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Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer

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Insel Scharhörn<br />

78<br />

Die Düneninsel Scharhörn kann seit ihrem jungen Bestehen in den zwanziger Jahren auf eine im wahrsten Sinne des<br />

Wortes stürmische Vergangenheit zurückblicken. Bereits vor mehr als 70 Jahren wurden erste Maßnahmen ergriffen, um die<br />

Insel in ihrer natürliche Entstehung zu unterstützen und sie zu vergrößern.Trotzdem ist Scharhörn ein besonderes Beispiel<br />

dafür geblieben, wie sich eine Watteninsel ohne wesentliche Eingriffe durch den Menschen entwickeln kann.<br />

Die Geschichte der Insel Scharhörn<br />

Die berühmte Untiefe in der äußeren Elbemündung, das<br />

Scharhörnriff, war schon in der Hansezeit ein berüchtigter<br />

Schiffsfriedhof. Bereits frühzeitig wurden deshalb erste<br />

Seezeichen (Tonnen) gesetzt, um die Schifffahrt vor dem Riff zu<br />

warnen und eine sichere Einfahrt in das Elbfahrwasser zu<br />

gewährleisten. 1661 wurde die Scharhörn-Bake als Seezeichen<br />

und zugleich Zuflucht für Schiffbrüchige auf einer Sandbank<br />

errichtet.<br />

Auf den Wattflächen des Scharhörner Watts bildete sich durch<br />

Brandung, Gezeitenströmungen und Windablagerungen eine<br />

große Sandbank, die bereits im 16. Jahrhundert Erwähnung findet.<br />

Erstmalig 1868 wird diese Sandbank, die Scharhörnplate,<br />

kartographisch dargestellt. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich<br />

