Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer
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Insel Neuwerk<br />
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Die Insel Neuwerk wird zum ersten Mal im Jahre 1286 als “O”schriftlich erwähnt. Nach dem Bau des Wehrturms, dem "Werk", setzt<br />
sich der Name “Nyge Werk” durch, woraus schließlich Neuwerk wurde. Aus dieser Zeit sind bis heute einige Landschaftsbestandteile<br />
erhalten geblieben, die von einer früheren Bewirtschaftung zeugen.<br />
Zeugnisse der historischen Kulturlandschaft<br />
Die Turmwurt und ihre frühe Besiedlung<br />
Das für den Besucher Neuwerks auffälligste historische Zeugnis<br />
der Insel Neuwerk ist der Turm. Er steht seit 1924 unter<br />
Denkmalschutz. Sein Bau wurde 1310 fertiggestellt. Als Leuchtturm<br />
nahm er erst ab Dezember 1814 seinen Dienst auf. Der<br />
Wehrturm wurde auf der damals noch deichlosen Wurt (auch<br />
Hochstelle genannt), der heutigen Turmwurt, errichtet. Die auf<br />
ihnen errichteten Gebäude wurden nur noch bei schweren<br />
Sturmfluten vom Wasser erreicht. Erst 1718 wurde die Turmwurt<br />
von einem Wall umgeben, um nach den schweren Sturmfluten<br />
1717/18 wenigstens eine halbwegs vor hohen Fluten sichere<br />
Stelle auf der Insel zu haben, bevor der in Teilen zerstörte<br />
Hauptdeich wieder geschlossen und weiter erhöht wurde. Heute,<br />
nach Eindeichung der gesamten Insel, hat dieser kleine Deich<br />
jedoch seine Funktion verloren. Die Deichscharte, also die Zufahrt<br />
zum Turmgelände, ist noch heute vorhanden. Der Turm, der<br />
auch als letzter Zufluchtsort bei Sturmfluten diente, wurde damals<br />
als “Nige Werk” oder "Nyge Werk" bezeichnet und damit späterhin<br />
namensgebend für die ganze Insel Neuwerk, die zur damaligen<br />
Zeit “Nige O”, “Nyge O” oder “Nige Ocht” (“Neue Insel”)<br />
genannt wurde.<br />
Auf der Turmwurt befanden sich in früherer Zeit (Ende des 14.<br />
Jhdt. erwähnt) mehrere Neben- und Wirtschaftsgebäude, wie z. B.<br />
ein "Hauberg" (ein vom Erdboden aufgeschichteter Heustapel mit<br />
Strohdach), Viehscheune, Windmühle, Schafstall, Brauanlage<br />
und Brunnen, die nicht bis in die heutige Zeit erhalten geblieben<br />
sind. Die Vogtscheune, die anno 1854 erbaut wurde und heute als<br />
Schullandheim und Natur-Informationszentrum genutzt wird und<br />
die ehemaligen Leuchtturmwärterhäuser, eines ist die heutige<br />
<strong>Nationalpark</strong>station, sind noch heute zu bewundern und stehen<br />
zusammen mit der gesamten Turmwurt seit 1971 unter<br />
Denkmalschutz<br />
Der Süßwasserteich (Soot) auf der Turmwurt wurde vermutlich<br />
schon im 14. oder zu Beginn des 15. Jahrhunderts als Viehtränke<br />
angelegt und hatte die Funktion, das Regenwasser zu sammeln.<br />
<strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong><br />
Im Jahre 1554 wurde er vergrößert und zum Schutz gegen<br />
Hochwasser (Versalzung der Viehtränke) mit einem Wall umgeben,<br />
der noch heute erkennbar ist. Dennoch ist er mehrfach durch<br />
eindringendes Salzwasser unbrauchbar geworden. Heute ist der<br />
Salzeinfluß allerdings nicht mehr meßbar.<br />
Auch der “Friedhof der Namenlosen” ist bis heute erhalten<br />
geblieben und steht unter Denkmalschutz. Er liegt nahe der heutigen<br />
Wattwagenauffahrt. Auf diesem Friedhof wurden die unbekannten<br />
Opfer des Meeres bestattet, die die Wellen hier ans Land<br />
gespült hatten. Ein hohes Holzkreuz, auf Steinen errichtet, bildet<br />
den Mittelpunkt der Begräbnisstätte, die bereits im Frühsommer<br />
1319 von einem Bischof geweiht wurde.<br />
Hochwasserschutz<br />
Zur Hansezeit war die Insel noch nicht eingedeicht. Erst zwischen<br />
1556 und 1559 wurde aus öffentlichen Mitteln des Hamburger<br />
Staates ein Deich erbaut. Damit wurde die Dauerniederlassung<br />
