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Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer

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Insel Neuwerk<br />

42<br />

Die Insel Neuwerk wird zum ersten Mal im Jahre 1286 als “O”schriftlich erwähnt. Nach dem Bau des Wehrturms, dem "Werk", setzt<br />

sich der Name “Nyge Werk” durch, woraus schließlich Neuwerk wurde. Aus dieser Zeit sind bis heute einige Landschaftsbestandteile<br />

erhalten geblieben, die von einer früheren Bewirtschaftung zeugen.<br />

Zeugnisse der historischen Kulturlandschaft<br />

Die Turmwurt und ihre frühe Besiedlung<br />

Das für den Besucher Neuwerks auffälligste historische Zeugnis<br />

der Insel Neuwerk ist der Turm. Er steht seit 1924 unter<br />

Denkmalschutz. Sein Bau wurde 1310 fertiggestellt. Als Leuchtturm<br />

nahm er erst ab Dezember 1814 seinen Dienst auf. Der<br />

Wehrturm wurde auf der damals noch deichlosen Wurt (auch<br />

Hochstelle genannt), der heutigen Turmwurt, errichtet. Die auf<br />

ihnen errichteten Gebäude wurden nur noch bei schweren<br />

Sturmfluten vom Wasser erreicht. Erst 1718 wurde die Turmwurt<br />

von einem Wall umgeben, um nach den schweren Sturmfluten<br />

1717/18 wenigstens eine halbwegs vor hohen Fluten sichere<br />

Stelle auf der Insel zu haben, bevor der in Teilen zerstörte<br />

Hauptdeich wieder geschlossen und weiter erhöht wurde. Heute,<br />

nach Eindeichung der gesamten Insel, hat dieser kleine Deich<br />

jedoch seine Funktion verloren. Die Deichscharte, also die Zufahrt<br />

zum Turmgelände, ist noch heute vorhanden. Der Turm, der<br />

auch als letzter Zufluchtsort bei Sturmfluten diente, wurde damals<br />

als “Nige Werk” oder "Nyge Werk" bezeichnet und damit späterhin<br />

namensgebend für die ganze Insel Neuwerk, die zur damaligen<br />

Zeit “Nige O”, “Nyge O” oder “Nige Ocht” (“Neue Insel”)<br />

genannt wurde.<br />

Auf der Turmwurt befanden sich in früherer Zeit (Ende des 14.<br />

Jhdt. erwähnt) mehrere Neben- und Wirtschaftsgebäude, wie z. B.<br />

ein "Hauberg" (ein vom Erdboden aufgeschichteter Heustapel mit<br />

Strohdach), Viehscheune, Windmühle, Schafstall, Brauanlage<br />

und Brunnen, die nicht bis in die heutige Zeit erhalten geblieben<br />

sind. Die Vogtscheune, die anno 1854 erbaut wurde und heute als<br />

Schullandheim und Natur-Informationszentrum genutzt wird und<br />

die ehemaligen Leuchtturmwärterhäuser, eines ist die heutige<br />

<strong>Nationalpark</strong>station, sind noch heute zu bewundern und stehen<br />

