30.01.2013 Aufrufe

Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer

Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer

Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Naturraum hamburgisches <strong>Wattenmeer</strong><br />

22<br />

Das <strong>Wattenmeer</strong> gehört zu den weltweit jungen Landschaftsformen. Seine geologische Geschichte wurden von zahlreichen<br />

jüngeren erdgeschichtlichen Ereignissen, die insbesondere durch kurzfristige Klimaveränderungen hervorgerufen wurden,<br />

maßgeblich beeinflusst. Im Ergebnis entstand eine völlig verwandelte, neu geformte Landschaft.<br />

Entstehung des hamburgischen <strong>Wattenmeer</strong>es<br />

Entstehung der Nordsee<br />

Das Gebiet der heutigen Nordsee ist uns wie selbstverständlich<br />

als große einheitliche Wasserfläche vertraut. Doch ein Blick zurück<br />

in die Erdgeschichte lehrt uns, dass hier zur Devonzeit, als<br />

Urfarne, die ersten Insekten und Fische die Erde bevölkerten,<br />

Festland vorlag. Während der darauffolgenden Karbonzeit hob<br />

sich der mitteleuropäische Gebirgsgürtel heraus und das nördliche<br />

Festland sank ab. Die Nord-Süd-Furche begann sich zu vertiefen,<br />

die Entstehung der Nordsee konnte ihren Lauf nehmen.<br />

Vom Ozean flutete Meerwasser ein, das im trocken-heißen Klima<br />

der Perm-Zeit verdunstete. So entstanden die norddeutschen Salzlager.<br />

Während der Kreidezeit, als bereits urtümliche kleine Säugetiere<br />

unter Laubhölzern lebten, kam es zu weiteren Überflutungen.<br />

Im Tertiär schließlich erlangte die Nordsee in etwa ihre heutige<br />

Ausdehnung.<br />

Die Eiszeiten<br />

Auch der weitere erdgeschichtliche Verlauf beeinflusste die<br />

Nordsee nachhaltig, denn sie lag im Bereich der großen Inlandeisgletscher.<br />

Alle drei norddeutschen Eiszeiten, Elster-, Saaleund<br />

Weichseleiszeit, ließen die Nordsee trockenfallen und bedeckten<br />

sie mit Inlandeis. Während der jüngsten Eiszeit bildeten<br />

die in die Nordsee mündenden Flüsse Weser- und Elbe-Urstrom,<br />

Rhein, Themse und Humber einen großen Schmelzwasserstausee,<br />

in dem Beckentone entstanden. Jede Eiszeit lieferte dem Nordseeboden<br />

Moränen- und Schmelzwassersedimente (Kiese, Sande,<br />

Tone). Am Ende der Weichseleiszeit schmolzen die Inlandeismassen<br />

ab, so dass der Meeresspiegel im gesamten Weltmeer anstieg.<br />

Die Nordsee dehnte sich wieder nach Süden aus und überflutete<br />

die Küstenlandstriche. Der Anstieg des Meeresspiegels vollzog<br />

sich nicht gleichmäßig; Perioden starken Anstiegs wechselten mit<br />

Stagnationsphasen. Das überflutete Land, welches sich durch<br />

weitläufige Moore, Sümpfe und Bruchwälder auszeichnete,<br />

wurde dabei mit Ablagerungen von Tonen und Sanden überschichtet.<br />

Die von den Sedimenten überlagerten Torfböden sind<br />

heute noch im Untergrund der Watten zu erbohren. Durch<br />

Altersbestimmung dieser Torfe kann das Vorrücken des Meeres<br />

<strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong><br />

und damit der Beginn der Wattenbildung auf etwa 5.500 Jahre v.<br />

Chr. zurückdatiert werden.<br />

Die Gezeiten<br />

Auch die Gezeiten haben die Entstehung des <strong>Wattenmeer</strong>es entscheidend<br />