von Familien möglich. Mit der teilweisen Eindeichung der Insel,<br />
die vorher hauptsächlich als Viehweide genutzt wurde, war auch<br />
der Ackerbau möglich geworden.<br />
Die bereits erwähnte sogenannte Weihnachtsflut von 1717 verursachte<br />
große Deichschäden. Der im Nordosten der Insel gelegene<br />
Weiher (Brack) zeugt noch heute von den damaligen Deichschäden<br />
dieser Flut. Nach einem Deichbruch spülte das einströmende<br />
Wasser einen tiefen Kolk aus, der sich mit den damaligen<br />
technischen Mitteln nicht überdeichen ließ. Der Deich wurde seewärts<br />
des Bracks wieder in einer charakteristischen Ausbuchtung<br />
geschlossen, um für den Deich einen standfesten Boden zu<br />
gewährleisten. Auch die zum Schutz der Insel in den Jahren 1795<br />
bis 1797 am südwestlichen Ufer errichtete Eichenpfahlwand ist<br />
als ein historisches Zeugnis anzusehen und in dieser Funktion und<br />
Form an der Nordseeküste wohl einzigartig. Sie wurde 1826 verlängert<br />
und 1934 erneuert. Sie wird heute noch gepflegt, ggf. in<br />
Teilen ersetzt und bleibt ein wesentlicher Bestandteil der<br />
Hochwasserschutzanlage.<br />
Landwirtschaft<br />
Nach der vollendeten Eindeichung wurden drei Vollhöfe als<br />
Siedlungsschwerpunkte geschaffen: Westhof, Mittelhof und<br />
Osthof. Zwischen den drei Hofstellen und dem Turmvogt ist die<br />
Bewirtschaftung des Landes und die Pflicht zur Deichunterhaltung<br />
aufgeteilt worden. Der Osthof wurde später in zwei Halbhöfe<br />
geteilt. Zwei der alten Hofstellen sind heute noch erhalten,<br />
ebenso wie die ehemalige Fischerstelle (siehe Seite 39).<br />
Allerdings sind die ursprünglichen Wurtanlagen heute nicht mehr<br />
erkennbar.<br />
Die binnendeichs in Deichnähe befindlichen, mehr oder weniger<br />
runden, Weiher sind vermutlich bereits in historischer Zeit angelegt<br />
worden. In diesen künstlichen Süßwasserauffangbecken sollte<br />
sich Regenwasser für das Vieh sammeln, ähnlich wie der Soot<br />
auf der Turmwurt. Heute sind einige von ihnen nur noch verschlammte<br />
oder schilfbestandene Tümpel.<br />
Im östlichen Teil der Insel ist, besonders nach starken<br />
Regenfällen, noch heute ein alter Prielverlauf als Senke im<br />
Grünland zu erkennen. Seit der Eindeichung der Insel steht er<br />
nicht mehr in Kontakt zur See. Bei diesem alten Prielverlauf handelt<br />
es sich vermutlich um die Kleibalje, einen von der<br />
Kinderbalje abzweigenden Priel, der von Osten in die Mitte der<br />
Insel führte. Hier soll auch ein Hafen gelegen haben, über den zur<br />
Flutzeit Baumaterialien zur Insel transportiert wurden.<br />
Um die binnendeichs gelegenen Flächen landwirtschaftlich nutzbar<br />
zu machen, wurden sie schon in früher Zeit regelmäßig<br />
begrüppt. Diese parallel verlaufenden Grüppen, flachen Gräben<br />
ähnlich, dienen der Entwässerung der Flächen. Sie sind noch heute<br />
bereichsweise vorhanden.<br />
Seefahrt<br />
Ein bereits seit Mitte des 17. Jahrhunderts regelmäßig begangener<br />
Weg war der “Blüsenpadd”, der noch heute diesen Namen trägt.<br />
Er zweigt nördlich der Turmwurt vom Mittelweg in Richtung<br />
Westen ab und führt dann in Richtung Norden, wo im nördlichen<br />
Außendeichsgelände von 1644 bis 1815 die Blüse stand. Das war<br />
ein auf einem 70 Fuß (ca. 21 Meter) hohes Holzgerüst stehendes<br />
Kupferbecken in dem ein offenes Kohlenfeuer als Seezeichen für<br />
die Schiffahrt brannte. Der Blüsenmeister oder Blüsener, der auf<br />
der Turmwurt wohnte, hatte mit seinen zwei Knechten für die<br />
Unterhaltung des Feuers zu sorgen.<br />
Als “technisch-historische Sachzeugen von besonderer<br />
Bedeutung” werden die Nord- und die Ostbake geführt. Die<br />
Nordbake ist bereits auf Karten von 1650 als “Große Bake”, die<br />
Ostbake seit 1750 als “Klapmützenbake” verzeichnet. Heute<br />
besitzen beide keine Funktion als Seezeichen mehr.