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Text - Beratungsstelle für Landesgeschichte

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106 Leimgruber / Meier / Sablonier • Kinder der Landstrasse<br />

Sowohl Siegfried wie die Behörden der Heimatgemeinde K.s sahen das anders, und<br />

der Gemeindeammann meinte kurzerhand: «Ich glaube es ist nicht angebracht diesem<br />

Kerl schon die Freiheit zu geben.» Über die entsprechend abschlägige Antwort<br />

zeigt sich B. K. in einem Brief vom 21. Dezember an Alfred Siegfried enttäuscht.<br />

«Wenn die Gemeinde B. meint, die K. könnte man in den gleichen Sack stecken, so<br />

sind Sie auf dem letzen Holzwek.»<br />

Einen Monat später bedankt sich B. K. bei Siegfried <strong>für</strong> seine baldige Entlassung,<br />

und anfangs Februar gibt Clara Reust, die den «Fall» von Alfred Siegfried übernimmt,<br />

ein Inserat <strong>für</strong> eine Handlangerstelle in der Maler- und Gipsermeister-Zeitung<br />

auf.<br />

Anlässlich eines Besuches in Bellechasse am 16. Februar 1960 sehen sich Clara<br />

Reust und B. K. das erste Mal. Letzterer war erstaunt, «als drei Fräulein von der<br />

Prouventute nach Bellechasse kamen», wie er Alfred Siegfried am 28. Februar berichtet.<br />

Gegenüber Reust äussert sich K. negativ über die Ernährung in Bellechasse –<br />

«… oftmals habe er fast schon genug, wenn die Ware nur auf den Tisch komme» –,<br />

und auch geheizt werde zuwenig. Im übrigen möchte er jetzt endlich raus, denn «verbrochen<br />

habe er eigentlich nichts». Da das Inserat eben erst aufgegeben worden ist,<br />

vertröstet ihn Reust.<br />

Bei Siegfried bedankt sich B. K. <strong>für</strong> den Erhalt des gewünschten Koffers, bittet zusätzlich<br />

noch um ein Paar Schuhe, was er zu sagen vergessen habe.<br />

Aus den eingegangenen Angeboten <strong>für</strong> eine Malerstelle wird Malermeister B. in C.<br />

ausgesucht, bei dem sich B. K. am 3. März vorstellt. Da Siegfried selbst wegen einer<br />

Beerdigung verhindert ist, stammt der Rapport des Vorstellungsgesprächs von einer<br />

Pro-Juventute-Mitarbeiterin. Meister B. will B. K. nehmen. Vereinbart wird ein wöchentliche<br />

Arbeitszeit von 471 /2 Std. zu Fr. 2.50.<br />

Alfred Siegfried will nun die Vormundschaft möglichst rasch abtreten. Seitens der<br />

Pro Juventute erledigt in der Zwischenzeit Clara Reust die mit dem Stellenantritt<br />

verbundenen, nicht geringen Formalitäten. So besitzt K. bislang keinen AHV-Ausweis,<br />

und auch die Krankenkassenfrage stellt sich erneut. Wie üblich soll vom Lohn<br />

ein bestimmter Betrag – vierzehntäglich Fr. 50.– – durch einen Vertrauensmann<br />

zurückbehalten werden. Die angefragte Frau T. von den «Freunden des jungen Mannes»<br />

schlägt da<strong>für</strong> den in Y. wohnhaften Bezirksschullehrer X.N., einen ehrenamtlichen<br />

Mitarbeiter der Pro Juventute, vor. B. K. selbst ist mit dem Prozedere hinsichtlich<br />

seines Lohns einverstanden, möchte aber ein Fahrrad.<br />

Eine Besprechung mit Meister B. vom 30. März ergibt, dass dieser mit K. einigermassen<br />

zufrieden ist und die Meinung vertritt, dieser sollte seinen ganzen Lohn<br />

selber verwalten, wie er es jetzt schon tue. Geregelt werden ferner die Wäschefrage<br />

und der Krankenkassenbeitritt, auch ist B. K. ein falsches Fahrrad geschickt worden,<br />

was dieser moniert. Der genannte Lehrer X. N., der gleichentags ebenfalls besucht<br />

wird, erklärt sich einverstanden, einen Teil des Lohnes zu verwalten, weist aber darauf<br />

hin, dass er als Rektor auch noch anderes zu tun habe und als Vormund nicht in<br />

Frage komme.<br />

Am 22. April 1960 verfasst Siegfried seinen Schlussbericht zuhanden der Vormundschaftsbehörde<br />

der Heimatgemeinde von B. K. und bittet um Entlassung als Vormund<br />

und Bestellung eines neuen. Die Gemeindebehörden genehmigen Schlussbe-

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