Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer
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Insel Scharhörn<br />
86<br />
Die Insel Scharhörn ist seit ihrer Entstehung ein außerordentlich bedeutsamer Brut- und Rastplatz für Tausende von<br />
Seevögeln. Nur wenige Brutvogelkolonien und Rastvogelbestände sind in ihrer Entstehung und Entwicklung so ausführlich<br />
dokumentiert wie die der Vogelschutzinsel am Rande des Elbfahrwassers.<br />
Die Vogelwelt und ihre Entwicklung<br />
Seit 1938 wird die Insel Scharhörn von Vogelwarten betreut, und<br />
seit dieser Zeit liegen daher kontinuierliche Aufzeichnungen der<br />
Brutvogelbestände vor. Lediglich im 2. Weltkrieg, als Scharhörn<br />
Stützpunkt der Flugabwehr war, konnte die Insel von Zivilpersonen<br />
nicht betreten werden. Seit der Ausweisung als Naturschutzgebiet<br />
1939 oblag die Betreuung gemeinsam der<br />
Vogelwarte Helgoland und dem Verein Jordsand. Bis 1975 war<br />
Scharhörn auch Außenstelle der Vogelwarte Helgoland, wobei der<br />
Schwerpunkt in der Beringung (mehr als 25.000 Flussseeschwalben<br />
wurden in dieser Zeit beringt) und Erfassung der<br />
rastenden Vögel lag. Allerdings wurde, dem Zeitgeist und Naturschutzgedanken<br />
der jeweiligen Zeit entsprechend, nicht nur die<br />
Entwicklung der Bestände beobachtet, sondern es wurden auch<br />
z.T. erhebliche Eingriffe in die natürliche Entwicklung einzelner<br />
Kolonien unternommenen. So wurde z.B. versucht, die Ansiedlung<br />
von Möwen durch Gelegezerstörung und Bejagung zu unterdrücken,<br />
andererseits wurden Nisthilfen für Brandenten in die<br />
Dünen eingebracht (von 1950 bis 1969).<br />
Seeschwalben<br />
Schwerpunkt der Beobachtung und besonderer "Stolz der<br />
Vogelwarte" waren von jeher die großen Kolonien der brütenden<br />
Seeschwalben. Fluss- und Küstenseeschwalbe brüten mindestens<br />
seit 1926 bzw. 1949, die Brandseeschwalbe, allerdings mit Unterbrechungen,<br />
seit 1902 und die Zwergseeschwalbe in kleineren<br />
Beständen ebenfalls fast kontinuierlich seit dieser Zeit. Die Standorte<br />
der Kolonien waren, den jeweiligen ökologischen Bedingungen<br />
angepasst, von Jahr zu Jahr recht lagetreu. Brandseeschwalben<br />
brüteten am Westrand der Insel, die Zwergseeschwalbe<br />
am Südostrand, häufig noch außerhalb der Primärdüne<br />
auf dem Strand, in den siebziger Jahren auch in der nur gering<br />
bewachsenen Ostdüne. Die Fluss- und Küstenseeschwalben bilden<br />
gemischte, lockere Kolonien, vornehmlich im Westen der<br />
Insel in den Weißdünen- und Rot-Schwingel-Dünen, aber auch in<br />
den Salzwiesen und Staudenfluren. Die Küstenseeschwalbe stellte<br />
etwa einen Anteil von 10 bis 20% an den bis zu 4000 Brutpaare<br />
umfassenden Mischkolonien mit der Schwesterart.<br />
<strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong><br />
In den achtziger Jahren waren im Mittel fast 5500 Brutpaare der<br />
Seeschwalben auf der Insel versammelt. Das Maximum wurde<br />
1983 mit 8072 Brutpaaren erreicht. Scharhörn stellte zu dieser<br />
Zeit einen der bedeutendsten Brutplätze für Seeschwalben im<br />
gesamten <strong>Wattenmeer</strong> dar. Seit einigen Jahren nehmen die<br />
Seeschwalbenbestände auf Scharhörn jedoch wieder kontinuierlich<br />
ab. In vielen Jahren ist kein nennenswerter Bruterfolg zustande<br />
gekommen. Die Brandseeschwalben haben zuletzt 1998<br />
Scharhörn erfolgreich als Brutplatz genutzt. Im Jahr 2000 haben<br />
