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Text - Beratungsstelle für Landesgeschichte

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Leimgruber / Meier / Sablonier • Kinder der Landstrasse 91<br />

Der erste Besuchsrapport Alfred Siegfrieds im «Johanneum» vermerkt, B. K. gefalle<br />

es recht gut, er besuche aber, da er zu schwach <strong>für</strong> die Normalschule sei, die Oberschule.<br />

Es wird vereinbart, dass B. K. die Sommerferien bei seinen Pflegeeltern verbringen<br />

kann, doch bricht dieser am 8. Juli 1950 erneut einen Arm und «muss» bis<br />

zum 25. Juli im Heim bleiben.<br />

Einige Aufregung entsteht, als die Pflegefamilie Anstalten macht, ihren Schützling<br />

nicht mehr ins Heim zu geben. Siegfried schreibt in dieser Sache am 23. August an<br />

den Pfarrer: «Ich sehe jetzt leider zu spät, dass ich diesen Leuten ein Kind nicht hätte<br />

übergeben sollen. Sie meinen es gewiss ganz gut, sind aber in ihrer Denkweise doch<br />

recht egoistisch und primitiv.» Schliesslich lenken die Pflegeeltern ein, so dass B. K.<br />

am 4. September wieder im «Johanneum» eintrifft.<br />

Der Rapport Siegfrieds vom 25. November 1952 vermerkt lakonisch: «Ab und zu<br />

etwas störrisch, aber nicht besonders schwierig. Da wollen wir die Dummheit gerne<br />

in den Kauf nehmen.» Die Pflegeeltern hätten sich endlich damit abgefunden, dass<br />

B. K. die Schule in der Anstalt fertig machen müsse.<br />

Als sich 1953 die Entlassung B. K.s aus dem «Johanneum» abzeichnet, wendet sich<br />

Siegfried auch an die Pflegeeltern. Diese entgegnen unumwunden: «Und es würde<br />

uns freuhen einmal etwas hilfe zu erhalten <strong>für</strong> alle Mühe und Sorge.» Gegen ein<br />

solches Ansinnen verwahrt sich Siegfried, er möchte <strong>für</strong> den 14jährigen eine anständige<br />

Stelle finden.<br />

Am 8. Februar 1953 melden die Pflegeeltern, sie hätten <strong>für</strong> B. K. eine Stelle in einer<br />

Handelsgärtnerei in Chur gefunden. Im übrigen seien die Fortschritte, die dieser<br />

gemacht habe, nicht gerade gewaltig; unter ihrer Obhut wäre er nicht anders herausgekommen<br />

als im Heim, das erst noch teurer gewesen sei. Gegenüber dem Direktor<br />

des «Johanneum» meinte Siegfried mit Bezug auf die Vorhaltungen der Pflegeeltern:<br />

«Man muss sich schon bald fragen, wer dümmer ist, B. oder seine Pflegefamilie.»<br />

Von letzterer, die sich übrigens <strong>für</strong> den Ton ihres Briefes umgehend entschuldigt,<br />

erbittet er die Adresse der erwähnten Gärtnerei, über die er Erkundigungen einholt.<br />

Diese fallen nicht günstig aus. Der Präsident des Gärtnermeisterverbandes rät ab, da<br />

der betreffende Gärtner nicht Verbandsmitglied sei. Zudem zeigt er sich etwas<br />

befremdet von der «Tatsache, dass man auf dem Zentralsekretariat in Zürich auch<br />

heute leider noch der Auffassung zu sein scheint, dass ein geistig zurückgebliebener<br />

Jüngling, der <strong>für</strong> einen anderen Beruf wohl kaum in Frage kommen dürfte, sich<br />

gerade noch als Gärtner eigne».<br />

Die Pflegefamilie wendet sich in der Folge an Alfred Siegfried in folgender Absicht:<br />

«Möchten den Herrn Dr. höfflich mitteilen dass wir in der Lage sind wieder ein<br />

Knabe auf zu nähmen von 4 bis 6 Jahren nicht jünger aber auch nicht älter. Würden<br />

Sie Herr Dr. uns ein besorgen wenn möglich ein Weisenkind gesund und munter.<br />

Die Aufnahme könnte gleich geschehen.» Siegfried teilt umgehend mit, er habe<br />

keinen Knaben, sie sollten sich in dieser Sache an das Seraphische Liebeswerk<br />

wenden. B. K. bleibe vorderhand im «Johanneum», bis eine geeignete Stelle<br />

gefunden sei.<br />

Die Pflegeeltern möchten ihren Schützling aber wenigstens über die Ostertage bei<br />

sich wissen und haben auch eine andere Gärtnerstelle in Aussicht, überlassen diese<br />

Sache aber Alfred Siegfried. Dieser schreibt dem künftigen Meister B. K.s: «Ob er

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