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Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer

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Insel Neuwerk/Binnengroden<br />

58<br />

Nicht nur die unberührte Natur, sondern auch die vom Menschen geschaffenen Kulturlandschaften können wertvolle Lebensräume<br />

für eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt darstellen. Erst in diesen Kulturlandschaften konnten einige Arten geeignete<br />

Lebensbedingungen finden und sich hier dauerhaft ansiedeln. Auch im Binnengroden hat die kleinräumig strukturierte,<br />

von der Landwirtschaft geprägte, Landschaft zu einer reichhaltigen Artenvielfalt in der wirbellosen Tierwelt geführt.<br />

Die wirbellose Tierwelt im Binnengroden<br />

Der Binnengroden von Neuwerk wird überwiegend landwirtschaftlich<br />

genutzt und bietet weithin das Bild einer traditionellen<br />

intakten Kulturlandschaft. Die Nutzungsintensität der binnendeichs<br />

gelegenen Flächen Neuwerks ist im Vergleich zu den landwirtschaftlichen<br />

Flächen auf dem benachbarten Festland vergleichsweise<br />

gering. Ackerbau auf kleinen Schlägen, zweischürig<br />

genutzte Wiesen und relativ dünn besetzte Weiden (ca. 2<br />

Tiere/ha) ohne intensive mineralische Düngung kennzeichnen die<br />

in Teilbereichen extensive Landwirtschaft. Kleine Gehölze,<br />

Gräben und Stillgewässer, blütenreiche Hausgärten und<br />

Wegränder sowie Gartenteiche stellen einen vielfältigen und<br />

abwechslungsreichen Lebensraum für wirbellose Tiere - und hier<br />

insbesondere für die Insekten - dar. Obwohl diese Biotope im<br />

Grunde ausreichende Lebensbedingungen für eine artenreiche<br />

wirbellose Tierwelt bereitstellen, ist das Artenspektrum der<br />

Wirbellosen vergleichsweise gering. Die Insellage Neuwerks<br />

erschwert oder verhindert sogar die Einwanderung von vielen<br />

Tierarten. Größere Arten wie z.B. einige Großlibellen und<br />

Wanderfalter sind in der Lage, im Zuge ihrer Ausbreitungsflüge<br />

die Insel durch aktiven Flug zu erreichen, während die kleineren<br />

Arten mit dem Süd-West-Wind auf die Insel verdriftet, vom Meer<br />

angespült oder im Vogelgefieder transportiert werden können.<br />

Auch die Schiffsverbindung von Cuxhaven nach Neuwerk wird<br />

von manchen Insekten als Passage genutzt, ebenso kann ein<br />

Transport mit den Wattwagen oder Versorgungstraktoren für kleine<br />

und heimliche Arten vermutet werden.<br />

Libellen<br />

Libellen gehören zu den auffälligen und sehr ausbreitungsfreudigen<br />

Insekten. Daher verwundert es, wenn im Gegensatz zu der für<br />

Libellen nicht besiedelbaren Insel Scharhörn, nur sehr vereinzelte<br />

Beobachtungen von Libellen auf Neuwerk vor der Einrichtung<br />

des <strong>Nationalpark</strong>s bekannt waren. Eine systematische Libellenerfassung<br />

