das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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208 T atjana Chahoud<br />
(1976) kommt zu dem Ergebnis, daß trotz der ungeheueren Anstrengungen, die bislang<br />
unternommen wurden, die Verelendung großer Teile der Bevölkerung eher zu als<br />
abnimmt, die positiven Auswirkungen auf die Lebenssituation der Masse der Bevölkerung<br />
(der vielgerühmte »Trickle-down··Effekt«) sich also nicht einstellte (Internationales<br />
Arbeitsamt 1976, S. 24): Die Zahl der Arbeitslosen und Unterbeschäftigten<br />
in den sog. marktwirtschaftlich orientierten Entwicklungsländern liegt beispielsweise<br />
bei gegenwärtig 300 Millionen (!) (Internationales Arbeitsamt 1976, S. 19), die Zahl der<br />
erwachsenen Analphabeten hat sich im Zeitraum von 1960-1970 von 700 Millionen<br />
auf 760 Millionen erhöht (!), in Lateinamerika, wo sich die meisten Entwicklungsländer<br />
mit einer relativ hohen Wachstumsrate des BSP befinden, hat sich die bestehende<br />
ungleiche Einkommensverteilung nicht verbessert, vielmehr haben die Einkommenskonzentrationswerte<br />
in der Zeit von 1961-1971 gemessen anhand des Gini-Koeffizienten<br />
sogar noch weiter zugenommen (Bohnet/Betz, 1976, S. 36) und wie der Weltentwicklungs<br />
bericht selbst ausführt, zeigen die Wachstumsraten auf dem Industrieals<br />
auch auf dem Agrarsektor seit Beginn der 70er Jahre eine verstärkt rückläufige C)<br />
Tendenz (90). Darüber hinaus kommt die Weltbank zu dem Ergebnis, daß der Index<br />
der Nahrungsmittel-Produktion pro Kopf in den Entwicklungsländern mit »niedrigem<br />
Einkommen" inden Jahren 1974-76 sogar unter <strong>das</strong> Niveau von 1965-67 (= Basisjahr)<br />
gefallen ist (88 f.).<br />
Das verheerende Ausmaß der Armut in den Entwicklungsländern wird auch an anderer<br />
Stelle des ILO-Berichtes deutlich: Nach diesen Angaben, die sich weitgehend<br />
mit den üblichen Daten der Weltbank decken, waren 1972 ca. 1,2 Mrd. Menschen in<br />
den marktwirtschaftlich orientierten Entwicklungsländern (67% der gesamten Bevölkerung)<br />
»ernstlich arm«, was einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von umgerechnet<br />
180 US $ in Lateinamerika, 115 US $ in Afrika und 100 US $ in Asien entspricht.<br />
Zu den »völlig Verarmten« (ca. 700 Millionen Menschen) gehören nach diesen<br />
Berechnungen alle jene Personen mit einem Einkommen von 90 US $ in Lateinamerika,<br />
59 US $ in Afrika und 50 US $ in Asien (Internationales Arbeitsamt 1976,<br />
S. 23).2 Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser katastrophalen Lage erlangt die<br />
Frage, worin die Weltbank bzw. der Weltentwicklungsbericht die Ursachen der Unterentwicklung<br />
und eng damit verknüpft die Perspektiven <strong>für</strong> die »Dritte Welt" sieht,<br />
ein besonderes Gewicht.<br />
IV.<br />
Trotz einiger Unterschiede im Detail und trotz differierender Interessen etwa zwischen<br />
USA/BRD und anderen kapitalistischen Industriestaaten hinsichtlich der<br />
NWWO können Analyse und Stoß richtung des Weltbankberichts als repräsentativ<br />
<strong>für</strong> die strategischen Interessen der kapitalistischen Industrieländer angesehen werden.<br />
Daher sollen im folgenden deren Analyse der Genese von Unterentwicklung und<br />
die vorgeschlagenen Entwicklungsstrategien untersucht werden.<br />
Bereits in den ersten Abschnitten> die v. a. detaillierte Angaben zu den Entwicklungserfahrungen<br />
in den Jahren 1950-1975 sowie zu den zentralen Problemen der gegenwärtigen<br />
weltwirtschaftlichen Entwicklungstendenzen enthalten, deuten sich die<br />
wissenschaftstheoretischen Positionen der Weltbank an. So heißt es zum gegenwärtigen<br />
Stand der Unterentwicklung: »Die bisherigen Ergebnisse sind sowohl ermutigend<br />
als auch ernüchternd. Das Wirtschaftswachstum der Entwicklungsländer hat die ur-