Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer
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Naturraum <strong>Wattenmeer</strong><br />
8<br />
Salzwiesen zählen zu den europaweit am stärksten gefährdeten Lebensräumen. Dabei gehören sie gemeinsam mit den<br />
offenen Wattenbereichen zu den wertvollsten Naturgütern des <strong>Wattenmeer</strong>es. Salzwiesen beherbergen speziell angepasste<br />
Lebensformen, die an die besonderen Lebensumstände im Übergang von Land und Meer hervorragend angepasst sind.<br />
Salzwiesen-Salzmarschen-Salzgrünländer<br />
Salzwiesen sind weltweit an vielen flachen Meeresküsten verbreitet,<br />
doch ist ihre räumliche Ausdehnung im <strong>Wattenmeer</strong> mit<br />
ca. 30.000 ha. einzigartig. Der Begriff Salzwiesen kann zu Irritationen<br />
führen, da das Deichvorland nur in wenigen Bereichen<br />
gemäht wird. Daher werden auch die Begriffe Salzmarschen,<br />
Salzrasen und Salzgrünländer verwendet. Alle diese Begriffe<br />
bezeichnen jenes Grünland, das sich etwa zwischen der mittleren<br />
Hochwasserlinie und dem Deich erstreckt und dessen Vegetation<br />
in fein abgestufter Aufeinanderfolge verschiedenartiger Vegetationsgürtel<br />
von Staudenfluren oder Gräsern dominiert wird.<br />
Die Pflanzen der Salzwiesen<br />
Wo im strömungsberuhigten Bereich Feinmaterial abgelagert<br />
wird, können bei Erreichen eines Niveaus von ca. 40 cm unter<br />
MThw erste Blütenpflanzen wie z.B. der Queller oder das<br />
Schlickgras dauerhaft Fuß fassen. Eine beschleunigte Sedimentation<br />
erhöht das Gelände, so dass die Anzahl der Überflutungen<br />
stetig abnimmt. Gleichzeitig sinkt der Salzgehalt im Boden, und<br />
die Durchlüftung verbessert sich entsprechend. In der Folge können<br />
sich weitere Pflanzenarten ansiedeln. Neben dem Andel ist<br />
dies z.B. die Strand-Salzmelde, der Strandflieder und die Strand-<br />
Sode. Innerhalb dieser sogenannten Andel-Zone ("Untere Salzwiese")<br />
bildet sich in natürlichen Beständen ein vielfältiges Vegetationsmosaik,<br />
in dem bereichsweise einige Arten zur Dominanz<br />
kommen können. Die Andel-Zone erstreckt sich etwa bis 35 cm<br />
über die mittlere Hochwasserlinie. Oberhalb dieses Bereiches<br />
schließt sich die Rot-Schwingel-Zone ("Obere Salzwiese") an, in<br />
welcher der namensgebende Salz-Rot-Schwingel dominiert.<br />
Diese Zone wird nicht häufiger als 50 mal pro Jahr vom Hochwasser<br />
überflutet. Neben dem Rot-Schwingel treten hier vermehrt<br />
auch die Strand-Grasnelke und der Strand-Wegerich auf.<br />
Viele Salzwiesen sind in ihrer Entwicklung maßgeblich durch den<br />
Menschen gefördert worden. Für Landgewinnung und Küstenschutz<br />
werden durch Lahnungsbau strömungsberuhigte Bereiche<br />
geschaffen, in denen Schlick sedimentiert. Dadurch erhöhen sich<br />
die Wattflächen. Nach Erreichen des Niveaus der Andel-Zone<br />
wird durch Entwässerungsmaßnahmen, wie dem Bau von<br />
<strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong><br />
Grüppen und größeren Gräben, die Entwässerung des Sedimentes<br />
und damit die Belüftung des Bodens gefördert, so dass auf der<br />
Bodenoberfläche eine stabile Grasnarbe entstehen kann.<br />
Die Artenzusammensetzung der Salzwiesen wird von weiteren<br />
Faktoren bestimmt. Auf den seltener vorkommenden sandigen<br />
Substraten entwickeln sich aufgrund der anderen Bodeneigenschaften<br />
abweichende Salzpflanzengesellschaften, in denen z.B.<br />
der Erdbeer-Klee auftreten kann. Neben der Bodenart ist der<br />
Salzgehalt der Bodenlösung bedeutsam. Aufgrund der Sedimenterhöhung<br />
und seltenerer Überflutung wird der Salzgehalt im<br />
Boden in den höheren Salzwiesenbereichen bereits herabgesetzt.<br />
Salzwiesen in Flussmündungen<br />
Sie sind die Besonderen unter den Einzigartigen. Im Bereich des<br />
