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das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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300 Besprechungen<br />

ignoriert, um die <strong>Theorie</strong> vom »natürlichen« (d. h. nicht gesellschaftlichen, nicht<br />

ökonomischen) Ursprung der herrschafts bildenden und -erhaltenden <strong>Institut</strong>ionen,<br />

bis hin zum Staat, entwickeln zu können (34 ff., 74 f.).<br />

Kuhn stellt dem institutionellen Denken des »Gegenaufklärers« Gehlen jenes des<br />

»aufgeklärten Technokraten« C. Offe (64 ff.) und des »Ausläufers der <strong>kritische</strong>n<br />

<strong>Theorie</strong>«, J. Habermas (72 ff.) gegenüber. Er kennzeichnet den Verzicht des letzteren<br />

auf eine objektive <strong>Theorie</strong> der Gesellschaft als eine Folge der bereits vollzogenen<br />

»Identifikation mit dem Aggressor«, als Folge der Unterwerfung unter <strong>das</strong> tabu, <strong>das</strong><br />

vom Kapital über sein Bewegungsgesetz gebreitet wurde. Der Unterschied zwischen<br />

Rechten vom Schlage Gehlens und den »liberalen Pragmatikern auf der Linken« läuft<br />

nach Kuhn objektiv auf eine Arbeitsteilung hinaus: während Offe und Habermas sich<br />

um <strong>das</strong> störungsfreie Funktionieren des kapitalistischen »Normal«zustandes und<br />

»Regel«falles »mittels verbesserter sprachlicher Kommunikation«, durch institutionalisierte<br />

»Interaktion« sorgen, können sich gleichzeitig Rechte wie Gehlen »<strong>für</strong> ihren<br />

Hauptzweck, <strong>das</strong> sprachlosere Funktionieren des Ausnahmezustandes«, bereithalten.<br />

(63) Kuhn zeigt, daß Habermas Gehlens Ableitung der <strong>Institut</strong>ionen aus »vorökonomischen<br />

Tatsachen« als Argument gegen den Marxismus übernimmt (75 f.),<br />

und damit nicht nur zur Begründung der Ewigkeit von Herrschaft gelangt, sondern<br />

auch - wie Gehlen - in allen Gesellschaftsformationen schon die kapitalistische erblickt<br />

(76 f., 90 f.). Während jedoch der gegenaufklärerische Gehlen von der Verallgemeinerung<br />

des zweckrationalen HandeIns die Zerstörung der Macht der <strong>Institut</strong>ionen<br />

be<strong>für</strong>chtet, sieht Habermas umgekehrt deren Rettung in der Rationalisierung des<br />

»institutionellen Rahmens« (73, 79).<br />

Was aber hat es mit dem »langen Marsch in den Faschismus« auf sich? Kuhn drückt<br />

in dieser Formel seine Auffassung aus, daß der vom Reformismus empfohlene »lange<br />

Marsch durch die <strong>Institut</strong>ionen« als Weg der Verwandlung der kapitalistischen in die<br />

sozialistische Gesellschaft in Wirklichkeit in den Faschismus führen müsse, weil <strong>das</strong><br />

Hereinfallen auf die institutionelle Fiktion eines von den Interessen der Monopole<br />

unabhängigen Staates zur Selbstzerstörung der Vertretungskörper der Arbeiter führen<br />

werde, wie <strong>das</strong> Ende der Weimarer Republik erwiesen habe (94 f.).<br />

Auf den letzten Seiten wird unter Berufung auf Altvater die <strong>Theorie</strong> vom staatsmonopolistischen<br />

Kapitalismus zu einer revisionistischen Abweichung gestempelt, werden<br />

die ultralinken Vorwürfe gegen die FKP wiederholt, denen zufolge diese Partei im<br />

Mai 1968 den französischen Kapitalismus vor seinem revolutionären Sturz gerettet<br />

habe. In Anlehnung an Andre Glucksmann spricht Kuhn vom damaligen Streik als einem<br />

»Generalstreik bisher unbekannten Ausmaßes«, mit dem die Arbeiterklasse<br />

Frankreichs ihre ökonomische Macht eingesetzt habe, aber wegen des »staatsloyalen<br />

Verhaltens« der »parlamentarisch-kommunistischen Partei Frankreichs« am Griff<br />

nach der Staatsrnacht gehindert worden sei. Er erblickt in den Mai-Ereignissen einen<br />

Triumph des bürgerlichen <strong>Institut</strong>ionalismus: dieser <strong>Institut</strong>ionalismus, definiert als<br />

die »rituelle Gewöhnung daran, den Klassenkampf auf nur politischer Ebene auszutragen,<br />

ihn in diese Bahnen zu lenken und dort zu halten«, sei der Schlüssel zur Erklärung<br />

der Haltung der FKP (95). Ist schon die Trennung des politischen vom ökonomischen<br />

Kampf und seine Disqualifizierung recht merkwürdig, da ja die Herrschaft<br />

des Kapitals nicht anders als durch Kampf um die politische Macht, durch politischen<br />

Kampf also, gebrochen werden kann, so ist es die Begründung der Kritik an der <strong>Theorie</strong><br />

vom staatsmonopolistischen Kapitalismus noch viel mehr. »Alle den Marxismus<br />

... revidierenden reformistischen <strong>Theorie</strong>n verbreiten die Illusion, der moderen<br />

Staat sei nicht mehr ideell-, bloß fiktiver, sondern wirklicher Gesamtkapitalist, er<br />

könne die naturwüchsigen Antagonismen, die in der Basis, in der kapitalistischen<br />

Produktionsweise liegen, (ohne diese selbst und zuerst,) durch staatliche Eingriffe

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