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Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer

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Insel Neuwerk/Vorland<br />

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Mit der Einbeziehung der bewohnten Insel Neuwerk in den <strong>Nationalpark</strong> gelten dessen Schutzziele grundsätzlich auch für<br />

dort bewirtschaftete Bereiche. Da traditionell ein Teil des landwirtschaftlichen Einkommens der Neuwerker Bevölkerung im<br />

Vorland erwirtschaftet wird, hier aber ökologisch besonders wertvolle Arten und Lebensgemeinschaften auftreten, sollen die<br />

beschränkten Nutzungen in diesem Bereich im besonderen Maße mit den Anforderungen des Naturschutzes vereinbar sein.<br />

Nutzungen im Vorland<br />

Das Vorland von Neuwerk wird überwiegend landwirtschaftlich<br />

genutzt. Weiterhin ist es auch in einigen Bereichen für den<br />

Fremdenverkehr und für den Hochwasserschutz von Bedeutung.<br />

Mit der Ausweisung als <strong>Nationalpark</strong> wurde das Vorland in zwei<br />

Schutzzonen geteilt. Das sogenannte "Nordvorland” liegt, ebenso<br />

wie der Binnengroden, in Zone II, während im “Ostvorland” die<br />

strengeren Schutzbestimmungen der Zone I gelten. Aufgrund der<br />

wirtschaftlichen Bedeutung sind allerdings auch im Ostvorland<br />

bestimmte Nutzungen unter Auflagen freigestellt.<br />

Landwirtschaft<br />

Der Außengroden Neuwerks wird als Sommerweide für<br />

Pensions- und Eigenvieh genutzt. Bis zu 115 Ochsen und Pferde<br />

können sich auf der ungekoppelten Fläche frei bewegen. Rinder<br />

und Pferde sind gleichgestellt, was sich aus den historisch<br />

bedingten Nutzungsrechten herleitet: Bereits 1576 wurden den<br />

ansässigen Landwirten Grasungsrechte im Vorland bewilligt,<br />

wobei ein “Gras” (eine “Grasung”) einem Pferd oder einem Rind<br />

oder drei Schafen mit Lämmern oder einer Hausgans mit bis zu<br />

zwölf Gösseln entsprach. An dieser Regelung ist bis heute festgehalten<br />

worden, wenn auch derzeitig nur noch Rinder und Pferde<br />

im Vorland grasen. Noch bis in die frühen neunziger Jahre weideten<br />

außer Ochsen und Pferde auch Schafe im Vorland.<br />

Eine Grasung (“ein Gras”) entspricht:<br />

einem Pferd oder einer Kuh oder<br />

einem Stück Jungvieh oder<br />

einem einjährigen Fohlen oder<br />

einer Gans mit bis zu zwölf Küken oder<br />

drei Mutterschafen mit Lämmern.<br />

Das ca. 95 ha große Nordvorland darf ab 1. April jeden Jahres<br />

beweidet werden, ca. 53 ha im Ostvorland hingegen bleiben bis<br />

zum 1. August durch einen Zaun vom Nordvorland abgetrennt<br />

und sind also bis dahin für das Weidevieh nicht erreichbar.<br />

<strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong><br />

Weitere 23 ha Ostvorlandfläche, vorwiegend vor dem<br />

Sommerdeich gelegen, bleiben seit 1988 vom Vieh gänzlich<br />

unbeweidet. Die Beweidungsintensität im Nordvorland ist im<br />

Abb.1: Badehaus an der Badestelle im nördlichen Vorland. Foto Janke.<br />

Vergleich zur Grasproduktion sehr hoch. Dies führt zur Ausbildung<br />

äußerst kurzer Rasen, in denen charakteristische salzertragende<br />

Pflanzen und beweidungsempfindliche Arten selten<br />

geworden sind. Die Vegetationsentwicklung im Ostvorland verläuft<br />

mit der derzeitigen Bewirtschaftung in Richtung Verbrachung<br />