Süßwassereinflusses der Flußmündungen verstärkt sich die Aussüßung<br />
des Bodens in besonderem Maße, so dass bereits in der<br />
Andel-Zone solche Formen gedeihen können, die keine besonderen<br />
Anpassungen der Salzresistenz entwickelt haben. So ist die<br />
Strandsimse in diesen Bereichen sehr viel stärker vertreten, bei<br />
noch geringerem Salzgehalt kommt auch Schilf auf.<br />
Die Tierwelt der Salzwiesen<br />
Die Kleintierfauna der Salzgrünländer ist sehr formenreich und<br />
im Vorkommen ganz überwiegend eng an den besonderen<br />
Lebensraum gebunden. Mehr als 2500 Tierarten der Insekten,<br />
Spinnen, Kleinkrebse und Würmer sind in den verschiedenen<br />
Ausprägungen nachgewiesen worden. Häufig ist ihre Lebensund<br />
Nahrungsgrundlage von einer einzigen Pflanzenart abhängig<br />
oder sie benötigen das eng verzahnte Nebeneinander von verschiedenen<br />
Lebensbedingungen der natürlichen Salzwiesen.<br />
Viel augenscheinlicher als die Kleintierfauna tritt jedoch die<br />
Vogelwelt der Salzwiesen hervor, auch wenn nur wenige<br />
Vogelarten ausschließlich an Salzgrünländer gebunden sind. Viele<br />
Vogelarten wie z.B. der Rotschenkel oder der Austernfischer können<br />
auch in anderen Biotopen brüten, in den Salzmarschen erreichen<br />
sie jedoch ihre höchste Brutdichte.<br />
Nutzungen in den Salzwiesen<br />
Salzwiesen dienen sowohl dem Schutz der Deiche als auch der<br />
Bewirtschaftung durch die Landwirtschaft. Auf den flach ansteigenden<br />
Vorländern laufen die Wellen schnell auf, brechen anschließend<br />
und verlieren so den größten Teil der Energie bereits<br />
bevor sie auf den Hauptdeich treffen. Die Landwirtschaft nutzt die<br />
Salzwiesen für die Beweidung durch Schafe, Rinder und auch<br />
Pferde.<br />
Eine intensive Beweidung wurde früher als unbedingt hilfreich<br />
angesehen, um die Festigkeit der Grasnarbe und damit die Haltbarkeit<br />
der Wiesen für den Küstenschutz zu gewährleisten. In<br />
neueren Untersuchungen hat sich jedoch herausgestellt, dass auch<br />
unbeweidete und extensiv beweidete Salzwiesen ausreichend Festigkeit<br />
besitzen und der Erosion ebenso gut widerstehen können.<br />
Die intensive Nutzung der Salzwiesen führt zu einem deutlichen<br />
Rückgang der natürlichen Artenvielfalt. Auf beweideten Flächen<br />
dominieren robuste, wenig verbissempfindliche Gräser wie Andel<br />
und Rot-Schwingel. Trittempfindliche Kräuter können nicht mehr<br />
gedeihen.<br />
Die Salzwiesen im <strong>Nationalpark</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong><br />
Im <strong>Nationalpark</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong> sind Salzwiesen<br />
großflächig nur auf der Insel Neuwerk ausgebildet. Auf den<br />
Düneninseln Scharhörn und Nigehörn bestehen nur kleine Salzwiesenareale.<br />
Außerdem gehört ein kleiner Anteil der Festlandsalzwiesen<br />
an der Wurster Salzwiesenküste zum hamburgischen<br />
Staatsgebiet.<br />
Die Salzwiesen auf Neuwerk stellen etwas Besonderes dar, weil<br />
sie sich nicht einfach in das klassische Schema einordnen lassen.<br />
Im Bereich der ehemaligen östlichen Lahnungsfelder sind typische<br />
Salzwiesen entstanden, in denen sich auch der Unterschied<br />
zwischen beweideten und unbeweideten Salzwiesen deutlich<br />
zeigt.<br />
Hinter dem im Jahr 1925 errichteten Sommerdeich bestehen<br />
jedoch nur noch selten überflutete Salzwiesen, die sich im Übergang<br />
zu den von Süßgräsern dominierten Wiesengesellschaften<br />
befinden. Dennoch sind charakteristische Salzpflanzen der sandigen<br />
Küsten wie Erdbeer-Klee und Lücken-Segge immer noch<br />
verbreitet. In tieferen Bereichen dominiert die Rot-Schwingel-<br />
Zone und Andel. Im Vorland Neuwerks ist die Ausbildung und<br />
Verteilung der Salzwiesengemeinschaften sehr deutlich an das<br />
kleinräumig stark wechselnde Relief angepaßt.