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Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer

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Insel Scharhörn<br />

82<br />

Herbst-Löwenzahn und das Gänse-Fingerkraut einzelne<br />

Farbtupfer setzen. Andere Charakterarten der Salzwiesenvegetation<br />

wie z.B. Strandflieder oder Strand-Aster treten auf<br />

Scharhörn derzeit nicht auf. Die Salzwiesen sind aufgrund seltener<br />

Überflutung und niederschlagsbedingter Aussüßung brackwasserbeeinflusst.<br />

Die etwas höheren Bereiche der Senken, ja sogar Randbereiche<br />

der Dünenkämme, sind überwiegend mit stickstoffliebenden<br />

Hochstaudenfluren bestanden. Vermutlich durch immer wiederkehrenden<br />

Eintrag von Angespül (organisches Material) sowie<br />

reichhaltige Nährstoffversorgung durch Vogelkot konnten sich<br />

dichte Bestände aus Geruchloser Kamille, Gewöhnlichem Beifuß<br />

und Acker-Gänsedistel bilden und in die Röhrichte aus Schilf und<br />

Strandsimse und auch Strand-Quecke und Strandroggen hineinwachsen.<br />

Folgen der Inseldynamik für die Vegetation<br />

Scharhörn wird seit Beginn der neunziger Jahre nur noch von den<br />

Kräften der Natur geformt und gibt daher einen guten Einblick in<br />

die Dynamik der Wattenlandschaft. Erosion an der wasser- und<br />

windexponierten Nord- und Westseite, Sedimentation an der Südostseite<br />

haben in der 70jährigen Geschichte der Insel bereits zu<br />

einer deutlichen Lageveränderung geführt. Von der Insel, wie sie<br />

für 1935 belegt ist, sind heute keine Reste mehr vorhanden, von<br />

der Lage um 1953 zeugt nur noch der nordwestliche Rand mit<br />

einem alten Dünenkomplex, der "Hüttendüne", die Anfang der<br />

50er Jahre aufgeweht wurde. Diese, für Scharhörner Verhältnisse,<br />

alte Düne ist dicht mit Rosen bestanden, die aber durch die fortwährende<br />

Erosion direkt an die Abbruchkante gelangt sind und<br />

nacheinander abrutschen. Die heruntergestürzten Sandmassen<br />

werden im Sommer von Strandroggen und Quecken wieder<br />

durchwachsen und, falls keine starken Stürme im Winter eintreten,<br />

auch bis ins nächste Jahr stabilisiert. Sie verwehren normalen<br />

Hochwässern den Zutritt in das Innere der Insel. Die inmitten der<br />

Düne liegende Hauptdüne ist 1970/71 aufgeweht worden.<br />

Flächengröße<br />

Die Flächengröße der Insel war immer abhängig von den<br />

Witterungsbedingungen und von der Intensität der Dünenschutzmaßnahmen.<br />

Während in den ersten Jahren starke Fluten wieder<br />

große Teile der gerade befestigten Insel wegspülten, waren nach<br />

dem Aufwachsen der Insel über den Flutbereich insbesondere die<br />

Sedimentationsverhältnisse ausschlaggebend. Nach 1935 war die<br />

Flächenbilanz beständig positiv, zwischen 1973 und 1983 verlor<br />

die Insel jedoch nahezu ein Drittel ihrer Fläche.<br />

1997 erreichte die Insel eine Größe von über 20 ha. In den letzten<br />

<strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong><br />

Jahren war die Sedimentation im Südosten größer als die relativ<br />

geringfügige Erosion im Nordwesten. Eventuell machen sich<br />

auch die letzten Sandvorspülungen Anfang dieses Jahrzehnts<br />

bemerkbar, die eine gute Sandnachlieferung bewirkten.<br />

Wandel der Vegetation<br />

Die Vegetation der Insel ist durch Untersuchungen in den 1950er<br />

und 1980er Jahren und in neuester Zeit bearbeitet worden, so dass<br />