sie ihre Gelege vorzeitig aufgegeben.<br />
Pioniere<br />
Ein weiterer Schwerpunkt der Beobachtungen galt den frühen<br />
Besiedlern der Strände, deren Entwicklung zeitgleich mit der<br />
Sukzession der Düneninsel verfolgt werden konnte. So haben<br />
neben den bereits erwähnten Zwergseeschwalben auch<br />
Seeregenpfeifer und Sandregenpfeifer fast in jedem Jahr auf<br />
Scharhörn ihren Nachwuchs aufgezogen. Die Bestände und die<br />
Brutpaare<br />
5000<br />
4000<br />
3000<br />
2000<br />
1000<br />
0<br />
1936<br />
Flussseeschwalben Küstenseeschwalben<br />
1942 1948 1954 1960 1966 1972 1978 1984 1990 1997<br />
Abb. 1: Bestandsentwicklung von Fluss- und Küstenseeschwalbe auf<br />
Scharhörn.<br />
Bruterfolge dieser Arten schwanken sehr stark.<br />
Auch der Austernfischer, der bereits auf dem vegetationsarmen<br />
Scharhörnsand seine Gelege errichtete, gehört zu den Brutvögeln<br />
der "ersten Stunde". Sein Bestand stieg bis in die achtziger Jahre<br />
an und erreichte ein kontinuierlich hohes Niveau von 100 bis 120<br />
Brutpaaren. Seit Mitte dieses Jahrzehnts ist eine Abnahme des<br />
Bestandes zu verzeichnen.<br />
Möwen<br />
Die dritte bedeutende Vogelgruppe auf Scharhörn bilden die<br />
Möwen. Nach der erfolglosen Verhinderung von Ansiedlungsversuchen<br />
der Silbermöwe haben sich inzwischen auch Heringsund<br />
Sturmmöwe auf Scharhörn angesiedelt. Die Brutkolonie der<br />
Lachmöwen ist seit 1996 im Rückgang begriffen.<br />
Das sogenannte "Möwenproblem"<br />
Die vermutete negative Auswirkung der Möwenbestände auf konkurrenzschwächere<br />
Seevogelarten durch Brutplatzverdrängung,<br />
Nahrungskonkurrenz und die Erbeutung von Gelegen und Jungvögeln<br />
führte seit den zwanziger Jahren zur großräumigen Reduzierung<br />
der Silbermöwenbestände durch Gift, Gelegevernichtung<br />
und direkte Bejagung. Kurzfristig konnte damit zwar die<br />
Zunahme der Möwenbestände gebremst werden, nach Einstellung<br />
der bestandsregulierenden Maßnahmen stiegen die Möwenbestände<br />
jedoch immer wieder an. Ein Zusammenhang zwischen<br />
wachsendem Großmöwenbestand und Rückgang anderer Seevögel<br />
konnte jedoch nie bewiesen werden, zumal seit den siebziger<br />
Jahren die Bestandszunahme der Möwenpopulationen synchron<br />
mit Bestandserholungen anderer Seevogelarten verlief.<br />
Auch auf Scharhörn, die traditionell als Vogelschutzinsel insbesondere<br />
für Seeschwalben im Interesse des Naturschutzes stand,<br />
wurden Regulierungsmaßnahmen an Silbermöwen seit ihrer<br />
Ansiedlung durchgeführt. Vor allem die Gelegezerstörung stand<br />
zunächst im Vordergrund, konnte aber eine weitere Ausdehnung<br />
der Kolonien nicht verhindern. Im Verlauf der küstenweiten<br />
Bekämpfungsaktionen konnte die Silbermöwe jedoch vorübergehend<br />
von Scharhörn verdrängt werden. Ende der achtziger Jahre<br />
wurden dann sogar gezielte Bejagungsmaßnahmen auf Scharhörn<br />
durchgeführt.<br />
Wie bereits in anderen Bereichen der Nordseeküste nehmen auf<br />
Scharhörn und Nigehörn derzeit die Bestände der Großmöwen<br />
zu. Während andernorts die Silbermöwenbestände wieder im<br />
Rückgang begriffen sind, ist auf Scharhörn und Nigehörn immer<br />
noch eine Zunahme zu verzeichnen gewesen. Die Einstellung der<br />
Verfolgung hatte für die Silbermöwenpopulation einen deutliche<br />
Anstieg der Brutpaare zur Folge. Vergleichsweise jung sind noch