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Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer

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Insel Neuwerk/Vorland<br />

62<br />

Als Vorland oder Außengroden wird auf Neuwerk der Bereich zwischen der MThw-Linie und dem seewärtigen Deichfuß des<br />

Ringdeiches bezeichnet. Die in dem etwa 180 ha großen Vorland vorherrschenden Salzwiesen unterscheiden sich deutlich<br />

von allen anderen an der deutschen <strong>Wattenmeer</strong>küste.<br />

Pflanzenwelt und Vegetation im Vorland<br />

Aufgrund der besonderen Strömungsbedingungen rund um<br />

Neuwerk besteht nur im Norden und Osten der Insel ein Vorland.<br />

Ein Sommerdeich umschließt den überwiegenden Teil des Vorlandes.<br />

Der Bodenaufbau wird durch wiederholten Wechsel von Kleiund<br />

Sandauflagen gekennzeichnet; an der Oberfläche dominieren<br />

nährstoffarme und wasserdurchlässige Sande.<br />

Insgesamt besteht im Vorland von Neuwerk ein äußerst bewegtes<br />

Kleinrelief im Meso-Maßstab, das wesentlichen Einfluss auf die<br />

Vegetationsstrukturen nimmt.<br />

Kleinflächige Veränderungen entstehen durch Kleiabbauflächen,<br />

Sodenstichbereiche sowie inzwischen überwachsene Schotterterrassen<br />

und Fahrwege von vormaligen Deichbaumaßnahmen.<br />

Zudem führen in der überwiegend sandigen Auflage Eisgang und<br />

starke Hochwässer leicht zu Bodenverletzungen wie Abschürfungen<br />

und Auskolkungen, Prielverläufe können abgeriegelt oder<br />

geändert werden, Sandaufspülungen treten immer wieder auf und<br />

in einigen Bereichen lagern sich Treibselmengen ab. Natürlich<br />

verlaufende Priele und stellenweise abgedämmte Prielreste sowie<br />

die Entwässerungsgräben des Deichfußes und einzelne tiefliegende<br />

und zeitweilig mit Wasser gefüllte Senken tragen wesentlich<br />

zur Biotop- und Vegetationsvielfalt bei.<br />

Aufgrund der besonderen Boden- und Bewirtschaftungsverhältnisse<br />

besteht keine einheitliche Vegetationsstruktur; da die<br />

kleinräumig wechselnden Standortfaktoren jeweils spezifische<br />

Vegetationseinheiten hervorbringen, die mosaikartig miteinander<br />

verzahnt sind. Neben Brackwasserröhrichten und Knickfuchsschwanz-<br />

oder Straußgras-Flutrasen treten großflächige mit mehr<br />

oder weniger Quecken bestandene Salzwiesen, Magerrasen und<br />

Dünenreste auf. Somit entsprechen die größten Teile des<br />

Vorlandes nicht dem typischen Bild des Vorlandes an den Küsten<br />

des <strong>Wattenmeer</strong>es, sondern eher dem stark mosaikartig verzahnten<br />

