16.11.2012 Aufrufe

Text - Beratungsstelle für Landesgeschichte

Text - Beratungsstelle für Landesgeschichte

Text - Beratungsstelle für Landesgeschichte

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

110 Leimgruber / Meier / Sablonier • Kinder der Landstrasse<br />

Am 15. Dezember teilt B. K. dem Zentralsekretariat mit, er kehre am kommenden<br />

Tag zu seinem früheren Arbeitgeber L. in T.-Z. zurück, wo er sich auch ein Zimmer<br />

suche.<br />

Vier Tage später bedankt er sich <strong>für</strong> das zugesandte Weihnachtsgeschenk und beteuert,<br />

künftig an seinem Arbeitsplatz bleiben zu wollen («Ich bekomme keine schönere<br />

Stelle mehr über.»). Clara Reust dankt er schliesslich «<strong>für</strong> alle Bemühungen»<br />

und wünscht ihr schöne Festtage. Die Angesprochene erwidert den Dank <strong>für</strong> den erhaltenen<br />

Brief noch gleichentags, und am 10. Januar 1961, dem Vortag seines 22.<br />

Geburtstages, sendet sie B. K. die besten Glückwünsche.<br />

Die nächste Akte nach einem moderaten Rechenschaftsbericht zuhanden der Vormundschaftsbehörde<br />

am 6. Februar ist eine Telefonnotiz vom 27. März. Er sei immer<br />

noch bei seinem Arbeitgeber, doch habe er wegen der Logisgeberin, die über ihn<br />

lästere, das Zimmer gewechselt und wohne jetzt in W. AG. Die Leute, so B. K.,<br />

würden ihm eben seine Freundschaft mit dem Mädchen nicht gönnen.<br />

Am 13. April ist es der Arbeitgeber, der im Zentralsekretariat anruft und nachfragt,<br />

wie er sich verhalten solle. B. K., mit dem er als Arbeiter zufrieden sei, wolle<br />

nämlich nach Österreich gehen, um dort seine Lehre zu beendigen, und wünsche zu<br />

diesem Zweck ein Zeugnis. B. K. selbst kündigt Clara Reust an, persönlich vorbeizukommen,<br />

wozu es aber nicht kommt.<br />

Die abschlägige Antwort Reusts auf die «Österreich-Idee», wie sie es nennt, erfolgt<br />

erst am 15. Mai. Da<strong>für</strong> wünscht sie Aufschluss über B. K.s Geldverhältnisse und<br />

erkundigt sich danach auch beim Arbeitgeber.<br />

Ende des Monats ruft dieser zweimal an, um mitzuteilen, er habe B. K. entlassen.<br />

Dieser sei nach den Ferien nicht mehr zur Arbeit erschienen und an zwei Tanzveranstaltungen<br />

in Schlägereien verwickelt gewesen. Mit der Freundin sei es überdies<br />

«aus». Auf seine Frage, was jetzt mit B. K. geschehe, antwortet Clara Reust, er<br />

«komme nun eben wieder an jenen Ort, den er im März 1960 verlassen habe».<br />

Schon anderntags scheint B. K. in der Zementfabrik Arbeit gefunden zu haben, was<br />

aber nach Rücksprache mit Clara Reust durch Intervention des ehemaligen Arbeitgebers<br />

bei der Fabrikleitung vereitelt wird.<br />

Am 2. Juni 1961 ersucht Reust die Kantonspolizei Zürich um Aufgreifung und Einweisung<br />

B. K.s in die Anstalt Bellechasse, orientiert den dortigen Direktor sowie die<br />

Heimatgemeinde, der sie auch eine Begründung <strong>für</strong> ihr eigenmächtiges Handeln<br />

liefert: «In anbetracht der Umstände war es mir nicht möglich, rechtzeitig Ihre Zustimmung<br />

nach Art. 421 ZGB, Abs. 13 einzuholen.»<br />

Da sich die Kantonspolizei Zürich in diesem Fall <strong>für</strong> nicht zuständig erklärt, wendet<br />

sich Clara Reust am 6. Juni per Einschreiben an die Kantonspolizei Aargau.<br />

Gleichentags zieht sie beim Aargauer Arbeitsgericht eine Klage zurück, die B. K. in<br />

der Zwischenzeit gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber eingereicht hat.<br />

Mit Datum vom 8. Juni 1961 schliesslich liegt die formelle Zustimmung der Heimatgemeinde<br />

auf erneute Verwahrung B. K.s in Bellechasse vor.<br />

Die Suche nach diesem, in die auch die Bündner Polizei eingeschaltet wird, verläuft<br />

aber ergebnislos, so dass die Aargauer Kantonspolizei den Auftrag am 17. Juli<br />

zurückgibt.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!