30.01.2013 Aufrufe

Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer

Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer

Nationalpark-Atlas Hamburgisches Wattenmeer

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Insel Scharhörn<br />

84<br />

Inseln sind für Insekten aufgrund ihrer relativ geringen Mobilität nur schwer zu erreichen. Daher ist die Artenvielfalt dort<br />

zumeist deutlich geringer als auf dem benachbarten Festland. Auch die Insektenwelt der 15 km vom Festland entfernt liegenden<br />

Düneninseln Scharhörn und Nigehörn weist eine relativ geringe Artenvielfalt auf.<br />

Die Insektenwelt der Inseln Scharhörn und Nigehörn<br />

Insekten können sowohl aktiv als auch passiv neue Standorte<br />

erreichen und sich in die Umgebung ausbreiten.<br />

So können die relativ großen Arten unter ihnen wie z.B. die Vierflecklibelle<br />

und der Wanderfalter, wie beispielsweise der Großer<br />

und Kleiner Kohlweißling, der Raps-Weißling, das Tagpfauenauge<br />

und die Gammaeule, die Düneninseln aktiv anfliegen. Von<br />

allen Arten ist bekannt, dass sie jährliche Wanderungen und Ausbreitungsflüge<br />

durchführen.<br />

Kleinere Arten können von einer südöstlichen Windströmung<br />

vom Festland auf die Inseln verdriftet werden. Auch eine passive<br />

Anreise im Gefieder der Vögel, sowie durch das Anschwemmen<br />

mit dem Treibgut sind möglich. So kann man bei einer genauen<br />

Untersuchung des Angespüls leicht fündig werden und große<br />

Mengen verschiedener Käfer und anderer robuster Insektenordnungen<br />

finden. Insbesondere auf Nigehörn sind mit dem von<br />

Scharhörn stammenden Pflanzenmaterial einige kleinere Arten,<br />

wie z.B. Zikaden eingeschleppt worden. Besonders unter den<br />

Nachtfaltern kann es sog. Irrgäste auf den Inseln geben, die durch<br />

Lichtquellen wie die Befeuerung der Elbmündung und den<br />

Schiffsverkehr angelockt werden.<br />

Nur wenige der schließlich die Inseln erreichenden Arten sind in<br />

der Lage, ihren gesamten Lebenszyklus auf der Insel zu vollziehen<br />

und sich dort fortzupflanzen, also bodenständig zu werden.<br />

Zumeist fehlen einige wichtige Teile ihres natürlichen Lebensraumes<br />

wie bestimmte Wirtspflanzen für Eier und Larven oder<br />

Nahrungspflanzen und anderes.<br />

Dennoch sind die Düneninseln durch ihre besondere Biotopstruktur<br />

ein bedeutsamer Lebensraum für einige spezialisierte Insektenarten,<br />

die offene Sandflächen, Trockenheit und Wärme<br />

während ihres Lebenszyklus benötigen. Beispielsweise tritt die<br />

Laufkäferart Calathus ochropterus nur in naturnahen Dünen mit<br />

großer Stetigkeit auf und viele Schmetterlinge, Hautflügler und<br />

Spinnentiere sind auf diese, inzwischen selten gewordenen,<br />

Lebensräume angewiesen.<br />

<strong>Nationalpark</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>Hamburgisches</strong> <strong>Wattenmeer</strong><br />

