Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer
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Die Watt- und Wasserflächen<br />
106<br />
Die freien Wattflächen, Priele und die auch bei extrem niedrigen Wasserständen vom Meer überspülte Dauerflutzone<br />
machen den mit Abstand größten Bereich des hamburgischen <strong>Wattenmeer</strong>es aus. Abgesehen von den viel kleineren naturnahen<br />
Salzwiesen-, Spülsaum- und Dünenbereichen stellen sie die für den Naturhaushalt und Naturschutz besonders wertvollen<br />
Flächen dar. In der Folge der besonders starken Dynamik ihrer Naturkräfte haben sich solche Lebensgemeinschaften<br />
gebildet, die sich durch eine vergleichsweise geringe Formenvielfalt und zugleich eine hohe Besiedlungsdichte auszeichnen.<br />
Die Lebensgemeinschaften der Wattflächen<br />
und Priele<br />
Die im Vergleich zu vielen anderen Wattflächen in Niedersachsen<br />
oder Schleswig-Holstein besondere Kombination aus einer geringer<br />
Artendichte und hoher Siedlungsdichte hat im wesentlichen<br />
drei Ursachen:<br />
• Der vergleichsweise geringe Salzgehalt in der Elbe-Mündung<br />
erlaubt nur wenigen Meerestieren überhaupt eine<br />
dauerhafte Ansiedlung.<br />
• Die dauerhafte Ansiedlung wird durch hohe Strömungsge-<br />
schwindigkeiten und damit verbundene Sedimentumlagerungen<br />
des Bodens erschwert.<br />
• Diejenigen Arten, deren Anpassungsmechanismen eine<br />
dauerhafte Besiedlung erlauben, nutzen den hohen Nährgehalt,<br />
den Elbe und Weser in die deutsche Bucht eintragen,<br />
für eine hohe Besiedlungsdichte und Produktionskraft.<br />
Die Lebensgemeinschaft der freien Wattflächen<br />
Die Besiedlungsstruktur und Dynamik der Lebensgemeinschaften<br />
in und auf den Wattflächen des hamburgischen <strong>Wattenmeer</strong>es<br />
ist bislang nur in Einzeluntersuchungen beschrieben worden.<br />
Systematisch erhobene Erkenntnisse sollen deshalb durch<br />
das im Jahr 2000 begonnene Umweltbeobachtungsprogramm<br />
(siehe Seite 132) gewonnen werden.<br />
Die Tierwelt besteht im Wesentlichen sowohl hinsichtlich ihres<br />
Artenspektrums als auch ihrer Besiedlungsdichte aus Weichtieren<br />
und Borstenwürmern.<br />
Die auffälligste auf dem Wattboden siedelnde Lebensform des<br />
hamburgischen <strong>Wattenmeer</strong>es ist die Miesmuschel, die allerdings<br />
meist nur kurzzeitig und in vergleichsweise geringer Dichte an<br />
solchen Stellen auftritt, die eine Ansiedlung an eine zumindest<br />
vorübergehende feste Unterlage (z.B. leere Muschelschalen,<br />
Schill, Holz oder andere angespülte feste Teile) erlaubt. Bei den<br />
jüngsten Untersuchungen konzentrierte sich ihr Vorkommen rund<br />
um die Insel Neuwerk. Die für die Lebensgemeinschaften des<br />
<strong>Wattenmeer</strong>es typischen großen und über viele Jahre wachsenden<br />
<strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong><br />
Miesmuschelbänke einschließlich einer artenreichen Folgebesiedlung<br />
durch andere Arten treten im hamburgischen<br />
<strong>Wattenmeer</strong> nur im Ausnahmefall auf. Meist werden die jungen<br />
Ansiedlungen durch winterliche Stürme frühzeitig abgeräumt.<br />