beeinflusst. Im Zusammenspiel mit dem eiszeitlich<br />

bedingten Sedimentüberschuss in der Nordsee, dem nacheiszeitlichen<br />

Anstieg des Meeresspiegels und Strömungen, die die<br />

Sedimente (Sand, Ton) aus der offenen See an die Küste verfrachteten,<br />

formten sie das <strong>Wattenmeer</strong> und die Marschengebiete<br />

in den strömungsberuhigten Randbereichen des Festlandes.<br />

Sobald die natürliche Aufschlickung eine bestimmte Höhe<br />

erreicht hatte, siedelte sich Vegetation an, die wiederum als<br />

Schlickfänger wirkte und eine weitere Sedimentation förderte.<br />

Mit dem Herauswachsen der Wattsedimente aus dem Bereich täglicher<br />

Überflutungen erfolgte der Übergang vom marinen Watt<br />

zur Salzmarsch. Gleichzeitig begannen bodenbildende Prozesse,<br />

die den Boden in seiner Struktur und seinen chemischen und physikalischen<br />

Eigenschaften tiefgreifend veränderten.<br />

Die Ausprägung der Küstenlinie wurde maßgeblich durch den<br />

Tidenhub bestimmt. In Gebieten mit einem mittleren Tidenhub<br />

zwischen 1,35 m und 2,90 m entstand ein System aus Wattflächen<br />

mit vorgelagerten Dünen- oder Barriere-Inseln, wie z. B. an der<br />

westfriesischen und ostfriesischen Küste. Überschreitet der mittlere<br />

Tidenhub die Marke von 2,90 m, was in der inneren<br />

Deutschen Bucht beobachtet wird, so fällt die Bildung der<br />

Barriere-Inseln aus, statt dessen werden offene Wattflächen seeseitig<br />

durch kleine, stark veränderliche Sandbänke begrenzt.<br />

Die Entstehung Neuwerks und der Sände<br />

Die ungeschützte Lage der Sände zur offenen Nordsee bewirkt<br />

deren fortwährende Veränderungen der Morphologie und Lage.<br />

Durch das Zusammenwirken von Brandung, Gezeiten- und Driftströmungen<br />

sowie der Windverhältnisse reichern sich Sedimente<br />

im hochgelegenen Kopfbereich der Wattrücken an. Mit der<br />

Bildung von Untiefen wird die Brandungsenergie herabgesetzt.<br />

Dadurch kann weiteres Material sedimentieren und schließlich<br />

die Sände über MThw aufhöhen. Durch Extremhochwässer und<br />

windbedingte Anlagerung weiterer Sedimente setzen sich<br />

Anlandungs-, Transport- und Sortierungsprozesse fort. Diese<br />

Erscheinungen können auch im hamburgischen <strong>Wattenmeer</strong> festgestellt<br />

werden, wo sich die Scharhörnplate im exponierten<br />

Bereich des Wattrückens gebildet hat.<br />

Im Bereich des hamburgischen <strong>Wattenmeer</strong>s liegt der Tidenhub<br />

bei etwa 3,0 m. Aufgrund der hohen Strömungsdynamik ist daher<br />

die Ausbildung von Barriere-Inseln, wie sie an den ostfriesischen<br />

Inseln vorliegt, hier nahezu unwahrscheinlich. Wie konnten im<br />

hamburgischen <strong>Wattenmeer</strong> dennoch drei Inseln entstehen?<br />

Bohrungen im Bereich Scharhörn/Neuwerk zeigen eiszeitliche<br />

Ablagerungen etwa in 20 bis 25 m Tiefe. Über ihnen liegen etwa<br />

7.700 Jahre alte dünne Torfschichten. Kleieschichten von wenigen<br />

Dezimetern Schichtdicke (bis max. 2,80 m) über den Torfen<br />

zeigen die relativ kurze Zeitspanne der Marschenbildung im<br />

Bereich des heutigen Neuwerk. Oberhalb dieser Schicht finden<br />

sich schichtungslose, kalkhaltige, graue Feinsande mit Muscheln,<br />

die diese Ablagerungen als Sedimente des Meeresbodens kennzeichnen.<br />

Auch auf Neuwerk ergaben Bohrungen beim Turm<br />

1908 eine identische Schichtfolge.<br />

Entgegen vielfach geäußerter Vermutungen ist Neuwerk daher<br />

keine Hallig, sondern eine sandige Insel, eher vergleichbar den<br />

jungen Inseln Mellum und Trischen. Durch das Zusammenspiel<br />

von winterlichen Extremhochwässern und sommerlichen<br />

Trockenperioden, durch Sandanflug und Sedimentanspülung ist<br />

die Insel vermutlich langsam in die Höhe gewachsen und wurde<br />

so dem Einflußbereich der täglichen Gezeitenbewegung entzogen.<br />

Aufgrund der hohen Strömungsdynamik am Standort haben<br />

sich vornehmlich grobkörnigere Bestandteile abgelagert. Davon<br />

zeugen Profilbohrungen der obersten Bodenschichten im Vorland<br />

Neuwerks, die deutliche Flutschichtungen und Horizontabfolgen<br />

sandiger und schlickiger Sedimente zeigen. Früher bestanden<br />

größere Dünenkomplexe auf Neuwerk, vornehmlich im Norden<br />

und Osten des Vorlandes.<br />

Auch auf Scharhörn sind ähnliche Prozesse zu beobachten: Im<br />

Südosten der Insel haben sich im Strömungsschatten Buchten<br />

gebildet, in denen Feinmaterial sedimentiert. Dennoch kann<br />

Scharhörn in seiner heutigen Ausprägung nicht als gänzlich natürlich<br />

bezeichnet werden, da die Entwicklung der auf der<br />

Scharhörnplate natürlich entstandenen Primärdünen in den zwanziger<br />

Jahren durch Errichtung von Sandfangzäunen und Bepflanzung<br />

gefördert und die entstandene Düneninsel auch weiterhin<br />

durch verschiedene Maßnahmen bis 1991 gesichert wurde (siehe<br />

S.78). Die Düneninsel Nigehörn ist nicht natürlicher Genese, sondern<br />

erst vor 1989 aufgespült worden (siehe Seite 96).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!