Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer
Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer
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Die Watt- und Wasserflächen<br />
114<br />
Die größten Tiere im <strong>Wattenmeer</strong> sind die Robben.Während die Kegelrobben nur in versprengten Vorkommen in<br />
Nordfriesland und den Niederlanden erscheinen, kommen die Seehunde als Charakterart des Lebensraumes im gesamten<br />
<strong>Wattenmeer</strong> vor.<br />
Bestand und Entwicklung der Seehunde<br />
Biologie und Ökologie des Seehundes<br />
Der Seehund (Phoca vitulina) ist die einzige Robbenart, die im<br />
<strong>Nationalpark</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong> regelmäßig vorkommt.<br />
Die männlichen Tiere erreichen eine Gesamtlänge von bis zu 1,8 m.<br />
Ihr Maximalgewicht beträgt 115 kg. Die Weibchen sind mit 1,6 m<br />
und einem Maximalgewicht von 105 kg etwas kleiner. Der<br />
Weltbestand an Seehunden wird auf 300.000 bis 400.000<br />
geschätzt, davon sind etwa 70.000 Tiere im Ostatlantik beheimatet.<br />
Der Teilbestand im <strong>Wattenmeer</strong> zwischen Den Helder in den<br />
Niederlanden und Esbjerg in Dänemark beläuft sich derzeitig auf<br />
etwa 15.000 Tiere.<br />
Die Seehunde der <strong>Wattenmeer</strong>population verbringen ihre gesamte<br />
Lebensspanne in der Nordsee und im <strong>Wattenmeer</strong>. Im späten<br />
Frühjahr wechseln sie von der offenen See in das <strong>Wattenmeer</strong>, um<br />
auf den Sandbänken ihr Fell zu wechseln und, nach einer Tragzeit<br />
von 11 Monaten, zwischen Ende Mai und Mitte Juli ihre Jungen<br />
zur Welt zu bringen. Es sind fast ausschließlich Einlinge mit einer<br />
Geburtsmasse von 10-15 kg und einer Länge von 80-95 cm.<br />
Sandbänke sind für die Seehunde unverzichtbare Säuge- und<br />
Ruheplätze. Hier werden die Jungen über einen Zeitraum von 3<br />
bis 5 Wochen gesäugt. Leider sind die Tiere während ihres Aufenthalts<br />
im <strong>Wattenmeer</strong> vielfältigen Störungen ausgesetzt, wie<br />
z.B. Wattwanderern, Ausflugsschiffen und Flugverkehr. Durch<br />
diese menschlichen Aktivitäten werden häufig sogenannte<br />
"Heuler" erzeugt: Wenn die Jungen bei der Flucht vor den<br />
Störungen von der Mutter getrennt werden, stoßen sie einen<br />
Stimmfühlungslaut aus, der wie ein Heulen klingt.<br />
Doch dies sind nicht die einzigen Gefährdungen mit denen der<br />
Seehund konfrontiert wird. Er ist ein sogenannter Top-Predator,<br />
das bedeutet, er ist ein Endglied in der Nahrungskette. Durch die<br />
damit einhergehende Anreicherung von Umweltgiften in seiner<br />
Nahrung kann seine Gesundheit, oder sogar sein Leben oder die<br />
Fortpflanzungsfähigkeit gefährdet sein.<br />
Populationsentwicklung<br />
In früheren Zeiten sollen fast 40.000 Seehunde in der Nordsee<br />
gelebt haben. Regelmäßige Zählungen werden jedoch erst seit<br />
den fünfziger Jahren durchgeführt. Seitdem konnte ein stetiger<br />
<strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong><br />
Rückgang der Bestände bis auf weniger als 4.000 Tiere festgestellt<br />
werden, der mit Beginn der sechziger Jahre besonders deutlich<br />
wurde. Als ein entscheidender Faktor gilt die Jagd, außerdem<br />
die Belastungen mit chlorierten Kohlenwasserstoffen und die<br />
Störungen der Tiere auf den Sandbänken. Mit der Einstellung der<br />
Bejagung, in den Niederlanden im Jahre 1963, in den übrigen<br />
<strong>Wattenmeer</strong>gebieten im Verlauf der siebziger Jahre, konnte eine<br />
Zunahme der Bestände festgestellt werden.<br />
Ein weiterer Tiefpunkt wurde durch die sogenannte Seehund-<br />
"Seuche", eine Seehundstaupe, im Jahre 1988 erreicht. Diesem<br />
Virus fielen innerhalb eines Jahres etwa 2/3 der im <strong>Wattenmeer</strong><br />
lebenden Seehunde zum Opfer. Seitdem steigt ihre Zahl im<br />
gesamten <strong>Wattenmeer</strong> wieder stetig an und hat das Bestandsniveau<br />