Biotopkomplex der Ästuar-Salzwiesen.<br />

Generell sind die Salzwiesen im Vorland durch ein Zurücktreten<br />

von salzzeigenden Pflanzen gegenüber den typischen Wiesen-<br />

<strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong><br />

arten von Grünländern mit durchschnittlicher Nährstoffversorgung<br />

gekennzeichnet. Charakteristische Arten sind die in<br />

geringem Maße salztoleranten Arten Erdbeer-Klee, Herbst-<br />

Löwenzahn und Roter Zahntrost. Einen wesentlichen Einfluss auf<br />

die charakteristische Ausprägung des Vorlandes übt der Sommerdeich<br />

aus, da er selbst in sturmreichen Wintern nur noch gelegentliche<br />

Überflutungen gestattet. Vor dem Sommerdeich sind die<br />

Salzwiesen dagegen in charakteristischer Weise ausgeprägt,<br />

wobei sich je nach Beweidungsart und –intensität sowie der<br />

Höhenlage Andelrasen und Rot-Schwingelrasen gebildet haben.<br />

Obwohl die Beweidungsintensität im Vorland stellenweise sehr<br />

hoch ist und zu einem weitgehenden Ausfall charakteristischer<br />

Salzwiesenpflanzen geführt hat, bietet das Vorland von Neuwerk<br />

eine Vielzahl von sehr interessanten Vegetationseinheiten und<br />

bedeutsamen Arten für das <strong>Wattenmeer</strong>. So hat sich in den<br />

lückenhaften, kurzrasigen Bereichen, vor allem auf den nährstoffarmen,<br />

wasserdurchlässigen Sanden und dem Sommerdeich, ein<br />

Mager- und Trittrasen mit dem Dünnschwanz, verschiedenen<br />

Mastkraut-Arten und Dänischem Löffelkraut ausgebreitet. In den<br />

Prielen ist neben der vorherrschenden Meersalde bereichsweise<br />

der Brackwasser-Hahnenfuß vertreten. Vereinzelt wachsen an den<br />

Prielrändern auch Strand-Segge, Entferntährige Segge und<br />

Küsten-Gelb-Segge.<br />

Ein besonders wertvolles floristisches Kleinod stellen die seit<br />

1988 unbeweideten Salzwiesen im Südosten der Insel dar. Aus<br />

den bis dato artenarmen und intensiv verbissenen Andelrasen<br />

haben sich artenreiche Salzwiesenkomplexe aus unteren,<br />

verschiedenen oberen Salzwiesen und Übergängen zu Spülsäumen,<br />

Queller- und Schlickgrasfluren entwickelt. Lediglich an<br />

den immer noch mehr oder weniger geradlinigen Verläufen der<br />

ehemaligen Grüppen kann die künstliche Entstehung erkannt<br />

werden.<br />

Weitere Entwicklung<br />

Im Vorland können inzwischen Entwicklungen beobachtet werden,<br />

die nicht auf die Regeneration der Salzwiesen hindeuten. In<br />

einigen, nur noch sehr selten überfluteten Bereichen sind außer<br />

Rotschwingel inzwischen keine weiteren charakteristischen<br />

Salzpflanzen mehr vorhanden. Andere Gebiete, vor allem im<br />

Bereich der tieferliegenden ehemaligen Kleiabbauflächen entlang<br />

der Priele, sind dagegen noch von typischen Strand-Grasnelken-<br />

Wiesen bestanden, am Rand der Priele erstreckt sich zumeist<br />

noch ein sehr schmales Band eines Andelrasens.<br />

In dem nur zwischen August und Oktober beweideten Ostvorland<br />

breiten sich die für eine extensive oder reduzierte Beweidungsintensität<br />

typischen Brachepflanzen aus. Neben dem Auftreten<br />

von Zeigerpflanzen für nährstoffreiche Böden, wie z.B. Disteln<br />

an den Brutplätzen der Seevögel, sind es starke Queckenbestände<br />

und dichte Gestrüppe des Dornigen Hauhechel, der aufgrund seiner<br />

ab einer bestimmten Größe auftretenden Stachligkeit vom<br />

Weidevieh verschmäht wird.<br />

Ein Vorkommen interessanter Pflanzengesellschaften, das<br />

Auftreten gefährdeter Arten und bereichsweise natürlich anmutende<br />

Pflanzenbestände können aber nicht darüber hinwegtäuschen,<br />

dass im Vorland von Neuwerk zwei Phänomene offensichtlich<br />

werden:<br />

• die intensive Beweidung führt zum Verlust charakteristischer,<br />

aber beweidungsempfindlicher Salzpflanzen (siehe Seite 72),<br />

• die durch den Sommerdeich hervorgerufene geringe Überflutungshäufigkeit<br />

fördert typische Wiesenpflanzen der binnenländischen<br />

Grünländer, die salztoleranten Pflanzen werden<br />

verdrängt.<br />

Obwohl das Vorland von Neuwerk seit jeher wesentlich von<br />

Eingriffen des Menschen bestimmt war, können gezielte<br />

Management-Maßnahmen die Entwicklung zu größerer Naturnähe<br />

steuern. Dabei schlägt der Naturschutz eine Gratwanderung<br />

ein. Die derzeitige Nutzung fördert die Erhaltung eines kurzrasigen,<br />

relativ nährstoffarmen Salzgrünlandes als Standort seltener<br />

und charakteristischer Pflanzen sowie einen wertvollen Brut-,<br />

Rast- und Nahrungsraum für Limikolen und Entenvögel. Für eine<br />

naturnähere Entwicklung der Salzwiesen im Vorland ist eine<br />

engere Verknüpfung von Teilen des Vorlandes mit dem<br />

Tidegeschehen und dem damit verbundenen Eintrag von Salz in<br />

den Boden erforderlich.

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