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das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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302 Besprechungen<br />

Der Verfasser beschreibt detailliert die politische Entwicklung des Zentrums, im wesentlichen<br />

seiner Führung und seiner Reichstagsfraktion, vom Sturz des Kabinetts<br />

Brüning Ende Mai 1932 bis zu den »verlorenen Nachhutgefechten« (208) - den Bemühungen<br />

zahlreicher Zentrumsabgeordneter um den Hospitantenstatus in den entsprechenden<br />

NSDAP-Fraktionen - nach der Selbstauflösung der Partei am 5. Juli 1933.<br />

Die Zentrums spitze zielte 1932/33 unter der Parole der »Volks sammlung« auf eine autoritäre<br />

Rechtsregierung der »nationalen Konzentration«. In diesem Rahmen - so<br />

Morsey - passen sich die Verhandlungen mit der NSD AP über eine »schwarz-braune<br />

Koalition« (61), die Bemühungen um die »Zähmung« der Nazipartei im Sommer und<br />

Herbst 1932 ebenso ein wie die illusorische Hoffnung, durch Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz<br />

an der nationalsozialistisch dominierten Regierung teilhaben zu<br />

können. Während der Verfasser in seinem früheren Beitrag noch die hierarchische<br />

Gliederung der katholischen Kirche und ihre Affinität zu autoritären Regimen <strong>für</strong> den<br />

demokratischen Substanzverlust im Zentrum mitverantwortlich macht, verweist er<br />

1977 »Versuche, den Anteil der katholischen, naturrechtlich begründeten Staats- oder<br />

Gesellschaftslehre« als Orientierungsmuster <strong>für</strong> die Zentrumsabgeordneten 1932/33<br />

zu sehen in den »Bereich der Spekulation« (22). Morsey sieht nun »Anerkennung der<br />

Verfassung, Abwehr von Umsturzversuchen, aktive Mitarbeit an der Bewahrung eines<br />

befriedeten Staatswesen sowie einer freiheitssichernden Wirtschaftsordnung und<br />

ausgleichenden Sozialpolitik« (22) als durchgehende Fundamente der Zentrumspolitik<br />

an, ohne diese in vielerlei Hinsicht fragwürdigen Formeln näher zu explizieren.<br />

Dem Autor erscheint der autoritäre, <strong>das</strong> »Führerprinzip« integrierende Kurs des Zentrums<br />

in den letzten Monaten seines Bestehens nicht als problematisch; er moniert<br />

vielmehr, daß keiner der Spitzenpolitiker des Zentrums »eine zielbewußte und herausragende<br />

Führergestalt« (218) gewesen sei, und daß <strong>das</strong> Zentrum sich durch »seine<br />

blinde Opposition« (56) gegen <strong>das</strong> Präsidialkabinett Papen ins politische Abseits manövriert<br />

habe. Morseys Urteil zur Bedeutung des Konkordats zwischen Deutschem<br />

Reich und Vatikan <strong>für</strong> <strong>das</strong> Ende des Zentrums lautet: Hitler »mußte damit <strong>für</strong> etwas<br />

zahlen, was er zum Zeitpunkt des Abschlusses bereits erreicht hatte: <strong>das</strong> Verschwinden<br />

des politischen Katholizismus.« (207) - ein angesichts des negativen Effekts der Konkordatsverhandlungen<br />

auf den Selbstbehauptungswillen des Zentrums einseitiges Fazit.<br />

Neu eingefügt ist <strong>das</strong> Einführungskapitel "Zwischen Politik und Kirche«. Hier<br />

verläßt Morsey die Bahnen der Ereignisgeschichtsschreibung und thematisiert <strong>das</strong> »Zusammenfallen<br />

von Grundlagenkrise und sozialen Spannungen« (18) im Zentrum der<br />

Weimarer Zeit. Durch die verfassungsrechtliche Absicherung kirchenpolitischer Positionen<br />

habe die »traditionelle kulturpolitische Einigungsformel« von ihrer Relevanz<br />

als »wichtigstem innerparteilichem Bindeglied« (14) eingebüßt. Nur durch Formelkompromisse,<br />

einen durch kontinuierliche Regierungsbeteiligung sowie durch die<br />

seit 1928 zahlreichen Wahlkämpfe bewirkten »Solidarisierungszwang« (16), durch die<br />

Herausbildung einer Klientel im Beamtenbereich, durch den Versuch, ein seit dem<br />

Kulturkampf empfundenes »nationales« Legitimationsdefizit zu kompensieren und<br />

3chlidl,lich dlll ch die Klerikalisierung der Zentrumsführung 1928 sei es unter Mühen<br />

möglich gewesen, den durch die klassenübergreifende soziale Basis der Zentrumspartei<br />

- Morsey spricht von» Volkspartei« - erzeugten zentrifugalen Tendenzen im politischen<br />

Katholizismus entgegenzusteuern. Auf diesem Problemfeld lohnte es sich,<br />

weiter zu diskutieren. Eines ist jedenfalls gewiß: Die Krise der bürgerlichen Mittelparteien<br />

machte vor dem Zentrum nicht halt.<br />

Morseys Buch enthält nicht mehr den Dokumentenanhang seines früheren Aufsatzes.<br />

Da eine Neuauflage des Sammelbandes von 1960 nicht mehr zu erwarten ist, wird<br />

man auf die an anderer Stelle neu erschienenen Einzelbeiträge, mithin auch auf dieses<br />

Buchzurückgreifen müssen. Michael Zimmermann (Bochum)

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