Abb. 7: Zur typischen Dünenvegetation Scharhörns gehört auch der Scharfe Mauerpfeffer. Foto Janke. Abb. 6:. Lebensräume der Insel Scharhörn (Stand 1997). Brackwasser-Röhricht Graudüne Nährstoffreiche Hochstaudenflur Primärdüne Queller-Soden-Flur Rot-Schwingel-Düne Salzwiese Spülsaum Trittflur Weißdüne Wuchsorte der Kartoffelrose Gebäude/Anlage 10 0 150 m Abb. 8: Blick auf die Dünenvegetation von Scharhörn vom "Hamburger Haus" aus (Juli 1996). Foto Janke. <strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong> 83
Insel Scharhörn 84 Inseln sind für Insekten aufgrund ihrer relativ geringen Mobilität nur schwer zu erreichen. Daher ist die Artenvielfalt dort zumeist deutlich geringer als auf dem benachbarten Festland. Auch die Insektenwelt der 15 km vom Festland entfernt liegenden Düneninseln Scharhörn und Nigehörn weist eine relativ geringe Artenvielfalt auf. Die Insektenwelt der Inseln Scharhörn und Nigehörn Insekten können sowohl aktiv als auch passiv neue Standorte erreichen und sich in die Umgebung ausbreiten. So können die relativ großen Arten unter ihnen wie z.B. die Vierflecklibelle und der Wanderfalter, wie beispielsweise der Großer und Kleiner Kohlweißling, der Raps-Weißling, das Tagpfauenauge und die Gammaeule, die Düneninseln aktiv anfliegen. Von allen Arten ist bekannt, dass sie jährliche Wanderungen und Ausbreitungsflüge durchführen. Kleinere Arten können von einer südöstlichen Windströmung vom Festland auf die Inseln verdriftet werden. Auch eine passive Anreise im Gefieder der Vögel, sowie durch das Anschwemmen mit dem Treibgut sind möglich. So kann man bei einer genauen Untersuchung des Angespüls leicht fündig werden und große Mengen verschiedener Käfer und anderer robuster Insektenordnungen finden. Insbesondere auf Nigehörn sind mit dem von Scharhörn stammenden Pflanzenmaterial einige kleinere Arten, wie z.B. Zikaden eingeschleppt worden. Besonders unter den Nachtfaltern kann es sog. Irrgäste auf den Inseln geben, die durch Lichtquellen wie die Befeuerung der Elbmündung und den Schiffsverkehr angelockt werden. Nur wenige der schließlich die Inseln erreichenden Arten sind in der Lage, ihren gesamten Lebenszyklus auf der Insel zu vollziehen und sich dort fortzupflanzen, also bodenständig zu werden. Zumeist fehlen einige wichtige Teile ihres natürlichen Lebensraumes wie bestimmte Wirtspflanzen für Eier und Larven oder Nahrungspflanzen und anderes. Dennoch sind die Düneninseln durch ihre besondere Biotopstruktur ein bedeutsamer Lebensraum für einige spezialisierte Insektenarten, die offene Sandflächen, Trockenheit und Wärme während ihres Lebenszyklus benötigen. Beispielsweise tritt die Laufkäferart Calathus ochropterus nur in naturnahen Dünen mit großer Stetigkeit auf und viele Schmetterlinge, Hautflügler und Spinnentiere sind auf diese, inzwischen selten gewordenen, Lebensräume angewiesen. <strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong> Gras- und Staudenvegetation Scharhörn und Nigehörn weisen eine Vielzahl verschiederner Lebensräume auf, die nach der Vegetationsstruktur und der in ihnen herrschenden Umweltbedingungen differenziert werden können. Große Bereiche des Inselkerns von Scharhörn sind mit dichter Gras- und Staudenvegetation bewachsen. Dicht geschlossene, an Rotschwingel reiche Weißdünen, Salzwiesen, Röhrichte und Staudenfluren bieten ähnliche Lebensbedingungen, wie sie auch in Wiesen und Röhrichten im Binnenland auftreten. So sind in diesen Vegetationsstrukturen nur wenige spezialisierte Insektenarten zu finden. Allgemein verbreitete Arten, wie z.B. der Laufkäfer Harpalus rufipes oder das Große Grüne Heupferd, eine Heuschreckenart, sind hier häufigere Arten. Ein ähnliches Bild zeigen der äußere Dünenring und die grasreichen, durch Vogelkot