Text - Beratungsstelle für Landesgeschichte
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Leimgruber / Meier / Sablonier • Kinder der Landstrasse 161<br />
gängig zu machen. Eine Audienz bei Bundesrat Etter war am 4. Nov. 1936 aber<br />
ergebnislos verlaufen. 345<br />
Quantitativ gesehen machten die Beiträge des Bundes zwischen rund 25 und 7<br />
Prozent des «Hilfswerks»-Budgets aus, wobei der Anteil im Laufe der Zeit stetig<br />
sank. Wie die Tabelle in Kap. 3.4. zeigt, wurden ab 1930 15'000.– Franken pro Jahr<br />
an Subventionen ausbezahlt, was damals rund einem Viertel des gesamten «Hilfswerk»-Budgets<br />
entsprach. Mit der Kürzung um ein Drittel und dem Ansteigen der<br />
Einnahmen und Ausgaben des «Hilfswerks» senkte sich der Bundesanteil auf ca. ein<br />
Sechstel. In der Nachkriegszeit, als das Gesamtbudget des «Hilfswerks» bei rund<br />
Fr. 100'000 und mehr lag, betrug der Anteil der Bundessubventionen nur noch zwischen<br />
sieben und elf Prozent.<br />
In der wichtigen Konsolidierungsphase wenige Jahre nach der Gründung des «Hilfswerks»<br />
war der Bundesbeitrag also am bedeutendsten. Er ermöglichte mit grosser<br />
Wahrscheinlichkeit eine Ausweitung der Aktivitäten. Ein Jahr nach der ersten Subventionsauszahlung<br />
wurde im Jahresbericht festgehalten, die neu aufgenommenen<br />
Kinder würden zum grossen Teil aus Familien stammen, «mit denen wir bereits seit<br />
langer Zeit zu tun gehabt haben; daneben ist es uns aber auch möglich geworden,<br />
Familien in unsere Fürsorge einzubeziehen, an die wir bisher nicht hatten herankommen<br />
können». 346 Dieser letzte Satz könnte bedeuten, dass die finanzielle Verstärkung<br />
eine Ausdehnung des Aktionsradius und damit die Erfassung neuer Familien ermöglichte.<br />
Die Rolle des Bundes war aber nicht nur in finanzieller, sondern in erster Linie in<br />
politisch-moralischer Hinsicht von grosser Bedeutung. «Das Entgegenkommen der<br />
eidgenössischen Behörden trägt nicht nur wesentlich dazu bei, unsre schwierige<br />
Fürsorgearbeit auf eine feste finanzielle Grundlage zu stellen, sondern es wird uns<br />
auch im Verkehr mit den in Betracht kommenden Kantonen und Gemeinden moralisch<br />
unterstützen», stellte die Pro Juventute in ihrem Dankesschreiben an den Bundesrat<br />
fest. 347 Die Wichtigkeit dieses Beweises, «dass auch von höchster Stelle aus<br />
die Fürsorge <strong>für</strong> die Kinder des fahrenden Volkes als ein Werk gemeineidgenössischer<br />
Zusammenarbeit gewertet wurde», betonte rückblickend auch Siegfried, 348 und<br />
in den Briefen der Zentralsekretäre an den Bundesrat, in denen <strong>für</strong> die erhaltenen<br />
Subventionen gedankt oder neue beantragt wurden, fehlte selten ein Hinweis auf<br />
diese Unterstützung. «Umso wertvoller ist es <strong>für</strong> die Stiftung, sich durch das Vertrauen<br />
der zuständigen Behörde getragen zu wissen,» 349 schrieb der Zentralsekretär<br />
1954, bat um das «stets bezeugte Wohlwollen» und dankte «<strong>für</strong> die unserer Stiftung<br />
von jeher bewiesene Sympathie». 350<br />
345 Brief EDI an die Pro Juventute, 21. Okt. 1936, BAR, E 3001 (A) 3, Bd. 21.<br />
346 Tätigkeitsbericht 1931/32 in: Mitteilungen des Hilfswerkes <strong>für</strong> die Kinder der Landstrasse», Nr.<br />
12, 1932, 1.<br />
347 Brief vom 23. Jan 1930, BAR, E 3001 (A) 1, Bd. 11<br />
348 Siegfried, Kinder, 1963, 25.<br />
349 Brief von Zentralsekretär O. Binder, an den Bundesrat, EDI, 21. Jan. 1954, BAR, J II.187, 1201.<br />
350 Brief von Zentralsekretär O. Binder, an den Bundesrat, EDI, «Voranschlag der Eidgenossenschaft<br />
<strong>für</strong> das Jahr 1955/II.3.3. Bundesbeitrag 1954 zugunsten des Hilfswerkes <strong>für</strong> die Kinder der Landstrasse<br />
und der Abteilung Mutter und Kind des Zentralsekretariates Pro Juventute», 26. Juni<br />
1954, BAR, J II.187, 1201. Die genau gleiche Formulierung verwendete Zentralsekretär<br />
Ledermann in seinem Brief an den Bundesrat, EDI, «Voranschlag der Eidgenossenschaft <strong>für</strong> das<br />
Jahr 1960», 25. Juni 1959, BAR, J II.187, 1202.