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Text - Beratungsstelle für Landesgeschichte

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8 Leimgruber / Meier / Sablonier • Kinder der Landstrasse<br />

Einzelaufträge, direkte oder indirekte Mitwirkung der Betroffenen) wurden diskutiert.<br />

Ohne dass der Auftrag <strong>für</strong> eine historische Studie erteilt worden wäre, begann<br />

schliesslich aber die Arbeit sowohl der Akten- als auch der Fondskommission. Diese<br />

beiden Kommissionen waren eingesetzt worden zum Zweck des Zugangs der Betroffenen<br />

zu ihren Akten bzw. zur Festlegung und Auszahlung von Entschädigungsleistungen<br />

an Opfer.<br />

Zwar waren sich die verschiedenen Beteiligten (Jenische Organisationen, Pro Juventute,<br />

Bund, Kantone) einig, dass eine Aufarbeitung unbedingt sinnvoll wäre, keine<br />

Einigung konnte aber über die Modalitäten erzielt werden. Die Arbeit der beiden<br />

Kommissionen wurde schliesslich abgeschlossen, ohne dass ein Forschungsauftrag<br />

vergeben worden wäre. Noch 1990 stellte Bundesrat Flavio Cotti einen solchen in<br />

einem «Beobachter»-Interview in Aussicht: «Der Bundesrat will eine umfassende<br />

Abklärung der Geschehnisse in historischer, rechtlicher und soziologischer Hinsicht»,<br />

meinte er damals. 3 Die Sache zog sich danach aber über Jahre hin wegen Differenzen<br />

unter den beteiligten Organisationen, aber auch wegen den langwierigen<br />

bilateralen Verhandlungen, die der Bund mit jedem einzelnen Kanton führen musste,<br />

um eine einheitliche Regelung des Aktenzugangs zu erreichen. Schliesslich zeigte<br />

sich der Bund nach verschiedenen Gesprächen und Verhandlungen bereit, eine<br />

kleine, auf wenige Fragen konzentrierte Studie zu finanzieren. Verschiedene jenische<br />

Organisationen waren mit einem Auftrag <strong>für</strong> eine solche kleine Studie aus verständlichen<br />

Gründen wenig glücklich. Die Verfasser entschlossen sich dennoch, ihn anzunehmen,<br />

weil der Bund unmissverständlich klar machte, dass angesichts der angespannten<br />

Bundesfinanzen sowie der Tatsache, dass trotz langer Verhandlungen keine<br />

befriedigende Lösung <strong>für</strong> eine umfassende Studie hatte gefunden werden können,<br />

eine andere Studie zurzeit nicht in Frage komme. Gleichzeitig betonte aber das EDI,<br />

weitere Schritte seien nicht ausgeschlossen, falls der Bericht solche <strong>für</strong> notwendig<br />

erachte.<br />

Realisierbares Ziel – das war daher allen Beteiligten von Anfang an klar – konnte<br />

nicht ein umfassender Bericht zur Aktion «Kinder der Landstrasse» sein. Der vorgegebene,<br />

äusserst bescheidene finanzielle Rahmen zwang zu einer Konzentration auf<br />

wenige Punkte und bot lediglich die Möglichkeit, sich in erster Linie einen Überblick<br />

über die Akten im Bundesarchiv zu verschaffen und so abzuklären, ob und in<br />

welcher Form weitere Abklärungen notwendig sein würden.<br />

Der Bund als Auftraggeber fokussierte den Auftrag auf die Rolle des Bundes einerseits<br />

und die Rolle der Pro Juventute andererseits. Damit ist zugleich auch gesagt,<br />

dass wesentliche Elemente der Aktion «Kinder der Landstrasse» nicht Teil der Studie<br />

sind, so etwa die Rolle der Kantone und Gemeinden, die Rolle anderer privater<br />

Organisationen, die Darstellung des Schicksals der Betroffenen und Beteiligten, aber<br />

auch das Umfeld der Aktion. Der Vertrag enthält als allgemeine Formulierung den<br />

zusätzlichen Auftrag, «Einsetzung, Zielsetzungen, Strukturen, Finanzierung und<br />

Tätigkeiten» des «Hilfswerkes <strong>für</strong> die Kinder der Landstrasse» zwischen 1926 und<br />

1973 zu beleuchten. «Zusätzlich soll auch das damalige soziopolitische und gesellschaftliche<br />

Umfeld, in welchem die Tätigkeit des Hilfswerks anzusiedeln ist, umrissen<br />

werden.» Dieser letztere Punkt konnte nur ansatzweise erfüllt werden, denn zu<br />

vielfältig sind die zu beantwortenden Fragen, zu gross die Bereiche, die erforscht<br />

3 Bundesrat Cotti: «Ich bin erschüttert.» Beobachter 6/1990, 14f., Zitat: 14.

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