an den Binnengewässern Neuwerks im Jahr 1995 zeigte<br />

jedoch, dass ein Arteninventar von sechs Großlibellen- und drei<br />

Kleinlibellenarten dort lebt. Alle beobachteten Arten traten nur in<br />

geringer Häufigkeit auf. Eine Ausnahme bildete die Große Pech-<br />

<strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong><br />

libelle, die in großer Anzahl an allen untersuchten Gewässern<br />

nachgewiesen wurde. Zwei der angetroffenen Arten gelten im<br />

Bundesgebiet als "gefährdete" bzw. "stark gefährdete" Art: die<br />

Gefleckte Heidelibelle, die in vegetationsreichen Kleingewässern<br />

ihren Hauptlebensraum hat und der Spitzenfleck, der im Norden<br />

Deutschlands nur sehr lokal und weit versprengt an Gewässern<br />

mit Röhrichten vorkommt.<br />

Die letzten Überspülungen des Deiches und Versalzungen des<br />

Bodens und der Gewässer liegen weniger als 25 Jahre zurück.<br />

Daher scheint es plausibel, dass die auf Neuwerk vorkommenden<br />

Arten brackwassertolerant sein mußten. So erträgt die Larve der<br />

Großen Pechlibelle einen Salzgehalt von 5 bis 11 ‰ und auch die<br />

Gemeine Binsenjungfer toleriert immerhin noch eine Salinität<br />

von 2 ‰. Von der Großen Königslibelle ist bekannt, dass sie auch<br />

an Meeresstränden vorkommt und die Gemeine Heidelibelle erträgt<br />

bis zu 9,4 ‰. Allerdings zeigte sich entgegen den Erwartungen,<br />

dass im Binnengroden im Erfassungsjahr keine brackigen<br />

Wasserverhältnisse mehr vorlagen (maximal 0,8 ‰ Salzgehalt).<br />

Die Große Pechlibelle und die Hufeisen-Azurjungfer konnten<br />

1995 als bodenständig auf Neuwerk nachgewiesen werden, da<br />

sowohl Paarungen beobachtet als auch Larven dieser Arten<br />

gefunden werden konnten. Auch die Vierflecklibelle und die<br />

Gemeine Heidelibelle wurden bei der Fortpflanzung beobachtet<br />

und könnten somit bodenständig sein.<br />

Heuschrecken<br />

Zu den charakteristischen Artengruppen einer Kulturlandschaft<br />

zählen die Heuschrecken. Viele dieser Arten benötigen als Lebensraum<br />

die von der Landwirtschaft geschaffenen Wiesen,<br />

Weiden und Brachen, andere siedeln gern in Gehölzen, auch um<br />

Häuser und Gehöfte. Einige Arten, wie das Heimchen , haben ihre<br />

Lebensstätte sogar in den Wohnungen und Ställen gefunden.<br />

Eine umfassende Erfassung der Heuschreckenfauna Neuwerks<br />

fand im Jahr 1995 statt. Von den insgesamt 7 auf Neuwerk nachgewiesenen<br />

Arten (siehe Seite 59) war die häufigste Art der<br />

Weißrandige Grashüpfer. Er ist sehr zahlreich und in nahezu allen<br />

Lebensräumen des Neuwerker Binnengrodens zu finden. Der<br />

Braune Grashüpfer dagegen kommt nur sehr vereinzelt vor und<br />

ist fast ausschließlich auf die gering bewachsene und stark<br />

besonnte Deichbefestigung beschränkt.<br />

Die Kurzflügligle Beißschrecke und die Kurzflüglige Schwertschrecke<br />

bleiben in ihrem Vorkommen auf die Begleitflora der<br />

binnendeichs gelegenen Gräben beschränkt. Beide Arten werden<br />

inzwischen als "gefährdet" eingestuft: die Schwertschrecke in der<br />

Roten Liste der Bundesrepublik und die Beißschrecke in der des<br />

deutschen <strong>Wattenmeer</strong>raumes. Der in den letzten Jahren allgemein<br />

verzeichnete starke Bestandsrückgang dieser Arten beruht<br />

auf einem flächendeckenden Lebensraumverlust. Die für sie unverzichtbaren<br />

Feuchtwiesen und vegetationsreichen Gräben fallen<br />

einer immer intensiver betriebenen Landwirtschaft zum Opfer.<br />

Das Große Grüne Heupferd und die Eichenschrecke sind typische<br />

Bewohner der Gebüsche bzw. der Gehölze. Sie haben ihre Hauptvorkommen<br />

auf der gehölzreichen Turmwurt.<br />

Der Gesang des Heimchens konnte mehrere Jahre hindurch regelmäßig<br />

auf einem großen Komposthügel an der Kläranlage vernommen<br />

werden.<br />

Vier der auf Neuwerk vorkommenden Arten sind langflüglig, drei<br />

Arten jedoch kurzflüglig. Dies überrascht deshalb, weil die kurzflügligen<br />

Arten nur über ein eingeschränktes Flugvermögen verfügen<br />

und auf einer Insel wegen der zu überwindenden großen<br />

Entfernung zum Festland hauptsächlich sehr mobile Tiere zu<br />

erwarten sind.<br />

Schmetterlinge<br />

Den weitaus größten Anteil an tagaktiven Großschmetterlingen<br />

stellt die Gruppe der Wanderfalter, zu denen der Distelfalter und<br />

der Admiral zählen. Diese vermögen aufgrund ihrer sehr guten<br />

und ausdauernden Flugfähigkeit die Insel bei ruhigeren Wetterlagen<br />

aktiv anzufliegen. Andere Arten werden durch den Wind<br />

verdriftet oder wurden bei einer "Schiffspassage” nach Neuwerk<br />

beobachtet. Diese "Passagiere” wie z.B. Zitronenfalter und<br />

Kleiner Kohlweißling werden vermutlich durch Abfallbehälter<br />

und Kioske auf dem Schiff angelockt.<br />

Unter den Falterarten auf Neuwerk gibt es nur sehr wenige Arten,<br />

die an bestimmte Lebensräume oder ein sehr eng begrenztes<br />

Spektrum von Futterpflanzen gebunden sind. Die überwiegende<br />

Zahl ist statt dessen wenig spezialisiert und kann daher viele<br />

unterschiedliche Lebensräume und Pflanzen für ihre Ernährung<br />

nutzen. Besonders nektarreiche Blütenpflanzen und Raupenfutterpflanzen<br />

finden die Falter an den blütenreichen Wegrändern,<br />

in den kleineren Ruderalflächen und in manchen Hausgärten.<br />

In diesen Bereichen lassen sich die Falter deshalb auch<br />

besonders häufig beobachten.

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