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Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer

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Insel Scharhörn<br />

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Seit Jahren wird weltweit eine Strand- und Küstenverschmutzung sowie eine erhöhte Verunreinigung des Meeresbodens<br />

entlang der Hauptschifffahrtsstraßen festgestellt. Als Hauptquelle dieser Verschmutzung ist die Schifffahrt anzusehen.<br />

Auch die Deutsche Bucht ist erheblich durch Müll von Schiffen belastet.<br />

Die Müllbelastung im Mündungsbereich der Elbe<br />

Die Müllbelastung der im <strong>Nationalpark</strong> “<strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong>”<br />

gelegenen Insel Scharhörn in unmittelbarer Nähe des<br />

Hauptschifffahrtsweges der Elbe, wurde zum erstem Mal 1980<br />

und im Anschluss daran 1983 und 1989 wissenschaftlich untersucht.<br />

Seit 1991 wird sie jährlich erfasst. Damit liegt eine umfangreiche<br />

Datenreihe über die Vermüllung der Elbemündung<br />

durch die Schifffahrt vor, die Rückschlüsse auf Zu- und Abnahmen<br />

der Belastungen im Mündungsbereich der Elbe zulässt.<br />

Die Müllmengenerfassung<br />

Die angewendete Methode, die Aussagen über Art, Menge und<br />

Herkunft des auf Scharhörn gestrandeten Mülls erlaubt, ist die<br />

Erfassung auf einem repräsentativen, 100 m langen, nach<br />

Nordwesten exponierten Strandabschnitt nach Anzahl der Teile,<br />

Gewicht und Einteilung in acht verschiedene Kategorien (Plastik/<br />

Styropor/Schaumgummi, Papier/Pappe, Metall, Glas/Porzellan,<br />

Fischereigerät, Bekleidung, Nahrungsmittel, Holz).<br />

In der Zeit von Mai bis Oktober werden zwischen 52 und 54<br />

Müllzählungen in dreitägigen Abständen durchgeführt. Dadurch<br />

kann etwa jedes sechste Niedrigwasser erfasst werden. Bei allen<br />

Zählungen handelt es sich um Mindestwerte, da z.B. ein zwischendurch<br />

höher auflaufendes Hochwasser am Strand auch<br />

bereits abgelagerte Müllteile wieder wegspült. Zu berücksichtigen<br />

ist auch, dass natürlich nur schwimmender bzw. treibender<br />

Müll angeschwemmt und damit erfasst werden kann.<br />

Die systematischen Spülsaumkontrollen von Scharhörn wurden<br />

bisher überwiegend in Eigenleistung des Verein Jordsand durchgeführt.<br />

Menge und Zusammensetzung des angespülten Mülls<br />

Der Vergleich der Zusammensetzung des auf Scharhörn angespülten<br />

Mülls der bisher ausgewerteten Jahre von 1980 bis 1995<br />

(Tab. 1) macht folgendes deutlich, dass die Menge der biologisch<br />

schwer abbaubaren Kunststoffe (Plastik, Styropor, Schaumgummi),<br />

die überwiegend als Verpackung aller Art Verwendung<br />

finden, deutlich über 50% liegt und im Jahr 1992 mit 67,6% das<br />

bisherige Maximum erreichte. Dieser hohe Anteil an der Gesamt-<br />

<strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong><br />

menge des angespülten Mülls ist deshalb besonders bemerkenswert,<br />

weil mit Inkrafttreten der Anlage V (Schiffsmüll) des MAR-<br />

POL-Übereinkommens zum 1. Januar 1989 und mit der Erklärung<br />

der Nordsee zum Sondergebiet nach Anlage V zum 18. Februar<br />

1991 eigentlich die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen zur Eindämmung<br />

