Gewölbe- and Pfeilersystem.
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152 F. Mülle r.<br />
legen und keinen <strong>and</strong>eren, will man richtig urtheilen. Die Kirchenanlage war zugleich Castell,<br />
und das ist eine eigene Seite in dem Charakter der siebenbürgischen Kirchenbaukunst:<br />
wodurch sie <strong>and</strong>eren Ländern gegenüber sich eine gewisse Selbstständigkeit errungen hat,<br />
ohne dass m<strong>and</strong>esshalb von einem eigenen siebenbürgischen Kirchenbaustyl zu reden berechtigt<br />
wäre. Dazu kommt die Raschheit zu berücksichtigen, mit welcher sicherlich in jenen früheren<br />
Zeiten gebaut werden musste, wodurch besonders die Starrheit der Umfassungsmauer bedingt<br />
wurde, in welche sogar Überreste römischer Bauten im L<strong>and</strong>e ohne W ahl mitverwendet sind<br />
(so in Galt, Pold, Durles, Tövis, Thorda, Karlsburg, Krako, Zejkfalva etc.)1). Erst wenn der<br />
Bauplatz gesichert war, konnte man zu würdigerer Ausstattung des Innern schreiten, und<br />
wenn selbst diese nur sporadisch und fast unvermittelt an Säulen- und Pfeilercapitälen und<br />
Portalen erscheint, so liegt darin eben die Andeutung desWollens, das durch äussere H indernisse<br />
nicht zum vollen Ausdruck hat gelangen können. An allen siebenbürgischen B audenkmalen<br />
dieser Periode gibt sich in den ornamentalen Theilen dieser „noch unvermittelte Ü berschuss<br />
von Bildungstrieb“ in seinem fast abstechenden Gegensatz gegen die Massenhaftigkeit<br />
der Hauptkörper und die durch den praktischen Zweck erzeugte structive Nothwendigkeit<br />
kund. Und wenn darin nicht die schöne Seite des künstlerischen und religiösen Gefühles<br />
angedeutet läge, so könnte man mit vollem Recht von einem Missbrauch des Ornamentes<br />
sprechen und die Vernachlässigung der Einheit und Proportion rügen.<br />
Jedenfalls war aber das Verständniss dieser decorativen Formen bei den siebenbürgischen<br />
Bauherren und Baumeistern nur in minderem Grade vorh<strong>and</strong>en. Wenn dieses bei den<br />
ersten Einw<strong>and</strong>erern in höherem Masse der Fall war, so hatte sich das von den Vätern<br />
ererbte Capital des künstlerischen Wissens in der Abgeschlossenheit der neuen Heimath nicht<br />
vergrössert, sondern war durch die unterbrochene Benützung um ein Bedeutendes geschmolzen.<br />
Die ungleich schwierigere Conceptionsfähigkeit der Anlage als Ganzes war verschwunden<br />
und in einer h<strong>and</strong>werksmässig fortgetriebenen Kunstfertigkeit, in der H ervorbringung traditionell<br />
überkommener ornamentaler Formen aufgegangen. Die Phantasie war in der durch<br />
und durch praktischen Lebenssphäre ermattet und die ohnehin seltene Einheit von Genius<br />
und H<strong>and</strong>werk aufgehoben worden. Selbst Glieder und Ornamente nahmen eine Starrheit<br />
an, welche dieselbe Form Jahrhunderte lang in der Weise der späteren Zünfte beibehielt. So<br />
begegnen wir den Capitälen des Karlsburger Domes noch tief im vierzehnten Jahrhundert in<br />
der Kerzer Abteikirche, und die Portale der romanischen Periode zeigen stetig wiederkehrend<br />
dieselbe Formation. Doch ist diese Creation hier nur in Beziehung auf ornamentale Theile<br />
anzunehmen und allerdings vielleicht dem Dome von Karlsburg einiger Einfluss zuzugestehen.<br />
Der weiteren und tieferen Nachahmung st<strong>and</strong>en mannigfache Hindernisse entgegen.<br />
Zwar waren die Einkünfte des Bisthumes im Verhältniss zu denen der Pfarrer — besonders<br />
der sächsischen — nicht eben übermässig hoch2), so dass ihm die materiellen Mittel<br />
*) H ohenhausen, D ie A ltertliüm er Ü acien s im h eu tigen S ie b e n b ü r g e n . W ien 1775. 101. V gl. Neugebaur. D a c ie n . K ro n <br />
sta d t 1 8 5 1 . 90 f.<br />
2) In ein e r b e i F ejer Cod. dipl. H u n g. I I , 217 a b g e d ru c k te n U rk u n d e von 118 4 w erd en d ie E in k ü n fte d e s B isc h o fs a u f 2 0 0 0 Mark<br />
a n g e g e b e n , je d e n fa lls ein e Ü b e r tr e ib u n g , w en n w ir d ie d a m a lig e A n z a h l der b isc h ö flic h e n G üter u n d d eren E r tr a g s fä h ig k e it in<br />
B etrach t z ie h e n . D ie se lb e U rk u n d e g ib t auch d ie E in k ü n fte d e s K ö n ig s von d en s ie b e n b ü r g isc h e n A n s ie d le r n a lle in a u f 1 5 0 0 0<br />
M ark an, e in e lä ch erlich h oh e S u m m e, aber erk lä rlich , w en n m a n d en Z w eck d ieses S c h r iftstü c k e s in s A u g e fa sst, der d a liin g in g ,<br />
dem K ö n ig L u d w ig V II. von F ra n k r e ich , um d e s s e n T och ter M a r g a r e ta der K ön ig v o n U n g a r n w a r b , d ie k ö n ig lic h e n E in k ü n fte<br />
in m ö g lic h st vorth eilh aftem L ic h te e r sch ein en zu la sse n . V gl. J . K . Schüller, U m r isse u n d k r itis c h e S tu d ien zur G e sc h ic h te von<br />
S ieb e n b ü r g e n I, 8 9 . An S a lz b e z o g d er B is c h o f jä h r lich 2 0 0 0 L a s te n (U rk . von 1 23 3 b ei F ejer a a. O . III, 2, 3 2 2 ) , d ie K erzer