von 1988, vor der Epidemie, inzwischen sogar überschritten.<br />
Die aktuelle Größe der gesamten Seehund-<strong>Wattenmeer</strong>population<br />
betrug 1998 bereits wieder 14.400 Tiere, davon entfielen<br />
knapp 20% auf Jungtiere. Die durchschnittliche jährliche<br />
Wachstumsrate seit der Seehund-Epidemie 1988 beträgt etwa<br />
13%. Es wird allgemein angenommen, dass <strong>Wattenmeer</strong> und<br />
Nordsee in der Lage sind, noch weitaus größere Seehundbestände<br />
zu ernähren.<br />
Seehunde im hamburgischen <strong>Wattenmeer</strong><br />
Im <strong>Nationalpark</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong> leben, verglichen<br />
mit anderen Wattgebieten, sehr viele Seehunde. So wurden im<br />
Jahr 1999 bei Befliegungszählungen im Mittel 424 Seehunde<br />
gezählt. Die weitaus meisten halten sich an den zum Till ausgerichteten<br />
Prielkanten und auf den dortigen Sandbänken (südlicher<br />
Bereich) auf. Besonders bevorzugt wird dabei die zwischen<br />
Wittsandloch und Scharhörnloch liegende Robbenplate. An den<br />
nördlichen Prielen ist es vor allem die nördliche Prielkante des<br />
Elbe-Neuwerk-Fahrwassers, die regelmäßig von großen Seehund-Rudeln<br />
aufgesucht wird. Die landläufigen topographischen<br />
Namen wie Robbenplate und der frühere Name von Teilen des<br />
Elbe-Neuwerk-Fahrwassers, Hundebalje, lassen vermuten, dass<br />
diese Bereiche schon seit langer Zeit traditionelle Liegeplätze der<br />
Seehunde darstellen.<br />
Die Bestandszunahmen im hamburgischen <strong>Wattenmeer</strong> liegen<br />
über dem durchschnittlichen Bestandswachstum im gesamten<br />
<strong>Wattenmeer</strong>. Besonders der südliche, an der Till gelegene,<br />
Bereich zeigt diese deutliche Vergrößerung des Seehund-<br />
Bestandes.<br />
Laut Verordnung über jagdrechtliche Regelungen vom 11. Mai<br />
1993 ist im <strong>Nationalpark</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong> die Jagd<br />
auf Seehunde aufgehoben. Sie sind das ganze Jahr hindurch mit<br />
der Jagd zu verschonen.<br />
Schutz und Gefährdung<br />
Zum Schutz der Robben wurde bereits am 13. November 1991<br />
von den <strong>Wattenmeer</strong>-Anrainerländern Niederlande, Deutschland<br />
und Dänemark ein "Trilaterales Abkommen zum Schutz der<br />
Seehunde im <strong>Wattenmeer</strong>" geschlossen und am 15. März 1996<br />
trat der "Schutz- und Managementplan für die Seehundpopulation<br />
im <strong>Wattenmeer</strong> 1996-2000" in Kraft, der bestimmte Ziele, Aufgaben<br />
und Maßnahmen zum Schutze der Robben beinhaltet.<br />
Doch auch heute noch wird diese Art sowohl im gesamten<br />
<strong>Wattenmeer</strong>, als auch in der Nordsee als gefährdet eingestuft.<br />
Dafür gibt es mehrere Gründe:<br />
• Schadstoffeinleitungen, z. B. Stoffe wie Quecksilber, PCB<br />
etc. gefährden die Gesundheit der Tiere,<br />
• die Stellnetzfischerei birgt die Gefahr des Ertrinkens in den<br />
Stellnetzen und<br />
• Störungen der Seehunde durch menschliche Aktivitäten<br />
führen zu einem derartigen Stress bei den Tieren, dass ihre<br />
ihre Gesundheit und vor allem ihre erfolgreiche Jungenaufzucht<br />
gefährdet wird.<br />
"Heuler"<br />
Als Heuler werden verlassene oder verlassen erscheinende<br />
Jungtiere bezeichnet, die als Stimmfühlungslaut ein Heulen von<br />
sich geben.<br />
Im hamburgischen <strong>Wattenmeer</strong> werden verlassene und vermeintlich<br />
geschwächte Tiere – solange dies möglich ist – am Fundort<br />
belassen, um herauszufinden, ob nicht doch das Muttertier das<br />
Junge wiederfindet und es weiter versorgen kann. Mit dieser<br />
Strategie wird sichergestellt, dass das Jungtier alle Chancen auf<br />
eine natürliche Lebensweise in dem ihm heimischen Lebensraum<br />
behält. Erst wenn sich herausstellt, dass das Muttertier den<br />
Nachwuchs ohne Zweifel verlassen hat, kann zur weiteren<br />
Behandlung ein Veterinär eingeschaltet oder das Tier auch direkt<br />
in eine Seehund-Aufzuchtstation gebracht werden.