4-2015
Fachzeitschrift für Medizintechnik-Produktion, Entwicklung, Distribution und Qualitätsmanagement
Fachzeitschrift für Medizintechnik-Produktion, Entwicklung, Distribution und Qualitätsmanagement
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Produktdesign<br />
Der Patient ist immer im<br />
Bild<br />
Bei hochpräzisen Behandlungen<br />
in der Radio-Onklologie<br />
und Tomographie ist die direkte<br />
Anweisung von Patienten durch<br />
das behandelnde Team während<br />
der Bestrahlung nicht möglich.<br />
„Für ein führendes Unternehmen<br />
im Bereich Protonentherapie<br />
haben wir daher ein Bildschirmsystem<br />
entwickelt, das den<br />
Patienten während der Bestrahlung<br />
über die korrekte Lagerung<br />
oder Haltung informiert“, erklärt<br />
Erdmann. Der Informationsbildschirm<br />
muss in seiner Position<br />
flexibel schwenkbar sein, damit<br />
jeder Patient entsprechend seiner<br />
Statue und Behandlung optimale<br />
Sicht auf die wichtigen Anweisungen<br />
hat.<br />
Dass die an ein bestehendes<br />
Bestrahlungssystem angepasste<br />
Monitorhalterung tatsächlich über<br />
alle notwengigen Freiheitsgrade<br />
verfügt, wurde im CAD-Modell<br />
überprüft. Die optimale Beweglichkeit<br />
wurde anschließend anhand<br />
von Funktionsmustern und Prototypen<br />
im realen Umfeld getestet,<br />
um Gefährdungen von Patienten<br />
oder Anwendern vorherzusehen.<br />
Diese Methodik ist in der Regel<br />
auch mit geringeren Entwicklungskosten<br />
verbunden, da Probleme<br />
in der Mensch-Produkt-Schnittstelle<br />
bereits frühzeitig identifiziert<br />
werden, zu einem Zeitpunkt,<br />
wenn Korrekturen noch einfach<br />
zu realisieren sind.<br />
Das Software-Upgrade<br />
als Gefahrenherd<br />
Zu den unterschätzten Gefahrenherden<br />
im Bereich der Medizintechnik<br />
gehören insbesondere<br />
Software-Aktualisierungen<br />
für komplexe Geräte im OP- und<br />
Therapiebereich. Bei reinen Programm-Upgrades<br />
werden oft die<br />
Menünavigation und das GUI ohne<br />
sichtbare Änderungen des Geräts<br />
modifiziert. Dadurch besteht die<br />
Gefahr, dass das medizinische<br />
Personal ein neu programmiertes<br />
Gerät in der alten Routine verwendet<br />
und die Änderungen übersehen<br />
oder ignoriert werden.<br />
Die Normgerechte Softwareentwicklung<br />
ist sehr wichtig, da die<br />
Zahl komplexer Medizintechnik-<br />
Geräte ständig zunimmt. Durch<br />
die Möglichkeiten der Telemedizin<br />
werden immer öfter auch Patienten<br />
zu den eigentlichen Anwendern<br />
von Medizintechnik. Eine klar<br />
verständliche, intuitive Bedienung<br />
medizinischer Geräte wird deshalb<br />
immer wichtiger.<br />
Einfache Bedienung<br />
senkt Risiken und Kosten<br />
Eine intuitive und einfache Usability<br />
von medizinischen Geräten<br />
und Systemen bringt bedeutende<br />
Vorteile. Diesen Ansatz verfolgt<br />
die Firma Stryker für ihre OP-<br />
Systeme seit Jahren. Gemeinsam<br />
mit Erdmann Design hat<br />
das Unternehmen das PROFESS<br />
Navigationssystem für Interventionen<br />
im Nasen- und Sinusbereich<br />
gemäß dem Human Centered<br />
Design Ansatz entwickelt.<br />
Die auf HCD-Überlegungen<br />
resultierende, minimale Standfläche<br />
der Navigationsplattform<br />
erleichtert das Manövrieren und<br />
die Verwendung des Geräts in<br />
engen Operationssälen. Eine flexible<br />
Platzierung der Kamera wird<br />
durch einen besonders großen<br />
Bewegungsradius des Kameraarms<br />
von NAV3i ermöglicht. Im<br />
zeitlichen Ablauf des OP-Alltags<br />
sind die einfache und schnelle<br />
Positionierung von Geräten<br />
ein wichtiger Faktor und je einfacher<br />
für das Operationsteam<br />
die Zusammenarbeit ist, desto<br />
geringer ist das Fehlerrisiko. Für<br />
das PROFESS System wurde<br />
daher eine Software entwickelt,<br />
die vom nicht sterilen Benutzer<br />
über einen Tablet-PC mit Touchfunktion<br />
bedient wird, während der<br />
Chirurg die Position der Instrumente<br />
auf einem grossen Full-<br />
HD-Bildschirm verfolgt.<br />
Usability als<br />
Wettbewerbsvorteil<br />
Durch Human Centered Design<br />
wird die Sicherheit der Patienten<br />
verbessert, denn intuitive Benutzeroberflächen<br />
verringern die<br />
Gefahr von Fehlmanipulationen.<br />
Für Hersteller führt die optimale<br />
Usability ihrer Geräte zu tieferen<br />
Instruktionskosten, und die nachweisbare<br />
Zeitersparniss für das<br />
medizinische Personal stellt einen<br />
eigentlichen Wettbewerbsvorteil<br />
dar. Hohe Sicherheits- und Usability-Standards<br />
erleichtern zudem<br />
die Zertifizierung von Innovationen<br />
gegenüber den Zulassungs- und<br />
Aufsichtsbehörden.<br />
In der Praxis ist das Umsetzen<br />
der Normen in erster Linie<br />
ein organisatorisches Problem.<br />
Viele Unternehmen legen ihren<br />
Fokus auf das Risikomanagement<br />
und vernachlässigen die<br />
Usability und den Wert von optimiertem<br />
Design, um kurzfristig<br />
Geld zu sparen. Doch im Extremfall<br />
kann die Vernachlässigung der<br />
Usabiltiy bedeuten, dass ein Produkt<br />
die regulatorischen Hürden<br />
nicht schafft. Nach Ansicht von<br />
Erdmann muss ein CDO direkt<br />
dem Management der Gesellschaft<br />
berichten, um im Stande<br />
zu sein, dem Druck von starken<br />
R&D Abteilungen zu widerstehen.<br />
Angesichts der Tatsache,<br />
dass die Kosten der Dokumentation<br />
nur rund 3 - 5 Prozent eines<br />
Projektbudgets ausmachen, die<br />
Kosten für das Design der Benutzerschnittstellen<br />
jedoch oft bis zu<br />
20 Prozent, wird deutlich, welchen<br />
Wert eine hohe Usability und ein<br />
effizienter Designprozess für die<br />
Produktentwicklung darstellt.<br />
Erdmann Design AG<br />
info@erdmann.ch<br />
www.erdmann.ch<br />
meditronic-journal 4/<strong>2015</strong><br />
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