Lage und Form der Plate beständig verändert, da die exponierte<br />

Lage zur Nordsee starke dynamische Umlagerungsprozesse<br />

bedingt. Andere Autoren vermuten jedoch im Scharhörnsand eine<br />

sehr dauerhafte Erscheinung, die seit etwa 3500 bis 4000 Jahren<br />

an dieser Stelle bestehe.<br />

1926 wurde zum ersten Mal Pflanzenwuchs auf der Sandbank<br />

beobachtet. Waren es zunächst wohl nur Spülsaumgesellschaften<br />

mit Meersenf, Kali-Salzkraut und Salz-Miere, so konnten sich im<br />

Windschatten dieser Spülsäume durch Sandfang erste kleine<br />

Dünen entwickeln (siehe Seite 80).<br />

Der ehemalige Neuwerker Lehrer Heinrich Gechter wollte<br />

damals den hochgelegenen Sand als springflutsicheren Brutplatz<br />

für die von ihm bereits beobachteten Seeschwalben und andere<br />

Seevögel sichern. Durch Zeitungsberichte und Eingaben an den<br />

Hamburger Senat begann das Wasserbauamt Cuxhaven bereits<br />

1927 mit den ersten Arbeiten. Sandfangzäune aus Holz wurden in<br />

großen Parzellen errichtet. Da diese aber nur geringen Erfolg<br />

zeigten, wurden ab 1929 kleinere Felder angelegt und zusätzlich<br />

Netze aus Kokosgarn zum Sandfang gespannt. Jetzt begann man<br />

auch mit ersten Bepflanzungen mit Strandroggen. Wenn auch<br />

Winterstürme zunächst alles zerstörten und nur eine geringfügige<br />

Aufhöhung erreicht wurde, so führte man die Landgewinnungsmaßnahmen<br />

weiter fort. 1930 wurden neue Sandfangzäune<br />

<strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong><br />

errichtet und großflächig Strandgräser gepflanzt, zusätzlich wurde<br />

Strandroggen ausgesät. Die Arbeiten waren so erfolgreich,<br />

dass 1932 bereits Saatgut von der Insel geerntet werden konnte.<br />

Die steigende Bedeutung als Brut- und Rastplatz für Seevögel<br />

führte 1939 zur Ausweisung der Insel als "Vogelfreistätte", deren<br />

Betreuung dem Verein Jordsand und der Vogelwarte Helgoland<br />

übertragen wurde.<br />

Der zweite Weltkrieg brachte gravierenden Veränderungen mit<br />

sich. Während die bis dahin fortgesetzten Dünenschutzmaßnahmen<br />

vernachlässigt wurden, errichtete die Wehrmacht auf der<br />

Insel eine Flakstellung, einen Bunker und sechs Baracken.<br />

Nach dem Krieg nahm man die Landgewinnungsmaßnahmen<br />

wieder auf. Neben dem Pflanzen, Säen und Ernten von Dünenpflanzen<br />

wurden sogar Versuche unternommen, die Insel mit<br />

standortfremden Gehölzen (Grünerlen, Flieder, Weiden) aufzuforsten.<br />

Während der gesamten Aufbauzeit der Insel nagten<br />

Seegang und Stürme an der nordwestlichen Kante, während die<br />

Insel auf der Lee-Seite langsam aufwehte. Verschiedenste Maßnahmen<br />

wurden ergriffen, um den Substanzverlust der Insel aufzuhalten.<br />

Doch weder Abschrägung und Bepflanzung der Westkante<br />

von Hand (1954) oder unter Zuhilfenahme von Planierraupen<br />

(1966) noch das Vorschieben von Sand (1974) erwiesen<br />

sich als geeignet. Die Insel verlagerte sich beständig in südöstliche<br />

Richtung (siehe Abb. 1).<br />

Eine dauerhafte Sicherung der Lage schien nicht möglich zu sein,<br />

so dass die Arbeiten 1975 eingestellt wurden.<br />

In den Folgejahren traten zunächst permanente Flächenverluste<br />

auf, so dass die Sorge bestand, Scharhörn könne als wichtiger<br />

Brutplatz für Seevögel verloren gehen. Dies war einer der Gründe<br />

für die Planungen und Aufspülung der neuen Nachbarinsel<br />

Nigehörn. Dennoch ist Scharhörn bislang nicht untergegangen.<br />

Ganz im Gegenteil, zwischenzeitlich hat sich die Inselfläche wieder<br />

vergrößert.<br />

"Katastrophale" Ereignisse<br />

Die Insel ist in ihrer jungen Geschichte immer wieder von<br />

Katastrophen heimgesucht worden: schwere Sturmfluten wie die<br />

von 1936, 1962 und 1976 haben wiederholt große Teile des<br />

Dünenrings zerschlagen und das Eindringen von Salzwasser ins<br />

Inselinnere ermöglicht. Auch formten Stürme die Dünen in nur<br />

wenigen Tagen gravierend um. Verheerende Brände haben die<br />

gesamte Vegetation der Insel in dem Jahre 1938 sowie mehrfach<br />

zwischen 1950 und 1954 (zur Bekämpfung eingeschleppter<br />

Ratten) vernichtet. Jedes dieser Ereignisse hat seine besonderen<br />

Auswirkungen auf der Insel hinterlassen, bis hin zur fast völligen<br />

Vernichtung der Vegetation. Aufgrund der hohen Dynamik dieses<br />

Ökosystems setzte eine Regeneration im Allgemeinen jedoch<br />

schnell ein.<br />

Bauten auf Scharhörn<br />

Seit den frühen Entstehungsjahren haben im Sommer Menschen<br />

auf der Insel gelebt. Schon 1929 wurde der erste Pfahlbau errichtet,<br />

in dem die Dünenarbeiter wohnten. 1932 kam eine zweite<br />

Baracke hinzu, um den vielen Arbeitern, unter ihnen auch<br />

Arbeiter des Arbeitsdienstes von Neuwerk, sturmflutsichere<br />

Unterkunft gewähren zu können.<br />

Während der Kriegszeit wurden mehrere Gebäude errichtet, von<br />

denen ab 1947 drei durch Treppen verbundene Baracken bestehen<br />

blieben. Hier wohnten gemeinsam mit den Dünenarbeitern auch<br />

die Vogelwarte. Nach dem Brand der Baracken wurde bis 1957<br />

ein Behelfsbau bezogen. Ab 1957 bis 1983 diente ein Pfahlbau<br />

den Vogelwarten als Unterkunft, bis er im Winter 1982/83 durch<br />

schwere Stürme derart in Mitleidenschaft gezogen wurde, dass er<br />

im folgenden Jahr abgerissen werden musste.<br />

1964 wurde im Rahmen der Forschungsarbeiten für den damals<br />

geplanten Tiefwasserhafen das "Hamburger Haus" errichtet, ein<br />

großer Pfahlbau im Zentrum der Insel. Ab 1983 konnten die<br />

Vogelwarte das Gebäude mitbenutzen und wohnten dort während<br />

des Sommers bis 1996.<br />

Im gleichen Jahr wurde ein neuer, moderner Containerbau auf der<br />

Insel im Schutz der mittleren Dünenkette gebaut, der seither den<br />

Vogelwarten als Unterkunft dient. Außerdem ist in dem neuen<br />

Gebäude auch die Windmessanlage untergebracht, die für die<br />

Vorwarnung von Sturmfluten in der deutschen Bucht und<br />

Unterelbe von großer Bedeutung ist.

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