das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
180 Walfgang Fritz Haug<br />
näckigen< ökonomischen Fakten aufbauen will ... « Le Duan fährt fort: "Unsere<br />
Partei ist reif geworden im Studium und in der Erkenntnis der Gesetzmäßigkeiten der<br />
nationaldemokratischen Revolution und des Volkskrieges ; aber bei der Beherrschung<br />
der Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Revolution und des Aufbaus des Sozialismus<br />
hat sie noch nicht mehr als die ersten Schritte gemacht ... Direkt zum Sozialismus<br />
übergehen und die Phase der kapitalistischen Entwicklung überspringen bedeutet,<br />
daß wir nicht durch die Schule der mechanisierten Großproduktion gegangen<br />
sind ... Durch ihre zersplitterte, uneinheitliche, verstreute und anarchische Natur<br />
hat uns die Kleinproduktion auf organisatorischem Gebiet nichts hinterlassen als<br />
schädliche Arbeitsgewohnheiten, die in völligem Widerspruch zu den Erfordernissen<br />
der Organisation einer sozialistischen Großproduktion stehen ... Wir stützen uns<br />
auf grundlegende Vorteile: ... die Stärke der neuen Produktionsverhältnisse, den revolutionären<br />
Enthusiasmus des Volkes, alle unsere natürlichen Reichtümer und die<br />
selbstlose Hilfe der Bruderländer. Was fehlt uns am meisten? Kenntnisse auf dem Gebiet<br />
der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Technik, Fähigkeiten auf dem Gebiet<br />
der Leitung.« (Le Duan 1973, S. 120-124)<br />
Die Phase der kapitalistischen Entwicklung muß übersprungen werden. Aber sie<br />
kann nur übersprungen werden, wenn es gelingt, auf andere Weise bestimmte subjektive<br />
und objektive Bedingungen zu entwickeln, auf die sich die sozialistische Entwicklung<br />
stützen können muß, soll sie nicht scheitern. Was war an der kapitalistischen<br />
Entwicklungsphase so wichtig, daß es zum großen Problem wird (einem nach 1917<br />
tragisch gelebten Problem), sie zu überspringen? Le Duan nennt die überwindung<br />
der Kleinproduktion und die Entwicklung mechanisierter Großproduktion. Um zu<br />
begreifen, was <strong>das</strong> unter kapitalistischen Bedingungen <strong>für</strong> eine Schule war, muß man<br />
sich die Art der Durchsetzung dieser Entwicklung vor Augen führen. Eingerahmt von<br />
Gewalt waren es die spontanen, durch <strong>das</strong> Wertgesetz bestimmten Marktbewegungen<br />
selber, die ganze Heerscharen von Produzenten enteigneten und sie der Alternative<br />
totaler Verelendung oder Lohnarbeit unter fremdem Kommando auslieferten. Die<br />
kapitalistische Phase entwickelte so nicht nur den »materiellen Organismus« der Produktion,<br />
sondern auch die Disziplin ihrer subjektiven Agenten. Die Form dieser<br />
"Schulung« war charakterisiert durch absolut inhumane Entfremdung der Lohnarbeiter<br />
und Verdinglichung der sozialen Beziehungen. Der ganze Kapitalismus läßt sich<br />
beschreiben als ein mechanisches System ökonomischer Hebel, <strong>das</strong> die Individuen<br />
dazu zwingt (durch ökonomische Gewalt), mehr zu produzieren als sie brauchen,<br />
sich einer <strong>das</strong> ganze Leben durchdringenden Arbeitsdisziplin zu unterwerfen und sich<br />
<strong>für</strong> die technische Veränderung von Naturstoff zu qualifizieren. Die Kapitalisten<br />
werden - bei Strafe ihres Untergangs - von diesem System dazu angehalten, erhebliche<br />
Teile des an geeigneten Mehrwerts zu kapitalisieren, also <strong>das</strong> Kapital immer mehr<br />
zu vergrößern. Der Profitmechanismus belohnt sie darüber hinaus <strong>für</strong> jede Produktivkraftentwicklung<br />
mit Extraprofiten und bestraft sie <strong>für</strong> jedes Zurückhinken hinter<br />
der Produktivkraftentwicklung anderer mit Profitminderung. So läßt sich <strong>das</strong> kapitalistische<br />
System nach dieser Seite begreifen als ein riesiger entfremdeter Mechanismus<br />
zur Entwicklung der subjektiven und objektiven Bedingungen der Produktion. Nach<br />
Marx entstehen auf diesem Wege die Elemente einer sozialistischen Gesellschaft, die<br />
ohne jeden entfremdeten Mechanismus ihre Selbstentwicklung organisiert. Dazu ist<br />
eine bestimmte Entwicklungshöhe notwendig, eine bereits erreichte Verwissenschaft-