gedüngten Magerrasen von Nigehörn. Lediglich Röhrichte und Staudenfluren konnten sich auf der jungen Insel noch nicht entwickeln. Lückige Magerrasen Lückige Magerrasen mit Flechten und Moosen, in denen immer wieder offene Sandbereiche eingestreut sind, finden sich sowohl auf Scharhörn als auch auf Nigehörn. Auf solchen Flächen, die auf Scharhörn den Graudünen entsprechen, auf Nigehörn hingegen durch die Ansaat begründet wurden, leben vor allem lichtund wärmeliebende Arten wie z.B. der Laufkäfer Amara aena und der Kleine Feuerfalter, von dem hier mehrfach auch Raupen gefunden wurden. Weißdünen Charakteristisch für beide Inseln sind Weißdünen mit offenem Sand. Diese jungen Dünen werden durch bewegte Dünensände mit mehr oder weniger dichtem Bewuchs durch die typischen Dünengräser Strandhafer und Strandroggen gekennzeichnet, in denen es bereits innerhalb weniger Stunden zu erheblichen Sandumlagerungen kommen kann. Typisch für den Lebensraum Weißdüne ist der Eulenfalter Chortodes elymi, der sowohl auf Scharhörn als auch auf Nigehörn festgestellt wurde. Diese unscheinbare Art lebt ausschließlich an Strandroggen und ist daher eng an die Küstenlebensräume der Nord- und Ostsee gebunden. Sowohl Scharhörn als auch Nigehörn haben im Südosten einen sogenannten Steert ausgebildet, der, ebenso wie die östlich angelagerten Haken, Primärdünenvegetation auf feuchtem, offenem Sand aufweist. Diese Flächen werden von starken Hochwässern erreicht. Für diesen Lebensraum sind Laufkäferarten der Gattung Dyschirius typisch. Auch in der Inselmitte Nigehörns, in Stauwassersenken, sind offene, feuchte Sande anzutreffen. Andere ökologische Bedingungen herrschen auf vegetationslosen Flächen mit offenem Sand. Lediglich Nigehörn besitzt noch solche Biotope, die durch Ausblasungen entstanden sind. Diese Strukturen sind im Laufe der Sukzession auf Scharhörn verlorengegangen. Trockenheits- und wärmeliebende Arten wie z.B. der hauptsächlich im Küstenbereich vorkommende Laufkäfer Amara quenseli, bevorzugen diesen Lebensraum. Auf der "Roten Liste" der gefährdeten Laufkäfer ist die genannte Art bereits als stark gefährdet eingestuft. Umfangreiche Gehölzstrukturen, wie sie für alte Dünen (Tertiärdünen) charakteristisch sind, kommen aufgrund des relativ geringen Alters beider Inseln nicht vor. Daher finden gehölzbewohnende Tierarten hier keinen Lebensraum. Lediglich auf Scharhörn haben sich einige kleinere Rosenbestände aus der allgemein weit verbreiteten Kartoffelrose etabliert. Die Lebensräume und ihre Besiedlung im Vergleich Am Beispiel der verschiedenen Eulenfalter-Arten Scharhörns kann die Bevorzugung bestimmter Lebensräume aufgezeigt werden. Etwa 20% der Arten bevorzugen die offenen, trockenen Lebensräume. Aufgrund der Seltenheit dieser Extrembiotope sind viele der an diese Lebensbedingungen angepaßten Arten inzwischen in ihrem Bestand gefährdet und werden auf den "Roten Listen" geführt. Fast die Hälfte aller gefundenen Eulenfalterarten können als bodenständig angenommen werden, d.h. sie können alle Stadien ihrer Entwicklung auf Scharhörn durchlaufen und sich dort auch fortpflanzen. Auch für viele andere Insektengruppen werden ähnliche Verhältnisse vermutet, doch sind bislang zu wenig grundlegende Untersuchungen durchgeführt worden. Detaillierte Untersuchungen zum Artenbestand der Insekten auf Nigehörn liegen bislang noch nicht vor. Bei vergleichenden Untersuchungen zur Nachtfalter- und Kleinschmetterlingsfauna von Scharhörn und Nigehörn wurde aber bereits bei einer Erfassung Ende Juni 1997 ein Anteil von etwa zwei Drittel der Arten Scharhörns auch auf Nigehörn gefunden, die dort als bodenständig gelten dürfen. Die Besiedlung Nigehörns mit charakteristischen Insektenarten scheint damit schon weit fortgeschritten zu sein.