und Aussüßung der Bestände. Disteln und Dorniger<br />

Hauhechel breiten sich flächenhaft aus, dichte Queckenbestände<br />

etablieren sich, die Grasnarbe verfilzt und die Anzahl an salztoleranten<br />

Pflanzenarten sinkt.<br />

Fremdenverkehr<br />

Die wesentliche Nutzung auf Neuwerk und gleichzeitig wirtschaftliches<br />

Hauptstandbein der Neuwerker Bevölkerung ist der<br />

Fremdenverkehr. Die Besucher können sich nicht nur binnendeichs,<br />

sondern auch im zur Schutzzone II gehörenden Nordvorland<br />

frei bewegen. Durch das Ostvorland hingegen, das in<br />

Schutzzone I liegt, führen ausgepflockte Wege, die nicht verlas-<br />

sen werden dürfen (Wegegebot). Trotzdem bleiben jedoch negative<br />

Auswirkungen auf die Brutkolonien im Nordvorland sowie<br />

auf rastende Limikolen und Gänse nicht aus: Kommen Spaziergänger,<br />

ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt, den Nestern zu nahe,<br />

führt dies, je nach Fluchtdistanz der betreffenden Art, dazu, dass<br />

die Elterntiere die Nester fluchtartig für einige Zeit verlassen.<br />

Während dieser Zeitspanne besteht die Gefahr, dass die Eier auskühlen<br />

oder die bereits geschlüpften Küken an Unterkühlung sterben.<br />

Eine weitere Gefahr liegt im Gelegeverlust durch Nesträuber,<br />

wie z. B. die in der Nähe brütenden Lach- und Silbermöwen.<br />

Diese können ein unbewachtes Nest als günstige Gelegenheit<br />

erkennen, die sie für Beutezüge nutzen.<br />

Auch Rastvögel können durch Spaziergänger unbeabsichtigt aufgescheucht<br />

werden. Das Auffliegen verbraucht sehr viel Energie<br />

und verringert so die Fettreserven, die die Vögel für ihren anstrengenden<br />

Weiterzug dringend benötigen. Zusätzlich werden<br />

durch die Störungen die Zeitspannen verkürzt, die den Vögeln zur<br />

Nahrungsaufnahme zur Verfügung stehen.<br />

Das nördliche Vorland wird in den Sommermonaten besonders<br />

von solchen Besuchern durchwandert, die entweder die im<br />

Norden gelegene Badestelle nutzen, oder aber in unmittelbarer<br />

Nähe zur Zone I die Insel verlassen wollen, um auf den Kleinen<br />

Vogelsand zu gelangen. Für beide Routen gibt es keine vorgeschriebenen<br />

Pfade.<br />

Hochwasserschutz<br />

Eine weitere, für den Erhalt der Insel wichtige Nutzung umfasst<br />

den Hochwasserschutz. Im Nordwesten, Norden und Osten des<br />

Vorlandes verläuft ein Sommerdeich mit einer Höhe von etwa<br />

1,5 m über MThw. Weitere Küstenschutzbauwerke sind Buhnen,<br />

Lahnungen, Deckwerke und eine Eichenpfahlwand im Westen<br />

der Insel.<br />

Aufgaben des Hochwasserschutzes sind von den Einschränkungen<br />

des <strong>Nationalpark</strong>-Gesetzes grundsätzlich freigestellt.<br />

Bereits vor Inkrafttreten des <strong>Nationalpark</strong>-Gesetzes wurde<br />

für Deichbauarbeiten Klei aus dem Vorland entnommen. Dies<br />

führte durch Schaffung tiefer Senken zu landschaftlichen Veränderungen<br />

im Relief des Vorlandes<br />

Seit der Einrichtung des <strong>Nationalpark</strong>es werden die Ziele des<br />

Naturschutzes und die Erfordernisse des Hochwasserschutzes<br />

miteinander koordiniert. So erfolgt z.B. die für den Hochwasserschutz<br />

wichtige Entnahme von Soden und Klei aus dem Vorland<br />

in der Weise, dass zugleich alte verschüttete Prielverläufe<br />

wieder regeneriert werden.

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