auch über Veränderungen der Vegetation und der Flora umfangreiche<br />

Kenntnisse vorliegen.<br />

Dabei hat sich gezeigt, dass seit den fünfziger Jahren im wesentlichen<br />

sehr ähnliche Vegetationseinheiten bestehen. Lediglich<br />

ihre Lage und Ausdehnung ist abhängig von den jeweils herrschenden<br />

Sedimentations- und Erosionsbedingungen. Tertiärdünen<br />

und ausgeprägte Graudünen konnten bislang nicht auf der<br />

Insel entstehen. Dazu ist sie einfach zu jung. Bodenbildungsprozesse,<br />

die auf Dauer erst die Grundlage für Nährstoff- und<br />

Wasserversorgung der Gehölze liefern, brauchen Zeit. Soviel Zeit<br />

steht aber auf Scharhörn nicht zur Verfügung. Die ältesten<br />

Dünenbereiche sind hier weniger als 50 Jahre alt, und ehe es zu<br />

einer weiteren Dünen-Alterung kommen kann, werden diese<br />

Bereiche wieder vom Meer fortgespült.<br />

Andererseits haben sich Veränderungen in der Zusammensetzung<br />

der Pflanzengemeinschaften eingestellt. Während seit ihrem Bestehen<br />

über 220 Pflanzenarten auf der Insel nachgewiesen werden<br />

konnten, sind aktuell lediglich etwa 120 Arten regelmäßig auf der<br />

Insel zu finden. Dies zeigt, wie groß die Besiedlungsmöglichkeit<br />

einerseits ist, wie wenige Arten aber andererseits unter den extremen<br />

Bedingungen dort zu leben vermögen.<br />

Abb. 4: Spülsaumgesellschaften an der Westseite Scharhörns mit<br />

Meeresenf (1996). Foto Janke.<br />

Weitere Entwicklung Scharhörns<br />

Die häufig geäußerte Vermutungen, dass die Insel in absehbarer<br />

Zeit vollständig zerschlagen würde, ist anhand der jüngsten Entwicklung<br />

ebenso wenig zu belegen wie eine mögliche weitere<br />

Flächenzunahme. Wie sich die vorhergesagte Meeresspiegelerhöhung<br />

oder der Anstieg des mittleren Tidenhubs auf Scharhörn<br />

auswirken wird, ist nicht abzusehen. Zwar könnten sich dadurch<br />

die erosiven Kräfte an der Nordkante deutlich verstärken,<br />

andererseits können Dünenbildungsprozesse hierdurch gefördert<br />

werden.<br />

Stetiger Wandel ist die Norm in einem derartig dynamischen<br />

System wie dem <strong>Wattenmeer</strong>. Veränderung ist das Merkmal der<br />

Wattenlandschaft, und die Insel Scharhörn ist charakteristisches<br />

Zeichen des Wandels. Nur kurzfristige Konstanz von Lebensräumen<br />

und Besiedlungsmustern sind eng gekoppelt mit räumlicher<br />

Variabilität, so dass die zeitliche Abfolge der Dünenbildung,<br />

die Sukzession, sogar bei einem Rundgang um die Insel deutlich<br />

werden kann. Auf- und Abbau, Umgestaltung, Einwanderung und<br />

Abwanderung von Pflanzen- und Tierarten sind normale Veränderungen.<br />

Auch besonders seltene und schutzbedürftige Tier-<br />

Abb. 5: Steiler Dünenhang im Norden Scharhörns. Foto Janke (1996).<br />

und Pflanzenarten können von diesem Wandel betroffen werden<br />

und Scharhörn verlassen. Dafür werden sie sich an anderer geeigneter<br />

Stelle im <strong>Wattenmeer</strong> niederlassen. Dies setzt allerdings<br />

voraus, dass auch genügend Bereiche vorhanden sind, in denen<br />

sich selbst gestaltende, dynamische Prozesse stattfinden können.<br />

Dynamische Inseln sind durch die weitgehende Küstenfestlegung<br />

im gesamten <strong>Wattenmeer</strong> selten geworden. Gerade ihre frühen<br />

Stadien sind auf Scharhörn gut zu erkennen. Die weitere Entwicklung<br />

der Insel und ihrer Dünen ist daher von großem Wert für<br />

die Wissenschaft.

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