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das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Typen kolonialer Produktionsweise 195<br />

quenzen der weltweiten Expansion des Kapitalismus identifizieren. Und, da diese<br />

Expansion immer weiter voranschreitet, ist <strong>das</strong> Gleichgewicht zwischen diesen beiden<br />

Tendenzen niemals ein statisches, sondern stets vorläufig, prekär und veränderbar.<br />

Um diesen Komplex von Phänomenen theoretisch in den Griff zu bekommen, hat<br />

man eine ganze Reihe von Konzepten entwickelt. Am fruchtbarsten und präzisesten<br />

erscheint mir die Konzeption der "kolonialen Produktionsweise«, wie sie von Alavi,<br />

Banajee und anderen vorgeschlagen wurde; v. a. deshalb, weil in diesem Begriff die<br />

Einheit der verschiedenen Wirtschaftssektoren in den betroffenen Ländern hervorgehoben<br />

wird - ohne Einheit macht die Rede von der Produktionsweise keinen Sinn.<br />

Die begriffskonstituierenden Merkmale einer "kolonialen Produktionsweise« sind<br />

nach dieser Konzeption die folgenden:<br />

Erstens: Die Wirtschaft ist gespalten in zwei "strukturell heterogene«, aber untereinander<br />

verbundene Sektoren: einen kapitalistischen und einen nicht-kapitalistischen.<br />

a) Der kapitalistische Sektor ist definiert durch verallgemeinerte Warenproduktion,<br />

was bedeutet, daß die materiellen Produkte dieses Sektors in ihrer überwältigenden<br />

Mehrzahl als Waren (Tauschwerte) produziert werden, und daß <strong>für</strong> den<br />

größten Teil der unmittelbaren Produzenten die Arbeitskraft selbst zu einer in Geld<br />

bezahlten Ware geworden ist. Beides zusammen erfordert ständig erweiterte Reproduktion<br />

durch Kapitalakkumulation. (b) Der nicht-kapitalistische Sektor ist genau<br />

dadurch definiert, daß verallgemeinerte Warenproduktion nicht vorliegt, d. h. daß<br />

die materiellen Produkte in ihrer Mehrzahl nicht als Waren, sondern als pure Gebrauchswerte<br />

produziert werden (»Subsistenzreproduktion«)2, und daß die meisten<br />

der unmittelbaren Produzenten ihre Arbeitskraft nicht als Ware auf dem Markt verkaufen.<br />

Hier findet erweiterte Reproduktion durch Kapitalakkumulation in der Regel<br />

nicht statt.<br />

ZU'eitens: Die Wirtschaft ist in einem Zustand der »internen Desartikulation«,<br />

d. h. (wie Alavi etwas überpointiert formuliert): "Die Segmente der kolonialen Wirtschaft<br />

treiben keinen Handel untereinander; ihre Verbindung untereinander kommt<br />

nur durch ihre Beziehungen zu den metropolitanen ökonomien zustande; daher sind<br />

sie diesen subordiniert.« (Alavi 1975,1253). Eine Produktions- oder Nachfragesteigerung<br />

an einer Stelle führt daher nicht zu einer korrespondierenden Zunahme an anderen<br />

Stellen der kolonialen, sondern der metropolitanen ökonomie. Hinzu kommt,<br />

daß die kapitalistische Produktion an der Peripherie zu großen Teilen in Betrieben<br />

metropolitaner Riesenkonzerne stattfindet, welche nach eigenem Gutdünken darüber<br />

entscheiden können, ob sie ihre Profite im Lande investieren oder nach Hause transferieren.<br />

Dies sind die wichtigsten Ursachen da<strong>für</strong>, daß autozentrierte Entwicklung in<br />

diesen Gesellschaften nicht möglich ist.<br />

Drittens: Dennoch besteht eine »unauflösliche Einheit« zwischen dem kapitalistischen<br />

Sektor (welcher einheimische wie metropolitane Elemente enthält) und dem<br />

nichtkapitalistischen Sektor. Durch die Beispiele, die Alavi gibt, wird angedeutet, daß<br />

der Inhalt dieser »Einheit« in ständigem einseitigem Transfer von Werten aus dem<br />

nichtkapitalistischen in den kapitalistischen Sektor zu sehen ist. Aber <strong>das</strong> bleibt ziemlich<br />

unklar, weshalb, wie mir scheint, dieser Punkt weiter ausgearbeitet werden muß<br />

durch nähere Untersuchung der genauen Bedeutung dieser »Einheit«.<br />

Alavi spricht in diesem Zusammenhang von einem bedeutsamen Unterschied zwi-

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