Gras- und Staudenvegetation<br />

Scharhörn und Nigehörn weisen eine Vielzahl verschiederner Lebensräume<br />

auf, die nach der Vegetationsstruktur und der in ihnen<br />

herrschenden Umweltbedingungen differenziert werden können.<br />

Große Bereiche des Inselkerns von Scharhörn sind mit dichter<br />

Gras- und Staudenvegetation bewachsen. Dicht geschlossene, an<br />

Rotschwingel reiche Weißdünen, Salzwiesen, Röhrichte und Staudenfluren<br />

bieten ähnliche Lebensbedingungen, wie sie auch in<br />

Wiesen und Röhrichten im Binnenland auftreten. So sind in diesen<br />

Vegetationsstrukturen nur wenige spezialisierte Insektenarten zu<br />

finden. Allgemein verbreitete Arten, wie z.B. der Laufkäfer<br />

Harpalus rufipes oder das Große Grüne Heupferd, eine Heuschreckenart,<br />

sind hier häufigere Arten. Ein ähnliches Bild zeigen<br />

der äußere Dünenring und die grasreichen, durch Vogelkot gedüngten<br />

Magerrasen von Nigehörn. Lediglich Röhrichte und Staudenfluren<br />

konnten sich auf der jungen Insel noch nicht entwickeln.<br />

Lückige Magerrasen<br />

Lückige Magerrasen mit Flechten und Moosen, in denen immer<br />

wieder offene Sandbereiche eingestreut sind, finden sich sowohl<br />

auf Scharhörn als auch auf Nigehörn. Auf solchen Flächen, die<br />

auf Scharhörn den Graudünen entsprechen, auf Nigehörn hingegen<br />

durch die Ansaat begründet wurden, leben vor allem lichtund<br />

wärmeliebende Arten wie z.B. der Laufkäfer Amara aena<br />

und der Kleine Feuerfalter, von dem hier mehrfach auch Raupen<br />

gefunden wurden.<br />

Weißdünen<br />

Charakteristisch für beide Inseln sind Weißdünen mit offenem<br />

Sand. Diese jungen Dünen werden durch bewegte Dünensände mit<br />

mehr oder weniger dichtem Bewuchs durch die typischen<br />

Dünengräser Strandhafer und Strandroggen gekennzeichnet, in<br />

denen es bereits innerhalb weniger Stunden zu erheblichen Sandumlagerungen<br />

kommen kann. Typisch für den Lebensraum<br />

Weißdüne ist der Eulenfalter Chortodes elymi, der sowohl auf<br />

Scharhörn als auch auf Nigehörn festgestellt wurde. Diese unscheinbare<br />

Art lebt ausschließlich an Strandroggen und ist daher<br />

eng an die Küstenlebensräume der Nord- und Ostsee gebunden.<br />

Sowohl Scharhörn als auch Nigehörn haben im Südosten einen<br />

sogenannten Steert ausgebildet, der, ebenso wie die östlich angelagerten<br />

Haken, Primärdünenvegetation auf feuchtem, offenem<br />

Sand aufweist. Diese Flächen werden von starken Hochwässern<br />

erreicht. Für diesen Lebensraum sind Laufkäferarten der Gattung<br />

Dyschirius typisch. Auch in der Inselmitte Nigehörns, in Stauwassersenken,<br />

sind offene, feuchte Sande anzutreffen.<br />

Andere ökologische Bedingungen herrschen auf vegetationslosen<br />

Flächen mit offenem Sand. Lediglich Nigehörn besitzt noch solche<br />

Biotope, die durch Ausblasungen entstanden sind. Diese<br />

Strukturen sind im Laufe der Sukzession auf Scharhörn verlorengegangen.<br />

Trockenheits- und wärmeliebende Arten wie z.B. der<br />

hauptsächlich im Küstenbereich vorkommende Laufkäfer Amara<br />

quenseli, bevorzugen diesen Lebensraum. Auf der "Roten Liste"<br />

der gefährdeten Laufkäfer ist die genannte Art bereits als stark<br />

gefährdet eingestuft.<br />

Umfangreiche Gehölzstrukturen, wie sie für alte Dünen (Tertiärdünen)<br />

charakteristisch sind, kommen aufgrund des relativ geringen<br />

Alters beider Inseln nicht vor. Daher finden gehölzbewohnende<br />

Tierarten hier keinen Lebensraum. Lediglich auf Scharhörn<br />

haben sich einige kleinere Rosenbestände aus der allgemein weit<br />

verbreiteten Kartoffelrose etabliert.<br />

Die Lebensräume und ihre Besiedlung im Vergleich<br />

Am Beispiel der verschiedenen Eulenfalter-Arten Scharhörns<br />

kann die Bevorzugung bestimmter Lebensräume aufgezeigt werden.<br />

Etwa 20% der Arten bevorzugen die offenen, trockenen<br />

Lebensräume. Aufgrund der Seltenheit dieser Extrembiotope sind<br />

viele der an diese Lebensbedingungen angepaßten Arten inzwischen<br />

in ihrem Bestand gefährdet und werden auf den "Roten<br />

Listen" geführt. Fast die Hälfte aller gefundenen Eulenfalterarten<br />

können als bodenständig angenommen werden, d.h. sie können<br />

alle Stadien ihrer Entwicklung auf Scharhörn durchlaufen und sich<br />

dort auch fortpflanzen.<br />

Auch für viele andere Insektengruppen werden ähnliche Verhältnisse<br />

vermutet, doch sind bislang zu wenig grundlegende Untersuchungen<br />

durchgeführt worden.<br />

Detaillierte Untersuchungen zum Artenbestand der Insekten auf<br />

Nigehörn liegen bislang noch nicht vor. Bei vergleichenden Untersuchungen<br />

zur Nachtfalter- und Kleinschmetterlingsfauna von<br />

Scharhörn und Nigehörn wurde aber bereits bei einer Erfassung<br />

Ende Juni 1997 ein Anteil von etwa zwei Drittel der Arten<br />

Scharhörns auch auf Nigehörn gefunden, die dort als bodenständig<br />

gelten dürfen. Die Besiedlung Nigehörns mit charakteristischen<br />

Insektenarten scheint damit schon weit fortgeschritten zu sein.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!