Kommt es jedoch zu einer dauerhaften Ansiedlung, so lassen sich<br />
auf der Oberfläche der Muschelschalen zusätzlich Strandschnecken<br />
sowie vereinzelt auch Käferschnecken, Seepocken,<br />
und je nach jahreszeitlicher Entstehung auch der Blasentang nieder.<br />
Außerdem nutzen Strandkrabben die Zwischenräumen der<br />
Muschelansammlungen als Rückzugsgebiet. Schlickige Wattoberflächen<br />
- insbesondere im Schutz der Insel Neuwerk - werden<br />
von der Wattschnecke mit einer Dichte von über 20.000<br />
Tieren/m 2 besiedelt.<br />
Die Tierwelt im Wattboden lässt sich weithin durch die an der<br />
Sedimentoberfläche auftretenden Spuren ausmachen, die ganz<br />
überwiegend von der sesshaften Lebensweise verschiedener<br />
Abb. 1: Auf der Oberfläche der Miesmuschelschalen haben sich<br />
Seepocken und Blasentang angesiedelt. Foto Janke.<br />
Arten von Borstenwürmern herrühren. Die mittel- bis grobkörnigen<br />
Bereiche werden von der Charakterart dieses Lebensraums,<br />
dem Watt- oder Pierwurm, in ihrem Erscheinen geprägt. Er fehlt<br />
jedoch auf den hohen Sanden der Scharhörnplate, Teilen der<br />
Wittsande und am Rande des Elbfahrwassers sowie in den wenigen<br />
sehr schlickigen Bereichen im Osten der Insel Neuwerks.<br />
Eine ähnlich weite Verbreitung ist auch von weiteren ortstreu<br />
lebenden und zum Teil auch röhrenbildenden Borstenwürmern<br />
anzunehmen wie z.B. von den Gruppen der unscheinbaren<br />
Spionidae oder Capitellidae. Auch die frei lebende Borstenwurmarten<br />
sind im hamburgischen <strong>Wattenmeer</strong> häufig vertreten.<br />
Hierzu gehört insbesondere die Gruppe der Seeringelwürmer<br />
(Nereidae) und Blattfußwürmer (Phyllodocidae). Dagegen zeichnet<br />
sich das Vorkommen des auffälligen Bäumchenröhrenwurms<br />
durch das Auftreten in streng begrenzten Arealen aus.<br />
Die Leitform der besonders schlickigen Bereiche bildet der<br />
Kotpillenwurm, im Übergang zum Mischwatt tritt er auch<br />
gemeinsam mit dem Wattwurm auf.<br />
Abb. 2: Die Kotsandhaufen des<br />
Wattwurms prägen das Bild weiter<br />
Bereiche der Wattoberflächen.<br />
Foto Janke.<br />
Anders als bei den Borstenwürmern<br />
besiedeln nur<br />
wenige Formen der Weichtiere<br />
den Boden. Eine weite<br />
Verbreitung ist zunächst für<br />
die Sandklaffmuschel, die<br />
Gewöhnliche Herzmuschel<br />
und die Baltische Plattmuschel<br />
nachgewiesen worden.<br />
Das dichte Auftreten<br />
der Sandklaffmuschel wird<br />
insbesondere dann deutlich,<br />
wenn umfangreiche Sedimentumlagerungen<br />
die bis<br />
zu 40 cm tief im Boden siedelnden<br />
Tiere freigespült<br />
werden. Da die erwachsenen<br />
Muscheln den muskulösen<br />
Fuß zurückbilden, können<br />
sie sich nicht wieder eingraben<br />
und sterben deshalb in<br />
großer Zahl an der Wattoberfläche ab. Die übrig bleibenden<br />
Schalenansammlungen werden als "Muschelgräber" bezeichnet.<br />
Die umfangreichste Verbreitung findet nach den jüngeren Untersuchungen<br />
die dicht unterhalb der Oberfläche und zeitlebens<br />
beweglich bleibende Gewöhnliche Herzmuschel, die nur auf den<br />
höheren Platenbereichen und an einigen Prielrändern (z.B. am