Abb. 2: Blühende Strand-Platterbse in der Weißdünenvegtation von Scharhörn. Foto Janke. Flächengröße (ha) 25 20 15 10 5 0 1935 1953 1958 1973 1983 1992 1997 Abb. 3: Veränderung der Fläche Scharhörns zwischen 1935 und 1997. 1953 1958 1973 1983 100 0 200 m 1992 Abb. 1: Die Verlagerung der Insel Scharhörn . <strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong> 81
Insel Scharhörn 82 Herbst-Löwenzahn und das Gänse-Fingerkraut einzelne Farbtupfer setzen. Andere Charakterarten der Salzwiesenvegetation wie z.B. Strandflieder oder Strand-Aster treten auf Scharhörn derzeit nicht auf. Die Salzwiesen sind aufgrund seltener Überflutung und niederschlagsbedingter Aussüßung brackwasserbeeinflusst. Die etwas höheren Bereiche der Senken, ja sogar Randbereiche der Dünenkämme, sind überwiegend mit stickstoffliebenden Hochstaudenfluren bestanden. Vermutlich durch immer wiederkehrenden Eintrag von Angespül (organisches Material) sowie reichhaltige Nährstoffversorgung durch Vogelkot konnten sich dichte Bestände aus Geruchloser Kamille, Gewöhnlichem Beifuß und Acker-Gänsedistel bilden und in die Röhrichte aus Schilf und Strandsimse und auch Strand-Quecke und Strandroggen hineinwachsen. Folgen der Inseldynamik für die Vegetation Scharhörn wird seit Beginn der neunziger Jahre nur noch von den Kräften der Natur geformt und gibt daher einen guten Einblick in die Dynamik der Wattenlandschaft. Erosion an der wasser- und windexponierten Nord- und Westseite, Sedimentation an der Südostseite haben in der 70jährigen Geschichte der Insel bereits zu einer deutlichen Lageveränderung geführt. Von der Insel, wie sie für 1935 belegt ist, sind heute keine Reste mehr vorhanden, von der Lage um 1953 zeugt nur noch der nordwestliche Rand mit einem alten Dünenkomplex, der "Hüttendüne", die Anfang der 50er Jahre aufgeweht wurde. Diese, für Scharhörner Verhältnisse, alte Düne ist dicht mit Rosen bestanden, die aber durch die fortwährende Erosion direkt an die Abbruchkante gelangt sind und nacheinander abrutschen. Die heruntergestürzten Sandmassen werden im Sommer von Strandroggen und Quecken wieder durchwachsen und, falls keine starken Stürme im Winter eintreten, auch bis ins nächste Jahr stabilisiert. Sie verwehren normalen Hochwässern den Zutritt in das Innere der Insel. Die inmitten der Düne liegende Hauptdüne ist 1970/71 aufgeweht worden. Flächengröße Die Flächengröße der Insel war immer abhängig von den Witterungsbedingungen und von der Intensität der Dünenschutzmaßnahmen. Während in den ersten Jahren starke Fluten wieder große Teile der gerade befestigten Insel wegspülten, waren nach dem Aufwachsen der Insel über den Flutbereich insbesondere die Sedimentationsverhältnisse ausschlaggebend. Nach 1935 war die Flächenbilanz beständig positiv, zwischen 1973 und 1983 verlor die Insel jedoch nahezu ein Drittel ihrer Fläche. 1997 erreichte die Insel eine Größe von über 20 ha. In den letzten <strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong> Jahren war die Sedimentation im Südosten größer als die relativ geringfügige Erosion im Nordwesten. Eventuell machen sich auch die letzten Sandvorspülungen Anfang dieses Jahrzehnts bemerkbar, die eine gute Sandnachlieferung bewirkten. Wandel der Vegetation Die Vegetation der Insel ist durch Untersuchungen in den 1950er und 1980er Jahren und in neuester Zeit bearbeitet worden, so dass auch über Veränderungen der Vegetation und der Flora umfangreiche Kenntnisse vorliegen. Dabei hat sich gezeigt, dass seit den fünfziger Jahren im wesentlichen sehr ähnliche Vegetationseinheiten bestehen. Lediglich ihre Lage und Ausdehnung ist abhängig von den jeweils herrschenden Sedimentations- und Erosionsbedingungen. Tertiärdünen und ausgeprägte Graudünen konnten bislang nicht auf der Insel entstehen. Dazu ist sie einfach zu jung. Bodenbildungsprozesse, die auf Dauer erst die Grundlage für Nährstoff- und Wasserversorgung der Gehölze liefern, brauchen Zeit. Soviel Zeit steht aber auf Scharhörn nicht zur Verfügung. Die ältesten Dünenbereiche sind hier weniger als 50 Jahre alt, und ehe es zu einer weiteren Dünen-Alterung kommen kann, werden diese Bereiche wieder vom Meer fortgespült. Andererseits haben sich Veränderungen in der Zusammensetzung der Pflanzengemeinschaften eingestellt. Während seit ihrem Bestehen über 220 Pflanzenarten auf der Insel nachgewiesen werden konnten, sind aktuell lediglich etwa 120 Arten regelmäßig auf der Insel zu finden. Dies zeigt, wie groß die Besiedlungsmöglichkeit einerseits ist, wie wenige Arten aber andererseits unter den extremen Bedingungen dort zu leben vermögen. Abb. 4: Spülsaumgesellschaften an der Westseite Scharhörns mit Meeresenf (1996). Foto Janke. Weitere Entwicklung Scharhörns Die häufig geäußerte Vermutungen, dass die Insel in absehbarer Zeit vollständig zerschlagen würde, ist anhand der jüngsten Entwicklung ebenso wenig zu belegen wie eine mögliche weitere Flächenzunahme. Wie sich die vorhergesagte Meeresspiegelerhöhung oder der Anstieg des mittleren Tidenhubs auf Scharhörn auswirken wird, ist nicht abzusehen. Zwar könnten sich dadurch die erosiven Kräfte an der Nordkante deutlich verstärken, andererseits können Dünenbildungsprozesse hierdurch gefördert werden. Stetiger Wandel ist die Norm in einem derartig dynamischen System wie dem <strong>Wattenmeer</strong>. Veränderung ist das Merkmal der Wattenlandschaft, und die Insel Scharhörn ist charakteristisches Zeichen des Wandels. Nur kurzfristige Konstanz von Lebensräumen und Besiedlungsmustern sind eng gekoppelt mit räumlicher Variabilität, so dass die zeitliche Abfolge der Dünenbildung, die Sukzession, sogar bei einem Rundgang um die Insel deutlich werden kann. Auf- und Abbau, Umgestaltung, Einwanderung und Abwanderung von Pflanzen- und Tierarten sind normale Veränderungen. Auch besonders seltene und schutzbedürftige Tier- Abb. 5: Steiler Dünenhang im Norden Scharhörns. Foto Janke (1996). und Pflanzenarten können von diesem Wandel betroffen werden und Scharhörn verlassen. Dafür werden sie sich an anderer geeigneter Stelle im <strong>Wattenmeer</strong> niederlassen. Dies setzt allerdings voraus, dass auch genügend Bereiche vorhanden sind, in denen sich selbst gestaltende, dynamische Prozesse stattfinden können. Dynamische Inseln sind durch die weitgehende Küstenfestlegung im gesamten <strong>Wattenmeer</strong> selten geworden. Gerade ihre frühen Stadien sind auf Scharhörn gut zu erkennen. Die weitere Entwicklung der Insel und ihrer Dünen ist daher von großem Wert für die Wissenschaft.