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Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer

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Naturraum <strong>Wattenmeer</strong><br />

16<br />

Das <strong>Wattenmeer</strong> gehört zu den weltweit bedeutendsten Feuchtgebieten für rastende, mausernde und überwinternde Watund<br />

Wasservögel. Im Verbund mit den angrenzenden Salzwiesen, Kögen und Marschengrünländern ist es das wichtigste<br />

zusammenhängende Rast- und Nahrungsgebiet für Watvögel des Ostatlantischen Flugweges zwischen der Arktis und dem<br />

südlichen Afrika.<br />

Das <strong>Wattenmeer</strong> und die Vogelwelt<br />

Die enormen Vogelscharen, die zu bestimmten Zeiten das <strong>Wattenmeer</strong><br />

bevölkern, beeindruckten schon immer die Anwohner und<br />

Besucher der Region. Noch bis vor wenigen Jahrzehnten war nur<br />

wenig über ihre tatsächliche Zahl, ihre Verbreitung im <strong>Wattenmeer</strong><br />

und ihre sonstigen Aufenthaltsorte zur Brutzeit und im<br />

Winter bekannt. Durch umfangreiche Untersuchungen wie z.B.<br />

Beringungen und wattenmeerweite Vogelzählungen auf den freien<br />

Wattflächen zur Rastzeit konnten jedoch unsere Kenntnisse<br />

über das <strong>Wattenmeer</strong> und seine Bedeutung für die Vogelwelt<br />

wesentlich erweitert werden.<br />

Internationale Zugvogelwege und Brutpopulationen<br />

Das <strong>Wattenmeer</strong> repräsentiert das bedeutendste zentrale Rastgebiet<br />

der Vögel auf ihrem ostatlantischen Zugweg von ihren arktischen<br />

und subarktischen Brutgebieten zwischen Nordsibirien<br />

und Nordostkanada in ihre südlichen Überwinterungsgebiete.<br />

Während einige Arten wie z.B. der Säbelschnäbler und der<br />

Austernfischer hauptsächlich an den Atlantikküsten von Frankreich<br />

bis Portugal und in Nordafrika überwintern, ziehen Knutt,<br />

Regenbrachvogel und Seeschwalben weiter, teilweise bis an die<br />

Küsten West- und Südafrikas. Den weitesten Zugweg aller Vogelarten<br />

im <strong>Wattenmeer</strong> nimmt die Küstenseeschwalbe auf sich. Aus<br />

ihren Brutgebieten an den arktischen und mitteleuropäischen<br />

Küsten und natürlich auch aus dem <strong>Wattenmeer</strong> selbst zieht sie im<br />

Winterhalbjahr bis an den antarktischen Eisrand.<br />

Getrennte Brutpopulationen einiger Arten nutzen auch unterschiedliche<br />

Rast- und Überwinterungsgebiete. Eine Brutpopulation<br />

besteht aus einer Gruppe von Tieren einer Art, die über<br />

mehrere Generationen ein bestimmtes Brutgebiet aufsucht, das<br />

von anderen Brutgebieten deutlich getrennt ist. Beispielsweise<br />

überwintern die in Nordsibirien brütenden Knutts an den Küsten<br />

West- und Südafrikas, während die in Grönland und Nordostkanada<br />

brütenden in Westeuropa bleiben. Auch wenn beide<br />

Populationen das <strong>Wattenmeer</strong> aufsuchen, so vermischen sie sich<br />

nicht, weil sie sich stetig "verpassen". Sie erreichen und verlassen<br />

das gemeinsame Nahrungs- und Rastgebiet zu unterschiedlichen<br />

Zeiträumen.<br />

<strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong><br />

Internationale Vogelzählungen im <strong>Wattenmeer</strong><br />

Durch gleichzeitige Zählungen, den sogenannten Synchronzählungen,<br />

in Dänemark, Deutschland und den Niederlanden wird<br />

seit 1980 der Gesamtbestand an Vögeln im <strong>Wattenmeer</strong> systematisch<br />

erfasst und der Zustand der einzelnen Artenbestände bewertet.<br />

Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, dass insgesamt<br />

etwa 10-12 Millionen Vögel im Laufe ihres Jahreszykluses das<br />

Gebiet des <strong>Wattenmeer</strong>es auf die eine oder andere Weise besuchen<br />

und nutzen. Zu ihnen gehören rund 2-2,5 Mio. Gänse und<br />

Enten, 6-7 Mio. Watvögel sowie 2-2,5 Mio. Möwen und Seeschwalben.<br />

Am häufigsten kommen die Alpenstrandläufer (1,2<br />

Mio.), Austernfischer (739.000), Knutts (433.000) ins <strong>Wattenmeer</strong>,<br />

aber auch von Silbermöwen, Pfuhlschnepfen und Pfeifenten<br />

können ebenfalls noch mehr als 300.000 Individuen im<br />

<strong>Wattenmeer</strong> erfasst werden.<br />

Trotz sehr sorgfältig organisierter und ausgeführter Beobachtungen<br />

können bei den internationalen Vogelzählungen doch einige<br />

Vogelarten nicht erschöpfend erfasst werden. So ist z.B. zu vermuten,<br />

dass weitaus mehr Möwen und Seeschwalben anwesend<br />

gewesen sind, da sie auf hoher See fressen oder häufig zwischen<br />

Binnenland und <strong>Wattenmeer</strong> wechseln. Wiesenbrüter wie Kiebitz,<br />

