Text - Beratungsstelle für Landesgeschichte
Text - Beratungsstelle für Landesgeschichte
Text - Beratungsstelle für Landesgeschichte
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
100 Leimgruber / Meier / Sablonier • Kinder der Landstrasse<br />
In der Zwischenzeit ist in der Pro Juventute auch in Sachen B. K. Peter Doebeli, der<br />
designierte Nachfolger Siegfrieds, tätig geworden. Er korrespondiert mit der AHV-<br />
Ausgleichsstelle in St. Gallen sowie mit dem neuen Lehrmeister W. in N., dem er am<br />
5. Februar einen Besuch abstattet. Neben dem Lehrgeld und der Wäsche gibt einzig<br />
die reformierte Konfession zu Diskussion Anlass. Die Wäsche soll auswärts gemacht<br />
werden, das Lehrgeld Fr. 600–700.– im Jahr betragen, und W.s verpflichten sich,<br />
B. K. am Sonntag in die katholische Kirche zu schicken. Dies alles wird in den nächsten<br />
Tagen und Wochen schriftlich bestätigt, der Lehrbeginn auf den 1. April festgelegt<br />
sowie vereinbart, dass B. K. von der Pro Juventute ein monatliches Sackgeld<br />
von Fr. 30.– ausbezahlt werde. Obwohl B. K. einiges am Lehrvertrag nicht ganz<br />
passt, lenkt er schliesslich ein.<br />
Peter Doebeli schickt am 2. März ein Exemplar des Vertrags dem <strong>für</strong> B. K. zuständigen<br />
Waisenamt B., u. a. mit dem Kommentar, B. K. sei, «entgegen den Erfahrungen,<br />
die wir mit seinen Brüdern H., K. und B. gemacht haben, ein lieber und treuer Bursche».<br />
Ein weitere Vertragskopie wird danach dem Thurgauer Arbeitsamt in Frauenfeld<br />
zugestellt.<br />
Für die nötige Berufskleidung werden Fr. 28.75, <strong>für</strong> ein Lederetui Fr. 5.75<br />
ausgegeben.<br />
Eine Woche nach Lehrbeginn macht B. K. in einem Brief an Siegfried einen eher<br />
niedergeschlagenen Eindruck, obwohl es ihm bei der Familie W. gut zu gefallen<br />
scheint. Er glaubt, die Lehre nicht zu schaffen und meint schliesslich: «Ich gehe<br />
lieber Handlanger weder an der Prüfung durchzufliegen.» Peter Doebeli – und nicht<br />
Siegfried – muntert ihn umgehend auf mit Verweis auf die Probezeit, doch meldet<br />
Meister W. zwei Wochen später telefonisch, B. K. wolle aus der Lehre laufen und in<br />
eine Fabrik, worauf Siegfried seinen Zögling zur Ordnung ruft: «Du wirst doch jetzt<br />
nicht wieder anfangen zu bocken, denn dann geht es ganz sicher schief.»<br />
Ein Rechnungsauszug vom 20. Mai ergibt ein Guthaben <strong>für</strong> B. K. von Fr. 531.40.<br />
Tags darauf berichtet B. K. von Streit, den es um eine seiner Zeichnungen gegeben<br />
habe; Siegfried möge einmal vorbeikommen.<br />
Zur Bezahlung des Lehrgeld schlägt dieser der Armenpflege des Heimatortes vor,<br />
während 3 1/2 Jahren monatlich Fr. 50.– zu bezahlen, was diese am 26. Juni bestätigt<br />
(Maximalbetrag: Fr. 2100.–).<br />
Eine ärztliche Kontrolle im Balgrist am 20. Juni ergibt, dass sich der körperliche Zustand<br />
verbessert hat, B. K. jedoch turnen sollte.<br />
Im Juli bittet B. K. um Fr. 6.– mehr Sackgeld, längeren Ausgang am Samstag, ein<br />
Velo sowie 3 Tage Urlaub, um zu seinen Pflegeeltern fahren zu können. Mindestens<br />
die Bitte um ein Fahrrad wird von seinem Lehrmeister, der sich mit B. K. im übrigen<br />
zufrieden zeigt, in einem Brief vom 19. August unterstützt. Siegfried bewilligt<br />
schliesslich das Fahrrad, nicht aber die Erhöhung des Sackgeldes.<br />
Der Besuchsrapport von Peter Doebeli ist zwiespältig, und es werden Bedenken<br />
wegen der Schule im Winter geäussert. Auch ist B. K. offfenbar einmal<br />
weggelaufen, wo<strong>für</strong> er sich – wiederum bei Siegfried – brieflich entschuldigt und<br />
Besserung gelobt. Alfred Siegfried antwortet am 13. September: «Es tut mir<br />
natürlich jedesmal leid, wenn ich nicht freundlich mit Dir sein kann, denn im Grunde