sozialpolitische Zweckbestimmung». Würden die<br />
Bundesbeiträge gestrichen, so habe dies die ganze oder teilweise Einstellung der<br />
Projekte zur Folge. Müssten die Kosten aus anderen Mitteln der Pro Juventute gedeckt<br />
werden, hätte dies Kürzungen in anderen Bereichen (Hilfe <strong>für</strong> asthmakranke<br />
Kinder, Mütterschulung, Elternbildung, Ausbildungsbeihilfen, Förderung von Mütterberatungsstellen,<br />
Kindergärten, Spielplätze u. a. m.) zur Folge. Der<br />
Zentralsekretär bedauerte die Streichung der Subventionen, «mit denen wir<br />
ausserordentlich wertvolle familienpolitische Aufgaben […] lösen konnten.» 374<br />
Es kann nicht bezweifelt werden, dass der Bund bzw. der Bundesrat mit dem Vorgehen<br />
des «Hilfswerkes <strong>für</strong> die Kinder der Landstrasse» einverstanden war. Nicht nur<br />
kamen wesentliche Impulse <strong>für</strong> die Gründung von seiten des Bundesrates, dieser<br />
stand in der Folge den Anliegen des «Hilfswerks» und dessen Bitte um Subventionen<br />
auch sehr wohlgesinnt gegenüber. Dass praktisch immer ein amtierender Bundesrat<br />
Stiftungsratspräsident der Pro Juventute war, machte die Bindung noch enger.<br />
Bei allfälligen Meinungsverschiedenheiten oder Differenzen hätte dieser im Stiftungsrat<br />
entsprechend intervenieren müssen.<br />
Mitverantwortlich ist aber selbstverständlich nicht nur die Exekutive, die den Antrag<br />
stellte und die Ausführung vollzog, sondern auch das Parlament, das die Subvention<br />
jedes Jahr wieder bewilligte. Ausser der erwähnten Anfrage der ständerätlichen Geschäftsprüfungskommission<br />
von 1960 fehlen Informationen über die Rolle des Parlaments.<br />
Verschiedene Parlamentarier und Ex-Parlamentarier sassen im Stiftungsrat<br />
der Pro Juventute und hatten die Möglichkeit, sich bei allfälligen Fragen entsprechend<br />
zu informieren.<br />
Allerdings kann der Bund auch nicht als der Hauptverantwortliche bezeichnet werden.<br />
Er erfüllte eine Nebenfunktion, wenn auch eine wichtige, indem er mit seinem<br />
Engagement einerseits mithalf, die Massnahmen gegen die Jenischen zu nationalisieren,<br />
andererseits politisch-moralische Unterstützung gewährte. Den beteiligten<br />
Kantonen und Gemeinden scheint das gelegen gekommen zu sein. Anders als bei<br />
anderen, interessanteren und lukrativeren Bereichen, die sie <strong>für</strong> sich beanspruchten,<br />
traten sie hier gerne Kompetenzen an «Bern» bzw. an die Pro Juventute ab.<br />
Am 3. Juni 1986 entschuldigte sich Bundespräsident Egli anlässlich der Nationalratsdebatte<br />
über den Geschäftsbericht des Bundesrates da<strong>für</strong>, dass der Bund das<br />
«Hilfswerk» mitfinanziert habe. Gleichzeitig hielt er jedoch fest, dass das «betrüb-<br />
374 Zentralsekretariat der Pro Juventute, Ledermann, an EDI, Herrn Bundesrat Prof. Hans-Peter<br />
Tschudi, «Geschäftsbericht des Bundesrates <strong>für</strong> das Jahr 1966, Tätigkeit der Pro Juventute Abteilung<br />
Mutter und Kind und des Pro Juventute Hilfswerkes der Kinder der Landstrasse», 27. Jan.<br />
1967, BAR, J II.187, 1204.