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Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer

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Naturraum <strong>Wattenmeer</strong><br />

12<br />

Priele und Prielströme stellen je nach Tidestand entweder das Flutungs- oder Entwässerungssystem des <strong>Wattenmeer</strong>es dar.<br />

In Abhängigkeit von der Beschaffenheit des Untergrundes, der hydromechanischen und klimatologischen Grundbedingungen<br />

bilden sie sich in unterschiedlicher Formenvielfalt aus und unterliegen zugleich ständigen Veränderungen.<br />

Priele - die Verbindung zwischen Watt und Meer<br />

Das Ökosystem <strong>Wattenmeer</strong> umfaßt, neben den periodisch<br />

trockenfallenden Wattrücken, auch solche Bereiche, die ständig<br />

mit Wasser bedeckt sind. In dieser sogenannten Dauerflutzone, zu<br />

denen auch die Priele und Prielströme gezählt werden, regieren<br />

ganz eigenständige Umweltbedingungen, die diese Lebensräume<br />

deutlich von allen anderen unterscheiden und zu den typischen<br />

marinen Ökosystemen überleiten.<br />

Dabei verleihen vor allem die Ebb- und Flutströme dem <strong>Wattenmeer</strong><br />

seine charakteristische Dynamik und Gestalt. Während der<br />

Ebbe bzw. Flut erreicht das von den Wattflächen ausströmende<br />

bzw. in sie einströmende Wasser hohe Strömungsgeschwindigkeiten,<br />

die einen periodischen Sediment- und Nährstofftransport<br />

hervorrufen. Der Ebbstrom erreicht im allgemeinen eine<br />

größere Strömungsgeschwindigkeit als der Flutstrom.<br />

Die Priele<br />

Als Priele werden Wasserrinnen im Watt, also kleine Wattrinnen,<br />

bezeichnet, die auch zur Niedrigwasserzeit noch mit natürlichem<br />

Gefälle Wasser führen. Im Gegensatz zu den Prielströmen, in die<br />

sie entwässern, sind sie mit weniger als 1 Meter Tiefe meist nur<br />

flach. Priele werden vom Ebbstrom geprägt und daher als Ebbpriele<br />

bezeichnet. Im niedersächsischen Sprachgebrauch werden<br />

diese größeren Priele "Baljen" genannt. Baljen oder Ebbpriele<br />

unterscheiden sich durch ihre ständige Wasserführung von den<br />

Drainageprielen, die während der Ebbe vollständig leerlaufen.<br />

Aufgrund der im <strong>Wattenmeer</strong> durch Tide und Wind ausgelösten<br />

starken Stromkräfte mäandrieren Priele sehr stark und unterliegen<br />

ständigen Veränderungen. In den Kurven bilden sie Prall- und<br />

Gleithänge aus, ähnlich den naturbelassenen Bächen und Flüssen<br />

auf dem Festland. Am Prallhang erfolgt ein Abbruch, am<br />

Gleithang eine Anlagerung von Sedimenten. Dieser Prozeß führt<br />

zu einer Verlagerung des Priels. Im Mischwatt kann die<br />

Prielverlagerung 20 Meter bis 30 Meter pro Jahr betragen, im<br />

Sandwatt sogar bis zu 100 Meter pro Jahr.<br />

Auch der Querschnitt der Priele unterscheidet sich je nach Watt-<br />

Typ. Im Sandwatt gelegene Priele haben ein mehr oder weniger<br />

ebenes Bett ausgebildet, während Schlickwatt-Priele sich ein stei-<br />

<strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong><br />

leres, U-förmiges Profil gegraben haben.<br />

Die Priele sind in ihrem Sohlenbereich durch relativ starke Sedimentbewegung<br />

