das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Philosophie 267<br />
gisehe Vorstellung) aufzubrechen, daß die Erscheinungen der »einmaligen« Zeugung<br />
identisch seien mit den Erscheinungen der (»statistischen«) Vererbung. Der historische<br />
Weg zur wissenschaftlichen Rationalität, jener »geordnete Fortgang ... , der im<br />
nachhinein erst wahrnehmbar ist«, zeigt sich nicht zuletzt im Prozeß der Verschiebung<br />
und Ersetzung von Modellen, die aber zum anderen ihren Ideologiecharakter<br />
erst dann verlieren, wenn sie sich der (empirischen) Bewährung zugänglich erweisen.<br />
Was aber ist wissenschaftliche Rationalität? So sehr Canguilhems Untersuchungen<br />
ihrer historischen Hervorbringung überzeugen, so wenig befriedigt seine Definition:<br />
»Eine Wissenschaft ist ein Diskurs, der durch seine <strong>kritische</strong> Berichtigung normiert<br />
wird« (21). Der, von Canguilhem selbst exemplarisch vorgeführte, Prozeß der historischen<br />
Entwicklung von Wissenschaft läßt sich nicht auf einen Diskurs reduzieren.<br />
Hans-]örg Rheinberger (Berlin/West)<br />
Günther, Gotthard: Beiträge zur Grundlegung einer operationsfähigen<br />
Dialektik. Bd. I: Metakritik der Logik - nicht-Aristotelische Logik<br />
- Reflexion - Stellenwerttheorie - Dialektik - Cybernetic Ontology - Morphogrammatik<br />
- Transklassische Maschinentheorie. F. Meiner Verlag, Hamburg<br />
1976 (365 S., br., 58,- DM).<br />
Günther, Gotthard: Idee und Grundriß einer nicht-Aristotelischen<br />
Logik. 2. Aufl. mit einem neuen Vorw. und einem Anhang: Kaehr, Rudolf:<br />
Materialien zur Formalisierung der dialektischen Logik und<br />
der Morphogrammatik 1973-1975. F. Meiner Verlag, Hamburg 1978<br />
(417 S. u. 125 S. Anh., br., 84,- DM).<br />
Die »Beiträge« sind eine Aufsatzsammlung mit Arbeiten Günthers aus den letzten<br />
40 Jahren, »Idee und Grundriß« erschien erstmals 1959. Günthers Anspruch ist es, in<br />
der Konfrontation der reflexions theoretischen Ergebnisse des deutschen Idealismus<br />
mit der mathematischen Logik den Durchbruch zur operativen Dialektik gefunden zu<br />
haben. Speziell im Anschluß an Hegels Analysen der klassischen Logik, die heute in<br />
der zweiwertigen Aussagenlogik als ihrem Basissystem formalisiert ist, stellt Günther<br />
fest, daß aus ihr als reiner Objekt- bzw. Seinslogik die Subjektivität als Thema grundsätzlich<br />
ausgeschlossen ist. Im Anschluß an den deutschen Idealismus sieht Günther,<br />
daß in der Selbstreflexion <strong>das</strong> Subjekt neben dem Objekt eine zweite logische Gegenstandsklasse<br />
bildet. Durch die Spaltung der Subjektivität in die existentielle Form des<br />
Du und die Form des denkenden Ich ergibt sich <strong>das</strong> neue logische Minimalschema von<br />
Ich-Du-Es an statt der klassischen Subjekt-Objekt Dichotomie. Die Günthersche<br />
Konzeption ist die erste Logik, die die Subjektivität positiv in eine logische <strong>Theorie</strong><br />
der Wirklichkeit einbezieht, womit ein Schritt in der überwindung des Idealismus in<br />
der Mathematik gemacht ist.<br />
Formalisieren läßt sich diese über die Trichotomie hinaus prinzipiell unendlich erweiterbare<br />
Konzeption nach Günther in einer mehrwertigen Logik. Während aber die<br />
bekannten mehrwertigen Logiken prinzipiell nur eine Negation haben, führt Günther<br />
je nach Anzahl der Werte verschiedene Negationen ein. Diese Vielzahl der Negationen<br />
gilt als <strong>das</strong> Kriterium <strong>für</strong> eine dialektische Logik. Günther beansprucht hier keinen<br />
Spezialfall dialektischer Strukturen zu entwickeln, sondern eine dialektische Logik,<br />
die in ihrer Allgemeinheit die klassische Logik übertrifft. Das zeigt sich darin, daß<br />
die dialektische mehrwertige Logik ein »Stellenwertsystem zweiwertiger Logiken«<br />
ist, d. h. sie ist die Vermittlung einer Vielheit klassischer Logiken, zwischen denen<br />
sich der »Kampf und die Einheit der Widersprüche« entfaltet. In einem Aufsatz von<br />
1962 zeigte Günther, daß eine weitere Verallgemeinerung notwendig ist, um die<br />
DAS ARGUMENT 114/1979 ©