Kampfläufer oder Goldregenpfeifer halten sich in höheren Zahlen<br />

in den angrenzenden Marschen auf, so dass die Zählmenge aller<br />

Wahrscheinlichkeit nach geringer ist als der tatsächliche Bestand.<br />

Verteilung in Raum und Zeit: ein stetiges Kommen und Gehen<br />

Die meisten Arten erscheinen fast überall im <strong>Wattenmeer</strong>, dennoch<br />

kann man je nach Art ein unterschiedliches räumliches und<br />

zeitliches Verteilungsmuster erkennen, das von verschiedenen<br />

Faktoren bestimmt wird. Einige Arten suchen traditionell jedes<br />

Jahr dieselben Rastplätze auf (Ringelgans, Nonnengans), andere<br />

konzentrieren sich in großen Schwärmen dort, wo derzeitig die<br />

Nahrungsgründe am ergiebigsten sind (Knutt).<br />

Die höchsten Watvogelzahlen werden im Herbst mit ca. 2-2,6<br />

Mio. Tieren erreicht, wenn Alpenstrandläufer und Austernfischer<br />

sowie zahlreiche Gänse-, Enten- und Möwenarten gleichzeitig<br />

einfallen. In milden Wintern bleiben immerhin etwa 1 Million<br />

Watvögel im <strong>Wattenmeer</strong>. In kalten Wintern weichen die meisten<br />

von ihnen jedoch zumindest zeitweilig in den relativ milden niederländischen<br />

Teil des <strong>Wattenmeer</strong>es oder die südlich angrenzenden<br />

Küstenabschnitte aus.<br />

Im Frühjahr konzentrieren sich viele arktische Watvögel und<br />

Gänse im nordöstlichen Teil des <strong>Wattenmeer</strong>es. Die höchsten<br />

Dichten von Alpenstrandläufern werden beispielsweise in dänischen<br />

und schleswig-holsteinischen Gebieten erreicht. Mausernde<br />

Brandenten und Eiderenten erlangen die höchsten Konzentrationen<br />

im deutschen <strong>Wattenmeer</strong>. Neben Tradition, Klima, Nahrungsverfügbarkeit<br />

und Störungsarmut kann auch direkte Verfolgung<br />

zum Verteilungsmuster beitragen. Dies zeigt die Verteilung<br />

des Großen Brachvogel, der in Dänemark noch bis 1993 bejagt<br />

wurde und daher das dänische <strong>Wattenmeer</strong> fast vollständig mied.<br />

Funktionen des <strong>Wattenmeer</strong>es für die Vogelwelt<br />

Aufgrund ihrer speziellen Lebensweisen und Zugstrategien nutzen<br />

die verschiedenen Arten das <strong>Wattenmeer</strong> zu unterschiedlichen<br />

Zeiten und auf unterschiedliche Weise. Daher durchlaufen<br />

sie im <strong>Wattenmeer</strong> auch verschiedene Lebensabschnitte. Einige<br />

Arten (Austernfischer, Großer Brachvogel) verbleiben zu einem<br />

großen Teil im Winter (Überwinterer). Die meisten Arten sind<br />

jedoch echte Durchzügler, die lediglich während des Frühjahrs<br />

und Herbstes im <strong>Wattenmeer</strong> erscheinen.<br />

Kurzfristige Duchzügler, in der Regel extreme Langstreckenzieher,<br />

die in den arktischen Gebieten brüten und im tropischen<br />

Afrika überwintern, bleiben nur für wenige Wochen. Sie fressen<br />

sich im nahrungsreichen <strong>Wattenmeer</strong> die notwendigen Fettreserven<br />

für ihren Weiterzug in ihre Brutgebiete an und nutzen das<br />

<strong>Wattenmeer</strong> quasi als "Tankstelle". Besonders große Konzentrationen<br />

zeigt der Knutt, der bei einem Watt-Stopp von nur 3<br />

Wochen im Mittel 50% seines Körpergewichts zulegt.<br />

Andere Arten verbleiben während einer oder beider Zugperioden<br />

über längere Zeit im <strong>Wattenmeer</strong>. Sie nutzen das <strong>Wattenmeer</strong><br />

nicht nur zur Energieaufnahme, sondern zeitgleich auch häufig<br />

zur Mauser (Alpenstrandläufer, Kiebitzregenpfeifer). Im Spätsommer/Herbst<br />

mausern viele Enten- und Watvögel im <strong>Wattenmeer</strong>.<br />

Nahezu die gesamte nordeuropäische Population der Brandente<br />

mausert im Bereich der Elbmündung und auch für die Eiderente<br />

ist das deutsche <strong>Wattenmeer</strong> der bedeutendste Mauserplatz.<br />

Darüber hinaus stellt das <strong>Wattenmeer</strong> auch für viele Vogelarten<br />

wie z.B. Säbelschnäbler, Rotschenkel sowie die Brand- und<br />

Zwergseeschwalbe ein ungemein bedeutsames Brutgebiet dar.<br />

Ohne das <strong>Wattenmeer</strong> wäre der Bruterfolg dieser Arten langfristig<br />

nicht gesichert.

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