gekennzeichnet. Es wechseln sandige Abschnitte<br />

mit von Schill dominierten Bereichen ab. Nur in den strömungsberuhigten<br />

Flutbuchten dominieren dagegen feinere Sedimente.<br />

Prielströme<br />

Prielströme sind die Hauptentwässerungsrinnen des Watts. Sie<br />

durchschneiden die Wattflächen von der offenen See her bis zum<br />

Festland und führen ständig - also auch bei Niedrigwasser –<br />

Wasser mit mehr als einem Meter Tiefe. Im Vergleich zu den<br />

Prielen verändern die Prielströme ihre Lage nur langsam.<br />

In den großen Prielströmen können sehr hohe Strömungsgeschwindigkeiten<br />

erreicht werden. So wurden z.B. im nordfriesischen<br />

Prielstrom Norderhever Fließgeschwindigkeiten von bis zu<br />

Abb. 1: Ablaufender Priel zwischen Scharhörn und Neuwerk. Die Ansammlung<br />

der freigespülten Molluskenschalen wird als "Muschelgrab"<br />

bezeichnet. Foto: Janke.<br />

1,4 m/s gemessen. Diese hohen Strömungsgeschwindigkeiten<br />

führen zu großen Umlagerungsraten. Im Sohlenbereich lagern<br />

sich daher vornehmlich gröbere Sedimente ab (Grobsande, Schill<br />

oder Kies). Auf Teilstrecken können auch aus früheren Eiszeiten<br />

stammende grobe Ablagerungen angeschnitten werden, wodurch<br />

Steine und Kies zutage treten.<br />

Im Bereich zwischen den Rinnenabhängen und der MTnw-Linie<br />

befinden sich ständig überflutete (sublitorale) Flächen in unterschiedlicher<br />

Ausdehnung, in denen relativ strukturarme Vertiefungen<br />

ausgeformt sein können. Diese Bereiche werden als<br />

unterseeische Flutbuchten bezeichnet.<br />

Obwohl die Prielströme auch Gemeinsamkeiten mit den großen<br />

Strömen auf dem Festland aufweisen, gibt es zu ihnen auch gravierende<br />

Unterschiede: So wechselt z.B. die Strömungsrichtung<br />

periodisch viermal am Tag (zweimal pro Tideperiode).<br />

Seegats<br />

An den Ausgängen der Prielströme zwischen den Inseln und<br />

Außensänden wird der Strom stark verengt. In diesen Seegats<br />

herrschen sowohl bei Ebbe als auch bei Flut außerordentlich hohe<br />

Strömungsgeschwindigkeiten. Infolgedessen kommt es zur fortlaufenden<br />

Vertiefung der Rinnen, die bis über 35 Meter Tiefe<br />

erreichen können (z.B. im Lister Tief bei Sylt). Im seeseitigen<br />

Mündungsbereich zur offenen See, im sogenannten Ebbdelta,<br />

verringert sich die Strömungsgeschwindigkeit ganz abrupt, so<br />

daß gröbere Sedimente abgelagert werden. Stetig wechselnde<br />

Sedimentationsbedingungen führen zur Ausbildung sehr veränderlicher<br />

Sandbänke und Barren. Der wattseitige Mündungsbereich,<br />

das Flutdelta, ist dagegen weniger stark ausgebildet und<br />

einer wesentlich geringeren Dynamik ausgesetzt.<br />

Senken<br />

Ebenfalls zur Dauerflutzone können mehr oder weniger isolierte<br />

Senken und Vertiefungen auf den Wattflächen gezählt werden.<br />

Hier bleibt das Wasser während der Trockenzeit stehen und bildet<br />

so Wasserinseln. Auch künstliche Vertiefungen, wie etwa<br />

Sandentnahmestellen (z.B. das sogenannte Baggerloch im Osten<br />

Scharhörns), sind zu diesem Biotoptyp zu zählen und häufig tiefer<br />

als natürlich entstandene Senken. In diesen isolierten und z.T.<br />

nur sehr flachen Wasserlöchern herrschen Lebensbedingungen<br />

mit starken Schwankungen. Starker Regen kann den Salzgehalt<br />

deutlich verringern, Sonneneinstrahlung vermag ihn durch<br />

Verdunstung stark zu erhöhen und zugleich die Temperatur deutlich<br />

ansteigen lassen.<br />

Diese vom Wasser zeitweilig abgeschnittenenen Bereiche wirken<br />

als Sammlungsbecken für wasserlebende Organismen, die bei<br />

einsetzendem Niedrigwasser ihren Rückzug in die tieferen Priele<br />

nicht geschafft haben. Da die Organismendichte sich hier kurzfristig<br />

deutlich erhöht, nutzen viele Vögel (Möwen, Seeschwalben)<br />

diese Flächen als Jagdgebiete während der Zeit niedriger<br />

Wasserstände. Die beschriebenen Senken sind meist nur von<br />

begrenzter Dauer. Aufgrund ihrer speziellen hydrologischen<br />

Bedingungen versanden sie innerhalb kurzer Zeit wieder,<br />

während anderenorts neue entstehen.

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