des Müllproblems (Verbot des Einbringens von Plastikmüll<br />

ins Meer; nur noch erlaubtes Einbringen von Lebensmitteln,<br />

aber nicht näher als 12 Seemeilen von Land) geschaffen wurden.<br />

Weitere Auffälligkeiten sind die Abnahme des Anteils von Glas<br />

und Porzellan von 14,4% im Jahr 1980 auf 2,4% im Jahre 1995<br />

und der verhältnismäßig hohe Anteil der Kategorie “Papier/<br />

Pappe” (Tab. 1). Erklärungen für diese Verschiebungen sind nur<br />

unzureichend. So könnte der Rückgang des Anteils von Glas/<br />

Porzellan auf eine stärkere Verwendung von Mehrwegflaschen<br />

gegenüber Einwegflaschen beruhen, ein verhältnismäßig hoher<br />

Anteil von Papier/Pappe auf eine verstärkte Verwendung von Einwegpappbehältern,<br />

in denen zunehmend die verschiedensten<br />

Flüssigkeiten, bis hin zu Wein, verpackt werden.<br />

Auch auf Scharhörn wurden neben Plastikgebrauchsgegenständen<br />

auch Rohplastikpartikel, sogenannte Pellets, gefunden,<br />

die den Rohstoff bei der Herstellung von Plastikgegenständen<br />

darstellen und vermutlich beim Seetransport über Bord gegangen<br />

sind. Bezogen auf eine Erhebung auf 100 m Strand wurden im<br />

Mittel zwischen 539 (1989) und 884 Rohplastikpartikel (1995)<br />

gezählt. Pellets, als Nahrung von Vögeln aufgenommen, können<br />

den Gesundheitszustand der betroffenen Tiere deutlich verschlechtern.<br />

So treten z.B. Verstopfungen im Magen-Darm-<br />

Bereich auf, die direkte negative Auswirkungen auf das Fressverhalten<br />

haben. Mangelnder Appetit und damit eine zu niedrige<br />

Fressaktivität können bei widrigen Witterungsverhältnis schnell<br />

zum Tod der Tiere führen.<br />

Während der vorgenommenen Müllerfassungen wurde besonders<br />

auf verschlossene Behältnisse mit Inhaltsstoffen geachtet. Im<br />

Jahre 1991 wurden Behältnisse mit insgesamt 11,7 Liter Inhalt<br />

registriert (Tab. 2). Die Identifizierung des Inhaltes erfolgte nach<br />

den Etiketten bzw. Augenschein und Geruch. Dabei stellte sich<br />

heraus, dass zahlreiche Behältnisse gefährliche Substanzen ent-<br />

hielten, die bei einem Aufplatzen der Gefäße sowohl zu zusätzlichen<br />

Belastungen des Strandes als auch zur Gefährdung von<br />

Tieren hätten führen können.<br />

Müll als tödliche Falle für Seevögel<br />

Auf Scharhörn ist, wie in den anderen Bereichen der deutschen<br />

Nordseeküste, in den zurückliegenden Jahren zahlreichen<br />

Seevögeln Schiffsmüll und weggeworfenes oder verloren gegangenes<br />

Fischereigerät zum Verhängnis geworden. In der Zeit von<br />

1989 bis 1997 wurden zahlreiche Vögel als Todesopfer durch<br />

Müll auf Scharhörn gefunden (Tab. 3). Besonders betroffen sind<br />

solche Arten, die sich stoßtauchend ernähren und die treibende<br />

Teile als vermeintlich leichte Beute ausmachen. Es ist deshalb<br />

auch nicht verwunderlich, dass unter den Müllopfern allein sieben<br />

Baßtölpel waren, die auf diese Ernährungsweise hochspezialisiert<br />

sind. Die bislang bekannten Funde machen allerdings auch<br />

deutlich, dass derzeit eine akute Bestandsgefährdung bestimmter<br />

Vogelarten durch die Müllbelastung nicht besteht.<br />

Abb. 1: Strangulierter Baßtölpel, Scharhörn. Foto Baer.<br />

Die bisherigen Ergebnisse zur Erfassung der Müllbelastung unserer<br />

Küsten legen jedoch den Schluss nahe, dass systematische<br />

Spülsaumkontrollen, wie sie seit 1980 auf der Insel Scharhörn<br />

durchgeführt werden, auch zukünftig erforderlich sind, um die<br />

Wirksamkeit der vorhandenen internationalen gesetzlichen<br />

Grundlagen zur Eindämmung der Müllbelastung unserer Küsten<br />

überprüfen zu können.

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