zusammen mit der gesamten Turmwurt seit 1971 unter<br />

Denkmalschutz<br />

Der Süßwasserteich (Soot) auf der Turmwurt wurde vermutlich<br />

schon im 14. oder zu Beginn des 15. Jahrhunderts als Viehtränke<br />

angelegt und hatte die Funktion, das Regenwasser zu sammeln.<br />

<strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong><br />

Im Jahre 1554 wurde er vergrößert und zum Schutz gegen<br />

Hochwasser (Versalzung der Viehtränke) mit einem Wall umgeben,<br />

der noch heute erkennbar ist. Dennoch ist er mehrfach durch<br />

eindringendes Salzwasser unbrauchbar geworden. Heute ist der<br />

Salzeinfluß allerdings nicht mehr meßbar.<br />

Auch der “Friedhof der Namenlosen” ist bis heute erhalten<br />

geblieben und steht unter Denkmalschutz. Er liegt nahe der heutigen<br />

Wattwagenauffahrt. Auf diesem Friedhof wurden die unbekannten<br />

Opfer des Meeres bestattet, die die Wellen hier ans Land<br />

gespült hatten. Ein hohes Holzkreuz, auf Steinen errichtet, bildet<br />

den Mittelpunkt der Begräbnisstätte, die bereits im Frühsommer<br />

1319 von einem Bischof geweiht wurde.<br />

Hochwasserschutz<br />

Zur Hansezeit war die Insel noch nicht eingedeicht. Erst zwischen<br />

1556 und 1559 wurde aus öffentlichen Mitteln des Hamburger<br />

Staates ein Deich erbaut. Damit wurde die Dauerniederlassung<br />

von Familien möglich. Mit der teilweisen Eindeichung der Insel,<br />

die vorher hauptsächlich als Viehweide genutzt wurde, war auch<br />

der Ackerbau möglich geworden.<br />

Die bereits erwähnte sogenannte Weihnachtsflut von 1717 verursachte<br />

große Deichschäden. Der im Nordosten der Insel gelegene<br />

Weiher (Brack) zeugt noch heute von den damaligen Deichschäden<br />

dieser Flut. Nach einem Deichbruch spülte das einströmende<br />

Wasser einen tiefen Kolk aus, der sich mit den damaligen<br />

technischen Mitteln nicht überdeichen ließ. Der Deich wurde seewärts<br />

des Bracks wieder in einer charakteristischen Ausbuchtung<br />

geschlossen, um für den Deich einen standfesten Boden zu<br />

gewährleisten. Auch die zum Schutz der Insel in den Jahren 1795<br />

bis 1797 am südwestlichen Ufer errichtete Eichenpfahlwand ist<br />

als ein historisches Zeugnis anzusehen und in dieser Funktion und<br />

Form an der Nordseeküste wohl einzigartig. Sie wurde 1826 verlängert<br />

und 1934 erneuert. Sie wird heute noch gepflegt, ggf. in<br />

Teilen ersetzt und bleibt ein wesentlicher Bestandteil der<br />

Hochwasserschutzanlage.<br />

Landwirtschaft<br />

Nach der vollendeten Eindeichung wurden drei Vollhöfe als<br />

Siedlungsschwerpunkte geschaffen: Westhof, Mittelhof und<br />

Osthof. Zwischen den drei Hofstellen und dem Turmvogt ist die<br />

Bewirtschaftung des Landes und die Pflicht zur Deichunterhaltung<br />

aufgeteilt worden. Der Osthof wurde später in zwei Halbhöfe<br />

geteilt. Zwei der alten Hofstellen sind heute noch erhalten,<br />

ebenso wie die ehemalige Fischerstelle (siehe Seite 39).<br />

Allerdings sind die ursprünglichen Wurtanlagen heute nicht mehr<br />

erkennbar.<br />

Die binnendeichs in Deichnähe befindlichen, mehr oder weniger<br />

runden, Weiher sind vermutlich bereits in historischer Zeit angelegt<br />

worden. In diesen künstlichen Süßwasserauffangbecken sollte<br />

sich Regenwasser für das Vieh sammeln, ähnlich wie der Soot<br />

auf der Turmwurt. Heute sind einige von ihnen nur noch verschlammte<br />

oder schilfbestandene Tümpel.<br />

Im östlichen Teil der Insel ist, besonders nach starken<br />

Regenfällen, noch heute ein alter Prielverlauf als Senke im<br />

Grünland zu erkennen. Seit der Eindeichung der Insel steht er<br />

nicht mehr in Kontakt zur See. Bei diesem alten Prielverlauf handelt<br />

es sich vermutlich um die Kleibalje, einen von der<br />

Kinderbalje abzweigenden Priel, der von Osten in die Mitte der<br />

Insel führte. Hier soll auch ein Hafen gelegen haben, über den zur<br />

Flutzeit Baumaterialien zur Insel transportiert wurden.<br />

Um die binnendeichs gelegenen Flächen landwirtschaftlich nutzbar<br />

zu machen, wurden sie schon in früher Zeit regelmäßig<br />

begrüppt. Diese parallel verlaufenden Grüppen, flachen Gräben<br />

ähnlich, dienen der Entwässerung der Flächen. Sie sind noch heute<br />

bereichsweise vorhanden.<br />

Seefahrt<br />

Ein bereits seit Mitte des 17. Jahrhunderts regelmäßig begangener<br />

Weg war der “Blüsenpadd”, der noch heute diesen Namen trägt.<br />

Er zweigt nördlich der Turmwurt vom Mittelweg in Richtung<br />

Westen ab und führt dann in Richtung Norden, wo im nördlichen<br />

Außendeichsgelände von 1644 bis 1815 die Blüse stand. Das war<br />

ein auf einem 70 Fuß (ca. 21 Meter) hohes Holzgerüst stehendes<br />

Kupferbecken in dem ein offenes Kohlenfeuer als Seezeichen für<br />

die Schiffahrt brannte. Der Blüsenmeister oder Blüsener, der auf<br />

der Turmwurt wohnte, hatte mit seinen zwei Knechten für die<br />

Unterhaltung des Feuers zu sorgen.<br />

Als “technisch-historische Sachzeugen von besonderer<br />

Bedeutung” werden die Nord- und die Ostbake geführt. Die<br />

Nordbake ist bereits auf Karten von 1650 als “Große Bake”, die<br />

Ostbake seit 1750 als “Klapmützenbake” verzeichnet. Heute<br />

besitzen beide keine Funktion als Seezeichen mehr.

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